19. November 2018 3 Likes

Bunte Rebellen-Prinzessinnen

Animierte Science-Fantasy: Taugt die erste Staffel von Netflix’ „She-Ra“-Reboot?

Lesezeit: 4 min.

Bitte mal alle die Hand heben, die als Kind der späten 80er und frühen 90er ebenfalls das Gefühl haben, größtenteils von den Zeichentrickserien-Helden He-Man und She-Ra großgezogen und moralisch gerüstet worden zu sein! Ah, so viele. Wer den Stoff nicht kennt, darum ging es: Ein magisches Schwert verwandelte Prinz Adam von Planeten Eternia in den superstarken He-Man, der mit der Macht von Grayskull und vielfältigen Gefährten ab 1983 gegen den fiesen Skeletor samt Schergen kämpfte, was den Verkauf der Masters of the Universe-Actionfiguren von Hersteller Mattel gehörig ankurbelte. Die Spielzeuge und die Abenteuer im Fernsehen liefen so gut und waren selbst bei Mädels so beliebt, dass 1985 das Spin-off „She-Ra: Princess of Power“ ins TV kam und eine eigene Toy-Line befeuerte, von der in den Läden niemand so genau wusste, ob man die Figuren jetzt neben He-Man oder Barbie stellen sollte. Im Fokus des femininen He-Man-Ablegers stand Prinz Adams fast vergessene, barbieblonde Schwester Adora, die auf dem Planeten Etheria dank eines eigenen Zauberschwerts zur mächtigen Kriegerin She-Ra wurde und die Rebellion gegen den bösen Hordak und dessen finstere Horde anführte.


Ein magisches Zauberschwert…


… verwandelt Adora in die mächtige She-Ra.

Nachdem Netflix mit „Trollhunters“, „Der Prinz der Drachen“, „Hilda“ und „Sabrina“ eindrucksvoll bewiesen hat, dass man fantastische Animationsserien und Serienreboots kann, verhelfen der Streaming-Gigant und DreamWorks dem altgedienten Franchise um die starke blonde Kriegerin in „She-Ra und die Rebellen-Prinzessinnen“ nun zu einem schwungvollen, bunten Neustart. Die Geschichte von Adora, der anfangs ein großes Stück ihrer Vergangenheit fehlt, beginnt diesmal in Etherias Schreckenszone, wo sie neben ihrer besten Freundin Catra zu den jüngsten Soldaten der Horde gehört. Eher durch Zufall wird Adora im Krieg, der mit Lügen, Schwertern, Magie, Mutantenkräften, Panzern, Fluggeräten, schweren Geschützen, Robotern und „Gründer-Technologie“ einer vergangenen Zivilisation geführt wird, erstmals zu She-Ra. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hilft sie plötzlich der teleportierenden Thronfolgerin Glimmer und dem Bogenschützen Bow dabei, die Superprinzessinnen Etherias, die alle über besondere Kräfte verfügen, ein weiteres Mal gegen die Horde zu vereinen. Das bedeutet jedoch, dass sich Adora fortan gegen Catra und ihre alten Meister stellt …

Wer die ersten dreizehn Folgen von „She-Ra und die Rebellen-Prinzessinnen“ anschaut, kommt in den Genuss einen exzellenten Reboots und einer in jederlei Hinsicht aktuellen, frischen Trickserienproduktion zwischen Science-Fiction und Fantasy. Dass Netflix’ „She-Ra“-Neuverquickung von DreamWorks stammt, sieht man aufgrund der dominanten Anime-Einflüsse nicht unbedingt auf den ersten Blick, aber deshalb überzeugen die Bilder und die Animationen trotzdem. „She-Ra“ macht in Sachen Diversität zudem alles richtig, und allein der komplexe emotionale und gelegentlich geradezu dezent sexuelle Subtext zwischen She-Ra und Catra weiß für eine „Prinzessinnen-Trickserie“ zu beeindrucken (was nicht zuletzt zeigt, dass die Macher erwachsen gewordene Fans von früher ebenso im Blick haben wie unbedarfte junge Zuschauer). In den alten Serien mit He-Man und She-Ra wurden die moralischen Botschaften am Ende in einem Epilog gerne noch mal mit dem Holzhammer ins Bewusstsein des beeinflussbaren Publikums gerammt, heute geht man subtiler vor, doch da sind die richtigen Messages zu Themen wie Selbstvertrauen, Selbstverständnis und Selbstverwirklichung noch immer. Der Vorspann und seine Musik präsentieren sich schnell und zeitgemäß, hier gibt es weder im Englischen, noch im Deutschen etwas zu meckern. Umso bedauerlicher und frustrierender, dass bei der deutschen Synchro ein paar seltsame Entscheidungen getroffen wurden und z. B. „die Horde“ konsequent zu „die Hordes“ wird, als würde man es mit einem Volk zu tun haben. Autsch.


Aktuelle Diversität und neue Freundschaft: Glimmer, Bow und Adora.


Komplizierte Beziehung: Catra und Adora in der Schreckenszone.

Der ansonsten bemerkenswerte „She-Ra“-Reboot verdankt seine Magie und Qualität einigen bekannten Namen aus dem Comic-Umfeld. Das ist nur passend, da J. Michael Straczynski, Erfinder von „Babylon 5“ und Autor von Comic-Highlights wie „Spider-Man“, „Thor“ und „Superman: Erde Eins“, in den 80ern als Drehbuchautor bei der Erschaffung von She-Ra half. Jetzt ist es dagegen die 1991 geborene Noelle Stevenson, die das Konzept der neuen Serie entwickelte und als Autorin und Showrunnerin fungiert. Sie machte sich u.a. mit den Comics „Nimona“ und „Lumberjanes“ einen Namen, für die sie mehrere Eisner Awards erhielt und in denen sie bereits viele Fantasy-Tropen und Gender-Rollenmodelle auffrischte. Eher unerwartet ist indes das Mitwirken von Chuck Austen. Der 1960 geborene Autor, Zeichner und Tuscher inszenierte früher die Abenteuer von Elektra, den X-Men, Superman und den Avengers, was vor allem bei Marvels Mutanten nicht ohne Kontroversen ablief. Im Animationsbereich wirkte er vor seinem Einsatz als Produzent des „She-Ra“-Revamps an „King of the Hill“, „Die Abenteuer von Rocky & Bullwinkle“ und „Steven Universe“ mit. Die Power-Prinzessinnen können also zum einen auf viel Erfahrung, und zum anderen auf genug Talent, frische Perspektiven und moderne Ansätze zurückgreifen – und profitieren von beidem. Selbst wenn man nach dem sensationellen Auftakt von Adoras Abenteuern schon befürchtet, dass die Folgen, in denen die Prinzessinnen der Reihe nach vorgestellt werden, ins Formelhafte abgleiten könnten, belehren einen Stevenson und ihre Crew eines Besseren.

„She-Ra und die Rebellen-Prinzessinnen“ funkelt in den meisten Momenten der ersten Staffel als erstklassige, spritzige Neuinterpretation, die alte Fans strahlen lässt und dennoch ohne Mühe eine neue Generation für She-Ra und Co. begeistern dürfte. Bei so viel Qualität wünscht man sich, dass noch mehr Kulttrickserien aus den 80ern ein Netflix/DreamWorks/Noelle Stevenson-Facelifting erfahren. Bis dahin macht She-Ras Comeback Grayskull und den Masters of the Universe alle Ehre – und jede Menge Spaß.

Bilder: © 2018 Netflix

She-Ra und die Rebellen-Prinzessinnen – Staffel 1 • Creator & Showrunner: Noelle Stevenson • Laufzeit: 13 Episoden mit je knapp 25 Min.

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