1. Juni 2015 3 Likes 1

Very Perry

Einige Vorschläge, um die größte Science-Fiction-Serie der Welt noch größer zu machen – Eine Kolumne von Adam Roberts

Lesezeit: 4 min.

Ich bewundere „Perry Rhodan“. Oder, genauer gesagt: Ich bewundere die Idee, die hinter „Perry Rhodan“ steckt. Meines Wissens beinhaltet die Serie inzwischen an die dreitausend Romane, Spin-Offs und Ableger nicht mitgezählt. Davon wurden bisher lediglich die ersten einhundertachtzehn Bände ins Englische übersetzt, und von diesen habe ich gerade mal neunzig gelesen. Sie haben mir gefallen, aber in Bewunderung bin ich nicht gerade ausgebrochen. Perrys frühe Abenteuer sind etwas schwachbrüstig, wenig originell und gelegentlich ein bisschen infantil. Ursprünglich war die Serie von K. H. Scheer und Walter Ernsting auf dreißig Bände angelegt – selbst das ein ambitioniertes Unterfangen. Meine Bewunderung rührt daher, dass es inzwischen fast hundertmal mehr Bücher gibt als ursprünglich geplant. Die Science-Fiction versucht ja immer, durch ihre Geschichten und Welten den berühmten „sense of wonder“ zu erzeugen; doch es gibt keine andere SF-Saga, die diesen „sense of wonder“ allein durch ihre schiere Masse erreicht.

Als Science-Fiction-Autor liegt in meiner Bewunderung natürlich auch ein gewisser kollegialer Neid. An „Perry Rhodan“ haben im Lauf der Zeit viele verschiedene Schriftsteller mitgewirkt, im Autorenteam herrschte eine ständige Fluktuation. In den Sechzigerjahren allerdings bestand dieses Team eine Zeit lang nur aus drei Personen. Trotzdem musste es jede Woche einen neuen Roman fertigstellen. Zwar waren diese Romane recht kurz, aber dennoch: einen Roman in drei Wochen zu schreiben und dann noch einen und noch einen – das ist ein beeindruckendes Zeugnis von Energie und Durchhaltevermögen. Ich bin als Schriftsteller auch nicht gerade faul, aber eine solche Stachanowsche Leistung ringt mir, wieder einmal, Bewunderung ab.

Ich habe mir fest vorgenommen, irgendwann Deutsch zu lernen, die Sprache der Dichter und Denker , damit ich nicht nur Kant und Goethe, sondern auch den gesamten „Perry Rhodan“-Werkkorpus lesen kann. Es sei denn, vorher wird eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die aus diesen vielen deutschen Wörtern einen flüssigen, lesbaren englischen Text macht. Bis dahin kann ich den deutschen Kollegen nur einen Tipp geben: Merchandising.

Ich weiß, dass die erste „Perry Rhodan“-Folge verfilmt wurde. Ich habe dieses Machwerk gesehen – es war so schlecht, dass ich mir am liebsten mit bloßen Fingern die Augen in den Hinterkopf geschoben und mir die Ohren mit Stahlwolle zugestopft hätte. Jetzt aber, in Zeiten von Game of Thrones und Mad Men, müsste es doch möglich sein, das Budget für eine hochqualitative, auf dreitausend Folgen angelegte Fernsehserie aufzutreiben. Wenn pro Woche eine Folge ausgestrahlt würde, wären wir bis zum Jahre 2075 beschäftigt. Und dann können wir selbst auf Abenteuerreise ins Weltall fliegen.

Um diese Serie zu realisieren, ist es allerdings unabdingbar, ihren Bekanntheitsgrad in der englischsprachigen – oder besser: amerikanischsprachigen – Welt zu erhöhen. Dazu möchte ich ein paar Vorschläge machen:

  1. Verbundwerbung mit alkoholischen Getränken: „Perry“ ist das englische Wort für einen Birnenwein (im Gegensatz zum „Cider“, der aus Äpfeln gemacht wird). Wäre doch gelacht, wenn hier kein Hersteller von Luxusspirituosen anbeißen würde. Außerdem wäre die Vermarktung von Sherry Rhodan (bester spanischer Sherry in einer raumschiffförmigen Flasche), Bier-y Rhodan, Perry Rhod-Wein und dem hochprozentigen Dirty Perry denkbar.
  2. Ein Pop-Hit: ein eingängiger Song, etwa „Major Perry“ oder „Atemlos nach Andromeda“, gesungen von Katie Perry Rhodan.
  3. Ein pikant-scharfes Gericht namens „Curry Rhodan“, serviert von Kellnern in Raumanzügen.
  4. Ein neues Schwertkampfmanöver, bei dem durch eine Disjunktion im Raumgefüge die Waffe des Gegners einfach verschwindet, genannt der „Parier-Rhodan“.
  5. Eine neue Spin-Off-Serie, angesiedelt in einem mythologischen Walhalla unter der Herrschaft von Perry Odin. Mit Chris Hemsworth, damit auch meine Frau zufrieden ist.

Man stelle sich nur das Potenzial vor! Oder, besser noch, das viele Geld! Die Perry-Rhodan-Fans (die „Rhofans“, haha) werden Schlange stehen, um uns mit ihrem sauer Ersparten zu überschütten.

Ich glaube, dass man die schiere Masse der „Perry Rhodan“-Publikationen, dieses Gebirge an Text, nicht mit konventioneller Autorschaft und Verlegerarbeit erklären kann. Menschliche Wesen mögen den Stein ins Rollen gebracht haben, indem sie die ersten paar Romane mit einem Stift zu Papier brachten. Vielleicht. Doch was danach geschah, dürfte jedem Science-Fiction-Fan sonnenklar sein: Ein genialischer Wissenschaftler, ein moderner Dr. Frankenstein, hat eine neue Technologie ersonnen, mit dem Erbgut gedruckter Texte experimentiert und es diesen ermöglicht, sich wie biologische Organismen fortzupflanzen. Da diese neuen Organismen aus Wörtern und nicht aus biologischen Zellen bestehen, stellt sich die sexuelle Reproduktion etwas schwierig dar. Dennoch kann nur die kaninchengleiche Vermehrungsrate einer zahlenmäßig stets wachsenden Population von selbstschreibenden Texten die wundersame Fruchtbarkeit der Rhodanspezies erklären. Und darin liegt meiner Meinung nach das lukrativste Merchandising überhaupt. Da Texte per se kein sexuelles Verlangen empfinden, ist die einzige logische Folgerung, dass hier ein hochpotentes künstliches Stimulans im Spiel ist. Wenn wir das synthetisieren und unters Volk bringen, werden wir ein Vermögen verdienen. Den passenden Namen habe ich schon: „Perry Viagrhodan“.

 

Adam Roberts ist eine der vielversprechendsten Stimmen in der neueren britischen Science Fiction. Geboren 1965, studierte er Englische Literatur in Aberdeen und Cambridge und arbeitet derzeit als Dozent an der University of London. 

Kommentare

Bild des Benutzers Horusauge

Herrlich geschrieben, mit interessanten Ansätzen. Mein gegenüber kann sich meine grinsen grad nicht erklären :)
Ich weiß noch als Perry Rhodan Hefte auf dem Nachttisch meines Vaters lagen.

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