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byNWR: Geniale Streamingplattform von Dänemarks Regie-Papst Nicolas Winding Refn
Hach, toll – wie schön es auch mal wieder sein kann, ein Thema zu vertiefen und nicht nur für 7,99€ im Monat „wegzugucken“, beweist seit einigen Tagen byNWR, ein komplett kostenfreies Streamingportal, das „aus einer Leidenschaft für das Seltene, Vergessene und das Unbekannte heraus geboren wurde“.
Schöpfer des Angebots ist der dänische Regie-Papst Nicolas Winding Refn. Sicher, Refn macht es einem mit seinem gerne zwischen völliger Arbeitsverweigerung und dezentem Größenwahn pendelnden Verhalten in Interviews und auf Pressekonferenzen nicht immer leicht, ihn zu lieben und dass er nach seinem 2011 erfolgten Durchbruch mit „Drive“ nicht einfach noch mal das Gleiche folgen ließ, sondern Kritikern wie Publikum mit „Only God Forgives“ (2013) schlichtweg den Stinkefinger zeigte, haben ihm viele bis heute nicht so recht verziehen. Der Mann ist aber trotzdem einer der wichtigsten Stimmen des zeitgenössischen Kinos, ein großartiger Regisseur mit einer eigenen Handschrift und ein Mensch, der den Film in all seinen Facetten liebt und für seine Liebe immer und immer wieder neue Ausdrucksformen findet.
Auf byNRW geht es dabei konsequenterweise nicht, wie bisher gewohnt, um das wahllose verballern von Content, sondern um eine ausführliche Beschäftigung mit den jeweiligen (mit Sicherheit irgendwann auch Science-Fiction-)Filmen. Vierteljährlich wird eine unter einem bestimmten Motto stehende Ausgabe angeboten, die in drei wöchentlich erscheinenden Kapiteln eingeteilt ist. Jedes Kapitel widmet sich einer anderen Produktion, die mit diversen Essays (teils nur Text, teils multimedial) begleitet wird. Ein bemerkenswerter Aspekt ist, dass man bei den Texten oft auf die internetübliche Häppchen-Mentalität verzichtet, sondern regelrecht Brocken ins Netz gestellt hat – sprich, man muss schon mal satte zwei Stunden Lesezeit mitbringen.
Das erste Volumen „Regional Renegades“, dass sich „The Nest of the Cuckoo Birds“, „Hot Thrills and Warm Chills“, „Shanty Tramp“ widmet, die laut dem skandinavischen Maestro „nicht identifizierbare Genres“ bedienen, ist mittlerweile komplett abrufbar.
Man sollte sich von der bisherigen, gewohnt engärschigen Berichterstattung der Kollegen („Trash“, „nerdig“, „hihi“) nicht beirren lassen und einfach mal reinschauen. Nur weil Hollywood in den letzten Jahrzehnten ein engmaschiges Netz an vermeintlichen Standards über unser Rezeptionsvermögen gelegt hat, heißt das noch lange nicht, dass kein Ausbruch möglich ist – man muss es nur einfach mal wagen.
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