Der Tod des Outsiders
Das Stand-Alone nach „Dishonored 2“ schreibt die Erfolgsgeschichte der Reihe würdig fort
Gleich zu Beginn ein erstes Lob: Nachdem Bethesda und Studio Arkane im letzten Herbst mit dem zweiten Teil ihrer Stealth-Reihe Dishonored die Genre-Messlatte deutlich angehoben haben, erschien bereits in diesem Monat ein weiteres Kapitel für PS4, Xbox One und PC, das allerdings trotz beeindruckendem Umfang nicht als offizieller dritter Teil durchgeht. Zur Klärung: Der Tod des Outsiders stellt als Add-On oder sogenannte Stand-Alone-Erweiterung ein Zwischending aus Vollpreistitel und kleinerem DLC dar. Im Gegensatz zu den bisherigen, sehr gelungenen DLCs, die speziell zu Teil 1 produziert wurden, benötigen Neulinge im Fall von Der Tod des Outsiders nicht einmal die bisherigen Teile, um in den Genuss eines – je nach Spielweise – gut 8 bis 10 stündigen Abenteuers zu kommen, das nicht nur aufgrund seiner Spielzeit überzeugt.
Anders als in den Vorgängern übernehmen wir die Rolle der ehemaligen Profi-Assassinin Billie Lurk, die Kenner bereits aus den bisherigen Story-Fäden kennen. Billie gehörte einst zur Gruppe des berüchtigten Meuchelmörders Daud, der zu Beginn des Erstlings mit der Ermordung einer Kaiserin die weiteren schicksalhaften Ereignisse des im Chaos zu versinkenden Großreichs Dunwall in Gang setzt. Billie, die später (wenn auch nicht unbedingt aus lauteren Gründen) offen gegen Daud aufbegehrt, wird vor allem in Teil 2 als Helferin aktiv, um das Duo aus Emily (Tochter der ermordeten Kaiserin) sowie dem bereits in Teil 1 spielbaren Lordprotektor Corvo zu unterstützen.
Im Stand-Alone trifft Billie nach vielen Jahren wieder auf ihren ehemaligen Mentor Daud, der ihr den Auftrag erteilt, endlich den mysteriösen Outsider zu töten, der als orakelhafte Instanz mittels schwarzer Magie in das Schicksal von Dunwall eingriff und mehr Unheilsbringer als Retter zu sein scheint. Um diese heikle Mission zu bestehen, muss Billie eine legendäre Klinge erbeuten und den Weg in die mystische Parallelwelt des Nichts antreten, um eine schicksalhafte Entscheidung zu treffen.
Auf dem Weg ins Nichts erwarten uns 5 umfangreiche Kapitel, durch die wir uns wie gewohnt aus der Ego-Sicht und unter Zuhilfenahme mehrerer Waffen und magischer Fähigkeiten schleichen. Positiv abei: Auch diesmal besteht keine Pflicht, sich für eine bestimmte Gangart definitiv zu entscheiden. Ob wir uns offensiv mit den Gegnern im Gefecht anlegen oder uns ungesehen beispielsweise über die Dächer beamen, bleibt komplett uns überlassen. Gerade weil die Areale im Vergleich zu den Vorgängern fast noch mehr Wege und Optionen bieten, lädt Der Tod des Outsiders entsprechend stärker zum munteren Experimentieren ein. Bis man alle geheimen Wege und versteckten Objekte gefunden hat, vergeht ordentlich Extrazeit, die allerdings designtechnisch aufgrund der hohen Befriedigung unseres Entdeckerdrangs nicht aufgesetzt wirkt.
Bei der Gestaltung ist auch diesmal eben Abwechslung einer der größten Trümpfe, die Dishonored bestens zu spielen versteht: Fast als eine Art Areal-Best-of der Vorgänger, erwartet uns neben einem Stadtviertel, einer Bank oder einem riesigen Konservatorium auch ein ehemaliger Steinbruch. In Sachen Atmosphäre, muss man zum grandios eingefangenen Steampunk-Setting der Reihe ohnehin nichts mehr sagen. Auch wenn die Grafik gerne ein paar schärfere Texturen vertragen könnte, überzeugt das Game mit stimmigem Flair, tollen Lichteffekten, herrlicher Farbkodierung, guten Sprechern (wenn auch nicht lippensynchron) und vielen grandiosen Details, die immer wieder zum genaueren Hinschauen und Schmunzeln einladen.
Überhaupt ist das famose Leveldesign mit seiner individuellen Note bei jedem Areal wieder mit das größte Plus, wobei Studio Arkane die Palette an Zusatzmissionen innerhalb der Kapitel deutlich erweitert hat und die Erkundung so noch intensiver motiviert. Billies Kräfte fügen sich wunderbar in diese Konstellation ein und erweitern sogar den Skill-Kosmos der Reihe. Neben dem obligatorischen Weitsprung-Beam, können wir nun das Aussehen anderer Figuren annehmen, um uns unerkannt durch eine Menge zu bewegen, oder mittels Geistersicht die Umgebung auskundschaften.
Mithilfe zahlreicher optionaler Zusatzfähigkeiten, käuflicher Waffenmodifikationen und den überall versteckten Knochenartefakten mit ihren ambivalenten Fähigkeiten, lässt sich Billie ganz nach persönlichem Gusto aufrüsten und jederzeit variieren. Da auch die Steuerung ebenso wie die Kampfmechanik absolut flüssig von der Hand geht, macht es einfach Spaß, sich sogar mehrfach durch die Level zu meucheln. Schöne Sache: Die Entwickler haben dafür extra einen „New Game Plus“-Modus implementiert, mit dem man das ganze Abenteuer sogar mit den Kräften des zweiten Teils neu und damit völlig anders durchspielen kann.
Auch im Detail hat Arkane nochmal spürbar nachgebessert: Anders als zuletzt wirkt sich unser konkretes Vorgehen in Sachen Töten nicht auf das Ending aus. Eine gute Entscheidung, da wir so in der Tat frei wählen können, ob wir lieber kämpfend oder schleichend vorgehen wollen. Dabei wurde ebenso auf das Verhalten der Gegner geachtet, die zwar immer noch nicht die allerhellsten KI-Köpfe sind, aber selbst auf dem geringsten Schwierigkeitsgrad sehr aufmerksam ihre Pfade abschreiten.
Aber ganz kritiklos kommt natürlich auch Der Tod des Outsiders nicht davon. Obwohl die Story diesmal angenehm kompakt gehalten und damit trotz der vielen gut geskripteten Text-Hinweise, Notizen, Briefe und Bücher verständlicher als früher ausfällt, fehlt es der Kampagne an entscheidenden Stellen an echten dramatischen Höhepunkten. Gerade das Ende kommt wieder seltsam blutleer daher und da es dem Titel – bei etwas zu vielen Standardgegnern und nur einer echten Neuklasse – komplett an Bosskämpfen mangelt, beschleicht uns nach Absolvierung das leichte Gefühl, es eben doch nicht mit dem bis dato mächtigsten Wesen des Dishonored-Kosmos zutun gehabt zu haben.
Auch die Nebenfiguren hätten gerne etwas mehr sein und durchaus markanter ausfallen können. So zementiert die Reihe leider erneut den von Kritikern zurecht am häufigsten geäußerten Kritikpunkt, gerade beim Storytelling und dem narrativen Potenzial seiner Figuren nicht alle Mittel auszuschöpfen. Da es diesmal zusätzlich leider an wirklich relevanten Entscheidungssituationen fehlt, bleibt für eine hoffentlich schon geplante Fortsetzung noch der ein oder andere Punkt auf der persönlichen Wishlist offen.
Fazit
Ein Bonus, wie er besser fast nicht sein könnte. Mit dem Stand-Alone Der Tod des Outsiders unterstreicht die Dishonored-Reihe erneut ihre Vormachtstellung unter den Action-Adventures mit richtiger Stealth-Mechanik. Als fast vollwertiger Hauptteil, besticht das Game mit den gewohnten Grundtugenden, versäumt es allerdings nicht, einige Verbesserungen vorzunehmen und speziell das Missionsdesign noch weiter auszubauen. Andererseits bleibt leider die ebenfalls altbekannte Schwäche, erzählerisch nicht alles aus dem famosen Steampunk-Universum herauszuholen und so leichtfertig Potenzial zu verschenken. Aber gerade weil es sich hier um mächtig viel – und vor allem extrem gute – Unterhaltung zum kleineren Stand-Alone-Preis handelt, sollten alle Genre-Fans unbedingt den Weg ins Nichts antreten.
Dishonored: Der Tod des Outsiders • Bethesda Softworks/Arkane Studios • Action-Adventure
Abb. © Bethesda Softworks/Arkane Studios
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