18. Januar 2018 2 Likes

Jeder ist sich selbst der Nächste

Trey Edward Shults zeigt in „It Comes at Night“ eine Welt ohne Mitmenschlichkeit

Lesezeit: 3 min.

Ein Titel wie ein Horrorthriller, der eine Bedrohung ankündigt, ein wie auch immer geartetes Etwas, das des Nachts sein Unwesen treibt. Das Trey Edward Shults „It Comes at Night“ zudem fast ausschließlich in einer Hütte im Wald spielt, lässt ihn erst recht wie ein Epigone unzähliger Filme machen, in denen die fast schon sprichwörtliche Cabin in the Woods der Ort des Grauens ist.

Gleich die erste Szene lässt jedoch ahnen, dass es hier um ein etwas anderes Grauen geht, das weniger bestimmt als ein Zombie oder sonst wie besessene oder dämonische Kreaturen ist, aber viel bedrohlicher: Da sieht man Paul (Joel Edgerton) mit dauerhaft ernster Mine, hinter einem dichten Bart versteckt, einen Mann in der Schubkarre in den Wald fahren, begleitet von seinem Teenager-Sohn Travis (Kelvin Harrison Jr.) und den Mann, der Travis Großvater ist, mit einem gezielten Schuss töten, bevor er ihn verbrennt.

Kein Mord, sondern ein Gnadentod ist dies, denn die Welt, in der „It Comes at Night“ spielt, ist verseucht, von einer nicht weiter definierten Plage bedroht, einer Seuche, die sich offenbar durch die Luft verteilt. Zusammen mit seiner Frau Sarah (Carmen Ejogo) lebt Paul verbarrikadiert in eben jener Hütte, ständig auf der Hut vor einer Bedrohung. Die sich eines Nachts durch Will (Christopher Abbott) zu bewahrheiten scheint, der jedoch um Hilfe bittet. Nach langem Zögern willigt Paul ein, weniger aus Mitmenschlichkeit, als des Versprechens wegen, dass Will und seine Frau Kim (Riley Keough) ein paar Ziegen und Hühner besitzen und so zur Hausgemeinschaft beitragen können. Zusammen mit ihrem kleinen Sohn Andrew (Griffin Robert Faulkner) ziehen sie also in die Hütte ein und für ein paar Tage scheint es so, als könnte hier eine Gemeinschaft entstehen.

Was natürlich eine Utopie ist, die in diesem düsteren, dystopischen Blick auf die Gegenwart keinen Platz hat. Von Misstrauen geprägt, ständig auf der Hut vor Verrat, belauschen sich die beiden Paare und mittendrin die Kinder, die in einer Welt aufgewachsen sind, in der Mitmenschlichkeit kaum noch existiert. Bezüge zur Gegenwart sind leicht zu finden, die Eindringlinge als Flüchtlinge zu lesen, die sich in ein gemachtes Nest setzen, liegt auf der Hand, das Paul und Sarah ein weiß-schwarzes Paar sind öffnet weitere interessante Konnotationen, die Trey Edward Shults jedoch nicht explizit macht.

Statt dessen hält er eine feine Balance zwischen konkreten Informationen und vagen Andeutungen, gibt genug Hintergrund, um seine Geschichte nicht allzu unbestimmt wirken zu lassen, bleibt aber doch unbestimmt genug, um nicht die vielen Möglichkeiten zu negieren, die in seiner Versuchsanordnung stecken. Trotz mancher hervorragend inszenierter Spannungsmomente ist „It Comes at Night“ am Ende weniger ein Thriller, als ein psychologisches Kammerspiel, das auf subtile Weise andeutet, wie ein konstantes Gefühl der Bedrohung, dauerhaftes Misstrauen, das Gemeinschaftsgefühl einer Gesellschaft zerstört.

„It Comes at Night“ startet am 18. Januar im Kino

It Comes at Night • USA 2017 • Regie: Trey Edward Shults • Darsteller: Joel Edgerton, Carmen Ejogo, Kelvin Harrison Jr.

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