Grüß mir die Sonne
„Hell“ – Genre made in Germany
Jahr für Jahr lässt sich der Mangel an guten Genrefilmen aus Deutschland beklagen, wünscht man sich, dass aus hiesigen Landen mal was anderes kommt als schwermütige Beziehungsdramen, in denen zwar meist exzellente Schauspieler sich den hochgestochenen Ambitionen beziehungsweise Prätentionen ihrer frisch von der Filmhochschule kommenden Regisseure unterwerfen müssen. Und dann sitzt man eines Tages in Tim Fehlbaums „Hell“ und denkt: Geht doch.
Schon der doppeldeutige Titel ist hübsch, die in kargen Bergregionen Korsikas kreierte Endzeitatmosphäre erst recht. Die Erderwärmung hat die Zivilisation, wie wir sie kennen, zerstört, die Menschen sind auf sich gestellt, schließen sich in kleinen Gruppen zusammen, die ums Überleben kämpfen. Und das bedeutet den erbitterten Kampf um kleinste Dinge: eine Flasche Wasser, eine Dose Obst, ein paar Tropfen Benzin. Eine zufällig zusammengewürfelte Kleinfamilie, bestehend aus Marie (Hannah Herzsprung, so wenig nervend wie noch nie) und ihrer Nichte Leonie (Lisa Vicari), sind mit dem Weichei Philip (Lars Eidinger) unterwegs. Bei einer Tankstelle treffen sie auf den smarten Tom (Stipe Erceg, lässig wie immer), der ihnen im Kampf gegen die langsam näher kommende Bedrohung zur Seite steht. Philip wird entführt und auch Marie und Leonie finden sich bald in den Händen einer merkwürdig inzestuös wirkenden Familie wieder, angeführt von einer sinisteren Angelika Winkler, ausgestattet mit einem düsteren Keller.
Gut, was dann abläuft, ist nicht unbedingt die originellste Variation des beliebten Menschenfresser-Konzepts, aber schließlich ist das hier keine soziologische Studie, sondern ein geradliniger Genrefilm. Und mit welcher Souveränität Tim Fehlbaum die Genremuster durchspielt, mit einfachen Mitteln und gezielt eingesetzten Schockmomenten Spannung erzeugt, dazu packende Verfolgungsjagden inszeniert und eine schön ausgeblichene Endzeitatmosphäre erzeugt, das hat man lange nicht in einem deutschen Genrefilm gesehen. Der es zudem schafft, nie doof zu werden, nie in schlechte Fernsehdialoge zu verfallen und auch nicht die Flucht in ein allzu rosiges Happy End sucht. Bleibt nur zu hoffen, dass dieser souveräne Genrefilm kein Unikat bleibt, sondern irgendwann als Beginn einer Entwicklung betrachtet werden wird. Denn so solide „Hell“ ist – Luft nach oben ist dennoch vorhanden.
Hell • Deutschland 2011 • Regie: Tim Fehlbaum • Darsteller: Hannah Herzsprung, Lars Eidinger, Stipe Erceg
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