23. März 2018

Die Rückkehr der Titanen

Auch die zweite Game-Adaption zu „Attack on Titan“ bleibt ein durchwachsenes Vergnügen

Lesezeit: 4 min.

Normalerweise möchte man Formulierungen wie „nur für Fans geeignet“ am liebsten in die Phrasentonne treten, doch Omega Force und Koei Tecmo haben es mit der zweiten Versoftung zum Manga- bzw. Anime-Hit Attack on Titan (für PS4, Xbox One, Switch und PC) geschafft, diesem Satz eine geradezu lehrbuchhafte Bedeutung zu verleihen. Das hat gute wie schlechte Konsequenzen, denen wir an dieser Stelle ein wenig nachgehen wollen.

Der Vorgänger AOT: Wings of Freedom kam bei Kennern der Vorlage recht gut an. Das typische Postapokalypsen-Flair um eine Welt voller gefräßiger Riesen, vor denen sich eine ohnehin stark dezimierte menschliche Bevölkerung hinter turmhohen Stadtmauern verschanzt, übertrugen die Macher mit einem angenehm stimmigen Comic-Look und hielten sich auch inhaltlich weitgehend an die Vorlage. Leider krankte Wings of Freedom neben einer etwas kantigen bis detailarm kargen Spieloptik speziell an fehlender Abwechslung bei den Missionen und konnte so nicht komplett überzeugen.

Da aber speziell das dynamische Kampfsystem mit seinen teils irren Flugeinlagen zwischen mehreren Gegnern sehr kurzweilig ausfiel und daher richtig Spaß machte, erwarteten sicher nicht nur viele Fans mit ein wenig mehr Feinschliff beim Nachfolger ein richtig überzeugendes Endergebnis anstatt nur eine halbwegs befriedigende Adaption. Ein wesentlicher Verbesserungspunkt zeigt sich etwa bereits bei der Inszenierung, die wir nun aus der Sicht eines zuvor im umfangreichen Editor selbst zusammengebastelten Charakters erleben. Diese kleine Freiheit hat unter anderem zur Folge, dass die schicken Videosequenzen nun aus der Egoperspektive verfolgt werden und sogar Gliedmaßen unserer Figur in die Szenen hineinragen. Puristen freuen sich in den Filmchen über eine japanische Tonspur zu deutschen Untertiteln; wobei andere Sprachausgaben durchaus nicht geschadet hätten.

Die Story an sich fällt allerdings dramaturgisch etwas hakelig aus und vermischt seltsamerweise die erste und zweite Staffel der Serie zu einem Mix aus mehreren Highlights, die jedoch Nicht-Kenner kaum bis gar nicht in ihrer Wichtigkeit nachvollziehen können. Viele Infos und Hintergründe gibt es dazu nur in Form von Tagebüchern und ähnlich faden Medien. Hier schlägt der „Fans only“-Faktor mit am härtesten zu, da AOT 2 auf die Art wenig Lust macht, sich in die komplexe Welt einzuarbeiten. Wer sich also nicht auskennt, kommt auch nicht mithilfe des Games wirklich rein in den Kosmos und sollte sich lieber vorab über Charaktere wie Eren oder Misaka informieren, ehe es mit ihnen und den vielen anderen bekannten Streitern an die Verteidigung der restlichen Menschheit geht.

In den gut 12-15 Stunden geht es dann hauptsächlich darum, verschiedene Titanen in mehr oder weniger großer Anzahl in die Schranken zu weisen. Dazu bedienen wir uns verschiedener Waffen, Moves und diesmal sogar selbst gebauter Geschütztürme, um die Extremitäten unserer Feinde Stück für Stück zu filetieren. Typisch für AOT ist dabei das rauschhafte Freiheitsgefühl in den Kämpfen, wenn wir uns von einem Feind zum nächsten (aber auch durch Gebäudegassen und ähnliches) schwingen und das dank guter Steuerung sehr leicht von der Hand geht.

Nach ein paar Runden macht sich allerdings ein wenig Ernüchterung breit, denn es fehlt den Gefechten trotz vieler Moves (oder auch z.B. der Möglichkeit, die Titanen mit einer Netzkanone zu fangen) schlicht am nötigen Maß an Herausforderung. Selbst auf dem höchsten von drei wählbaren Schwierigkeitsgraden verkommt die Titanenjagd zur reinen Selbstbeweihräucherung, da die Kämpfe viel zu leicht sind. Die dummen und sehr statisch agierenden Titanen stellen zu selten eine ernsthafte Bedrohung dar. Da sich die Abläufe spätestens nach dem ersten Drittel außerdem endgültig zu stark wiederholen, geht die Spannung leider flöten.

Am Drumherum haben die Entwickler aber merklich geschraubt und das definitiv zum positiven. Mit gesammelten Materialien dürfen wir neue Waffen und Ausrüstungsgegenstände craften und in Gesprächen mit unseren Kameraden Beziehungen vertiefen. Letzteres hilft uns auch dabei, zusätzliche Fähigkeiten zu erwerben. Da die Dialoge insgesamt ordentlich geskriptet sind, kommt so durchaus zusätzliche Vorlagen-Atmosphäre auf.

Auch nicht schlecht: Wer zusammen mit einem Freund die gesamte Kampagne erleben will, hat bei AOT 2 on- wie offline die Chance dazu. Des Weiteren gibt es noch einen launigen Zusatzmodus, bei dem Teams aus jeweils maximal vier Teilnehmern beim fröhlichen Titanenkloppen gegeneinander auf Highscore-Jagd gehen. Besonderes Schmankerl dabei: Wir können unsere Kontrahenten mit Farbbeuteln traktieren. Unerwarteter, aber durchaus gelungener Multiplayer-Humor.

Fazit

Ähnlich wie der Vorgänger dürfte auch das zweite AOT bei der Zielgruppe trotz ähnlicher Schwächen auf Wohlgefallen stoßen. Atmosphäre und Stimmung der Vorlage werden wieder gut eingefangen und auch das dynamische (Flug-)Kampfsystem macht in Verbindung mit den verschiedenen Angriffsoptionen Spaß. Leider haben es die Macher versäumt, ihren Action-Titel storytechnisch auch nur ansatzweise für Neulinge zugänglich zu gestalten und dank der lahmen Gegner-KI werden sich selbst Narzissten vom Gameplay bald unterfordert fühlen. So bleibt unter dem Strich ein ähnliches Ergebnis wie beim Vorgänger. Wir sagten es ja schon: Nur für Fans.

Attack on Titan 2 • Omega Force/Koei Tecmo • Action

Abb. © Omega Force/Koei Tecmo

 

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