30. April 2018 2 Likes

Koksdealer 2.0

Aidan Truhens Roman „Fuck you very much“: Die Cyber-Gegenwart als kriminelles Utopia

Lesezeit: 2 min.

Jack Price ist ein Koksdealer der neuesten Generation. Sein Geschäft läuft blitzsauber über das Darknet. Verschlüsselte Kommunikation, eisgekühlte Server auf Island, das Geld versteckt das ominöse Poltergeist-Programm. Verteilt wird der Blasse Peruanische Hengst über freiberufliche Einmallieferanten aus der App. Für Jack Price läuft es gut, und er ist weit davon entfernt, sich jemals die Hände schmutzig zu machen. Schöne neue Welt, aber wirklich. Bis er eines Tages zu viel Interesse an einem Mordfall in seiner Nachbarschaft zeigt, dem Falschen auf die Füße steigt und am Ende die Seven Demons auf den Hals gehetzt kriegt: die besten, gefürchtetsten Söldner und Killer, die es gibt. Fuck you very much dafür. Im gnadenlosen Duell mit den Spezialisten für Auftragsmord, Umsturz und Folter blüht der gewiefte Jack allerdings erst so richtig auf und entfesselt vollends den Soziopathen in sich, der mit Cleverness und Technologie kämpft.

„Fuck you very much“ ist ein zynischer, moderner Krimi mit schmissigem Sound und übersprudelndem Ich-Erzähler, der irgendwo zwischen Don Winslow, Quentin Tarantino und Ken Bruen angesiedelt werden kann. Die Grenze von richtig cool und in your face zu völlig überzeichnet wird dabei irgendwann zwangsläufig überschritten. Eine weitere Besonderheit des Romans ist, wie detailliert er die digitalen Möglichkeiten unserer Cyber-Gegenwart nutzt – so gekonnt nämlich, dass einem das Ganze zuweilen fast wie topaktuelle Hacker-Science-Fiction von Cory Doctorow (im Shop) vorkommt. Zum Ende hin wird die Geschichte zwar immer schwächer, aber um den Plot geht’s dem Autor eh nie. Aidan Truhen ist übrigens ein Pseudonym, und natürlich rätselt man beim Lesen ständig, wer sich hinter dem Decknamen verbirgt. Vermutlich ein Brite, wird spekuliert, doch nichts genaues weiß man. Mal sehen, wie lange das Geheimnis trotz Internet hält. Wenn Truhen sich so auskennt und so überlegt vorgeht wie Price, ziemlich lange.

Hier gibt’s eine Leseprobe zu „Fuck you very much“, das von Sven Koch und Andrea Stumpf übersetzt und von Thomas Wörtche herausgegeben wurde.

Aidan Truhen: Fuck you very much • Suhrkamp, Berlin 2018 • 350 Seiten • Paperback m. Klappenbroschur: 14,95 Euro

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