23. März 2019 2 Likes

Die Monster sind wir!

„Wir“: Neuer Film vom „Get Out“-Regisseur und sogar … besser!

Lesezeit: 3 min.

Wie peinlich! Erst neulich noch von den positiven und negativen Seiten der Produktionsfirma „Blumhouse Studios“ geschrieben und schon kurze Zeit später kommt ein Film daher, der einem siedend heiß einfallen lässt, weshalb man die Mann- und Männinnen um Jason Blum definitiv auch noch preisen muss: Zwischen der Genreware purzelt in unregelmäßigen Abständen weiterhin Stoff vom Fließband, den man mit der Bude nicht unbedingt in Verbindung bringt, den man sich von einem Major aber auch nicht so wirklich vorstellen könnte. „Whiplash“ (2014), „BlacKkKlansman“ (2018) oder „Get Out“ (2017) waren zum Beispiel so Kandidaten. Wobei „Get Out“, das Regie-Debüt des Komikers Jordan Peele, oberflächlich gesehen zu Blumhouse passt, es handelt sich um einen Horrorfilm, aber eben um einen Horrorfilm, der den Alltagsrassismus der linksliberalen amerikanischen Elite mit satirischen Hochgenuss aufs Korn nimmt, ein Film mit einem gesellschaftspolitischen Anliegen also, etwas, was man in diesem Genre nun wirklich nicht vermutet und was mit Sicherheit auch zum Sensationserfolg des darüber hinaus mit sicherer Hand inszenierten Erstlings beitrug: Bei einem Budget von schlanken 4,5 Millionen Dollar wurden sagenhafte 255 Millionen eingespielt!

Doch obwohl es sich bei „Get Out“ um einen der besseren und ambitionieren Horror-Kandidaten der letzten Jahre handelt, ist dieser Beitrag ebenso wenig problemfrei: Mal abgesehen davon, dass das Finale ungeniert Richtung B-Movie-Trash abrauscht, schiebt sich das Sendungsbewusstsein etwas arg nach vorne, bereits nach kurzer Zeit dürfte selbst den Zuschauern in der letzten Reihe klar gewesen sein, was Peele, auf dessen Kappe auch das Drehbuch geht, für eine Agenda hat – subtil geht anders.

Wir“ schlägt da einen etwas modifizierten Tonfall an, was durchaus erstaunlich ist, denn man hätte nach dem gigantischen Erfolg durchaus erwarten können, dass der frischgebackene Filmemacher bei seiner zweiten, viermal so teuren Produktion nach üblichen Hollywood-Mechanismen einfach noch eine Schippe drauflegt, also alles schneller, lauter, aufwändiger, die Botschaft in neonfarbenen Lettern quer über die Leinwand gepinselt, aber das Nachfolgewerk entpuppt sich als über weite Teile verhältnismäßig intimes, von Kameramann Mike Gioulakis („It Follows“) in berückend schöne Bilder gekleidetes Schauerstück mit nur wenig handelnden Figuren und einer im Mainstream-Kino dieser Tage eher seltenen Deutungsoffenheit.

Natürlich, der im Inneren schlummernde Kern ist klar, der Mensch ist sich selbst das Monster, aber irgendwie geht es auch um Trump, um die Kluft zwischen Arm und Reich, weiße Vereinnahmung schwarzer Popkultur und um einiges mehr. Diese Unschärfe veranlasste denkfaule Kritiker dazu dem Regisseur Haltungslosigkeit vorzuwerfen, es ist aber gerade das dieses Mal verschwommene, eher an den Seiten in kleinen Duftwölkchen hervorwabernde Sendungsbewusstsein, das den Film deutlich nachhaltiger macht, einen auch nach Abspann noch beschäftigt hält. So wird zwar zum Beispiel im Grunde der Endtwist von „Get Out“ erneut ausgepackt, allerdings jeglicher Konkretisierungen beraubt; Peele verweigert sich einfacher Antworten, sondern fordert mit fast schon sardonischem Vergnügen Mitarbeit.

Und man nimmt die Herausforderung gerne an, denn – ein weiterer Unterschied zu „Get Out“ – bei „Wir“ steht trotz allem keine Bedeutungshuberei im Vordergrund, sondern das Geschehen, der Autorenfilmer schraubt den Unterhaltungsanspruch deutlich nach oben. Über die wilde, von 80er-Jahre-Hommage über Home-Invasion-Reisser bis hin zu apokalyptischer Science-Fiction im Stil von „Invasion der Körperfresser“ Haken schlagende, mit zahlreichen Referenzen an die Filmgeschichte angereicherte Geschichte sei an dieser Stelle der Mantel des maximalen Schweigens gelegt, sondern statt dessen empfohlen einfach einzusteigen und abzufahren – nur soviel: Das Timing ist exzellent, es wird souverän zwischen Schock und Bedeutung, zwischen Spannung und Witz jongliert, alles bedingt und intensiviert sich gegenseitig, die Rädchen greifen aneinander über. „Wir“ wirkt nie überladen, aber auch nie unterfordernd – ein Film, der auf Augenhöhe mit seinen Zuschauer agiert und in seinen Einflüssen weit mehr als sinnentleerte Signifikanten einer längst vergangenen Zeit sieht.

„Wir“ ist ab dem 21.03.2019 im Kino zu sehen!

Wir (USA 2019) • Regie: Jordan Peele • Darsteller: Lupita Nyong’o, Winston Duke, Elisabeth Moss, Tim Heidecker, Shahadi Wright Joseph, Evan Alex, Yahya Abdul-Mateen II, Anna Diop

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