21. November 2021 2 Likes

Jetzt als Taschenbuch: „Der unsichtbare Freund“ von Stephen Chbosky

In königlicher Tradition

Lesezeit: 3 min.

[Repost aus Anlass der Taschenbuchveröffentlichung (im Shop). Der Text erschien ursprünglich im November 2019 zur deutschen Erstveröffentlichung des Romans.]

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„Das ist also mein Leben“ (im Shop) alias „Vielleicht lieber Morgen“ (im Orig. „The Perks of Being a Wallflower“), der erste Roman des Amerikaners Stephen Chbosky, wurde bei Erscheinen 1999 mit „Der Fänger im Roggen“ verglichen und dient in den Staaten heute sogar als Schullektüre. Nachdem Chbosky zwischenzeitlich als Drehbuchautor und Regisseur die Verfilmung seines gefeierten Buches verwirklichte, die postapokalyptische TV-Serie „Jericho“ miterfand und an jüngeren Filmen wie Disneys „Die Schöne und das Biest“ oder „Wonder“ beteiligt war, liegt mit Der unsichtbare Freund“ (im Shop) nun sein zweiter Roman bei Heyne auf Deutsch vor. Statt realistischem Coming-of-Age gibt es diesmal geradezu klassischen übernatürlichen Stephen-King-Horror.

Der junge Außenseiter Christopher und seine Mutter Kate beginnen in der US-Kleinstadt Mill Grove ein neues Leben. Doch eines Tages folgt Christopher einem Wolkengesicht – und verschwindet sechs Tage lang in einem unheimlichen Waldstück. Als er zurückkommt, wurde Christopher kein Haar gekrümmt, obwohl alle brennend interessiert, von welchem netten Mann er dauernd spricht, ohne ihn je genauer beschreiben zu können. Da sich die Dinge alles in allem zum Guten wenden, lassen Kate, der Sheriff und alle anderen die Sache vorerst allerdings auf sich beruhen. Und wie alles besser wird! Christophers Leseschwäche verfliegt, im Mathetest räumt er richtig ab, und er schließt sogar Freundschaft mit ein paar anderen Außenseitern. Zudem erhalten Christopher und seine Mom einen unerwarteten Geldsegen. Aber da ist noch mehr. Der Junge scheint geradezu besessen davon, mit seinen neuen Kumpels in dem mysteriösen Wald, in dem er verschwand, ein Baumhaus zu bauen, und unterhält sich mit einer fremden Macht, die ihn bei diesem Vorhaben anleitet und unterstützt. Dann wird im Wald ein Kinderskelett gefunden …


Stephen Chbosky. Foto © Meredith Morris

Am Ende von „Der unsichtbare Freund“ dankt Stephen Chbosky Horror-Altmeister Stephen King für die Inspiration – im Alter von zwölf Jahren las der 1970 geborene Chbosky mit „Shining“ seinen ersten King-Roman. So wundert es nicht, dass die Geschichte über Mill Grove, wo das Gute gegen das Böse kämpft, sich in erster Linie tatsächlich wie eine einzige große Stephen King-Hommage liest. Chboskys Roman ist in so vielem überdeutlich, unübersehbar eine Verbeugung vor King: im Aufbau und dem Kleinstadt-Feeling, in der perspektivischen Nähe zu den „alltäglichen“ Charakteren, dem erbarmungslosen Einsickern des Übernatürlichen und der Finsternis, ja selbst im ungezügelten Seitenverbrauch und dem enormen Umfang. Da heute zahlreiche Kreative aus dem Becken schöpfen, in das Mr. Kings Schaffen seit Jahrzehnten einfließt, spricht Chboskys Roman sicher viele an – Fans von King genauso wie z. B. von „Stranger Things“, das schließlich derselbe Pool speist.

Stephen Chbosky würde auch „Der unsichtbare Freund“ gerne wieder nach seinem Drehbuch und seinen Regieanweisungen als Film adaptieren. Sollte ihm dieses Kunststück allen geltenden Hollywood-Gesetzen zum Trotz erneut gelingen, könnte er in Hinsicht auf seine ultimative Stephen King-Emulation selbst unter diesem Aspekt dem Spannungskönig nahekommen, der 1986 immerhin für die Adaption seiner Kurzgeschichte „Trucks“ persönlich auf dem Regiestuhl Platz nahm.

Stephen Chbosky: Der unsichtbare Freund • Aus dem Englischen von Friedrich Mader • Heyne, München 2019 • 912 Seiten • E-Book: 9,99 Euro (im Shop)

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