6. Mai 2020 2 Likes

Das verheißene Land

„Final Fantasy VII Remake“: Meisterhafter Klassiker mit Streckungssyndrom

Lesezeit: 8 min.

Mit „Final Fantasy VII“ schrieb 1997 der in Japan ansässige Entwickler Square Enix (damals noch Square) für die erste Playstation Geschichte, welcher für viele Gamer bis heute als der beste Teil gilt. Als 2003 mit dem CGI-Sequelfilm-zum-Game, „Advent Children“, die sogenannte „Compilation of FF VII“ enthüllt wurde – eine Reihe von intermedial vernetzter Projekte als Erweiterung des FF-VII-Kosmos – keimte die Hoffnung … die nur weiter von der 2005 ersonnenen Tech-Demo zur nahenden Playstation 3 befeuert wurde. Der lang gehegte Traum eines vollwertigen Remakes zum RPG-Klassiker sollte jedoch erst 2015 erblühen, als Square Enix auf der E3 die Fans weltweit zum Jubeln brachte, mit einem echten Trailer und tatsächlichem Gameplay.

Fünf Jahre später lässt sich nun das „Final Fantasy VII Remake“ in voll Blüte begutachten. Es ist zwar nur der erste Teil einer bislang nicht näher eingegrenzten Reihe von Remake-Teilen, bietet aber bereits eine beinahe vollwertige Erfahrung. Original-Regisseur und Autor und Produzent des Remakes, Yoshinori Kitase, gab unter anderem als Grund für ein Remake an, dass besonders Cloud und Sephiroth aus „FF VII“ seit Jahrzehnten ikonische Kultfiguren geworden sind, dessen Bekanntheitsgrad weit über das Gaming reicht. Für viele Interessenten wäre heutzutage ein großes RPG mit Klötzchengrafik nur noch schwer zugänglich, womit der Drang nach einem Remake wuchs.


„Das Kampfsystem macht nicht nur optisch immer etwas her – es macht auch gigantisch Spaß.“

Das „Final Fantasy VII“-Remake ist seit dem 10. April 2020 zeitexklusiv (bis 2021) für die Playstation 4 erhältlich. Die Story folgt zunächst in größten Teilen dem Original: Der grübelnde Söldner und ehemalige SOLDAT erster Klasse, Cloud Strife, wird von den Umweltaktivisten Avalanche angeheuert, um gegen den knechtenden Megakonzern Shinra vorzugehen, der laut Avalanche dem Planeten die Lebensenergie in Form von Mako entzieht. Nachdem aber gleich zu Beginn des Spiels einer der großen Makoreaktoren von Shinra in die Luft gesprengt wird und es Avalanche in die Schuhe geschoben wird, beginnt der Ärger für Cloud und seine Kumpanen erst. Zu allem Überdruss wird Cloud auch noch von Visionen des legendären Elite-SOLDATEN Sephiroth geplagt, der gänzlich eigene Pläne verfolgt.

Basis und Hintergrund der Geschichte bietet die dystopisch-cyberpunkige Stadt Midgars, einer Mischung aus einem gigantischen Moloch und Shikumen-Bauten, die allem zum Trotz nur so vor Leben und Herz blüht. Die ganze Handlung des Remake-Erstlings spielt sich innerhalb der Mauern Midgars ab, welche im Original von 1997 etwa 6 Stunden einnahm. Jegliche aufblitzende Sorge kann aber sofort beseitigt werden, denn die nun auf 40 Stunden erweiterte Handlung kann mit etlichen, wundervollen Charakter-Ausarbeitungen aufwarten, die sich lediglich im letzten Drittel des Spiels gestreckt fühlen. Alles, was den Spieler bis zum Finalakt erwartet ist nicht nur purer Fanservice, sondern ein detailverliebter Pakt der Liebe. Square Enix versprach den Spielern, sich für jede Kleinigkeit beim Remake Zeit zu nehmen, und diese Liebe ist zum Greifen nahe. Jede dreckige Ecke Midgars ist zum Staunen und zum Bersten gefüllt mit Details. Von den unterirdischen Laboren, den garstigen Abwasserkanälen über das glitzernde, neonleuchtende Wallmarket und Shinras gigantischem Hauptquartier. Wenn man sich mit Cloud und der wunderschönen Aerith durch die gefüllten Straßen, Clubs und Bars Wallmarkets bewegt – und die Bewohner mit Lockrufen auf Aerith reagieren – bleibt einem selbst nur die Spucke weg. Und wenn man selbst die einnehmenden ruhigen Momente mit den eindrucksvoll inszenierten Bosskämpfen und dem tollen Kampfsystem aufwiegt, ist man nahe dran, Gold zu haben.


„Die Beschwörungen sind neben den Bossfights die großen optischen Kracher des Spiels.”

Fort mit dem taktischen, aber durchdachten pseudo-rundenbasierten Kämpfen des Originals und her mit einem immer noch äußerst taktischen aber frenetischen Echtzeit-System. Cloud, Kämpferin Tifa, Magierin Aerith und der Hitzkopf Barret mit der Minigun-Prothese führen nun Combos aus, Blocken, weichen aus und parieren sogar Angriffe. Die aus dem Original bekannte ATB-Leiste, die sich erst mit der Zeit füllen muss, bis eine Aktion ausgewählt und durchgeführt werden kann, ist immer noch vorhanden, aber deutlich dynamischer im Kampfgetümmel zu managen. Cloud greift mit Viereck an, per längerem Drücken führt er längere Combos aus. Diese füllen die sich langsam füllende ATB-Leiste schneller. Per Dreieck lässt sich zwischen zwei Angriffsmodi wechseln: Dem starken, aber langsamen Punisher-Modus und dem schnelleren und agileren Operationsmodus. Die Schultertasten dienen zum Blocken oder Charakterwechsel. Wenn die zweistufige ATB-Leiste gefüllt ist, lassen sich durch Waffen erlernte Spezialangriffe oder Items nutzen, in der Welt gefundene Beschwörungen rufen, oder Materia nutzen. Und letztere sind das Pendant zu vielseitigen magischen Angriffen. Die sphäroiden Mako-Edelsteine kommen mit inhärenten aktiven und passiven Fähigkeiten daher in verschiedenen Farben. Grüne Materia sind mit magischen, elementaren Angriffen, Buffs und Debuffs ausgestattet, wie Feuer, Zeit beschleunigen, Gift oder einer magischen Barriere. Lilane und gelbe Materia steigern passiv Charakterwerte wie den Angriff, Magiewerte oder Resistenzen und kommen ebenfalls mit aktivierbaren Fähigkeiten wie nicht-magischer Heilung daher. Blaue Materia sind häufig seltene, und mächtige passive Unterstützung, wie die Vervielfachung anderer daran gekoppelter magischer Angriffe, verleihen eingesetzten Waffen Elementar-Schaden oder vieles mehr. Die roten Materia sind die bereits erwähnten Beschwörungen.


„Die ruhigen Charaktermomente sind all die Mühe der Entwickler wert.“

Während Beschwörungen im Original-FF-VII noch einen einzigen Angriff ausführten und verschwanden, kämpfen sie nun wie in „Final Fantasy XV“ an der Seite der Recken – und vollführen durch ATB-Nutzung besonders starke Angriffe. Diese lassen sich jedoch nur einmal in einem Kampf rufen und sind nur für eine begrenzte Zeit im Kampfgeschehen. Gerade bei langwierigen Bosskämpfen ist der zeitliche Einsatz zu bedenken. Beinahe alle der Materia-Steine lassen sich über im Kampf errungene AP (Actionpoints) aufleveln und warten dann mit mächtigeren oder anderen Fähigkeiten auf. Jede Waffe und jedes Ausrüstungsteil wartet mit unterschiedlich vielen Materiaslots auf, darum ist die Wahl der Ausrüstung und der darin einzusetzenden Materia immer ein taktisches Abwiegen, besonders im Hinblick auf die nächsten Bosskämpfe. Viele der mächtigsten Materia-Kombinationen ergeben sich erst durch endloses Probieren und Anpassen an den eigenen Kampfstil – und könnten im nächsten Bosskampf wirkungslos sein, durch etwaige Resistenzen des Bosses. Jeder der Gefolgschaft Clouds kann Materia ausrüsten und nutzen, aber in unterschiedlicher Ausführung. Es macht Sinn die magieaffine Aerith als Heilerin zu nutzen oder aufgrund ihrer Spezialskills wie der arkanen Abteilung, die jeden Zauber automatisch doppelt ausführt, zur Angriffsmagierin zu modeln. Jedoch lassen alle der jeweils 6 Waffen jeder spielbaren Figur, diese sich an jede Gelegenheit anpassen. Ist beispielsweise Aerith nicht im Team, kann durch andere Waffennutzung, wie Barrets magie-lastiger EKG-Kanone problemlos der gutherzige Hitzkopf zum Magier der Truppe werden. Durch die Materia-Kopplung, den verschiedenen Waffen, Skills und Ausrüstungsgegenständen bietet „Final Fantasy VII“ eines der taktisch tiefgründigsten und abwechslungsreichsten Kampfsystemen der gesamten Spielreihe. Die Zahl der Möglichkeiten ist quasi unbegrenzt.


 „Jede Ecke des Spiels ist atmosphärisch und stimmungsvoll gestaltet.“

Warum sich „Final Fanasy VII“ nach all der Zeit immer noch solch immenser Beliebtheit erfreut, wird eigentlich bereits beim Anblick der Protagonisten deutlich: Cloud, Aerith, Tifa, Barret und der später auftauchende tigerhafte Red XIII sind nicht nur äußerst ikonisch designte Figuren, sondern warten mit ausgearbeiteten Persönlichkeiten auf. Und dabei fehlen noch gut die Hälfte aller spielbaren Protagonisten, die erst in den kommenden weiteren Episoden zur Truppe stoßen! Während sich die komplexe Handlung um Cloud, Aerith und Sephiroth von einem simplen Söldnerjob zu Weltumfassende Kataklysmen wandelt, sind es häufig die ruhigen Momente, die vielen Fans im Gedächtnis blieben: Seien es die als Kinder unter dem Sternenhimmel sinnierende Tifa und Cloud oder auch nur die chaotisch-charmanten, debattierenden Quasi-Schufte Reno und Rude der Turks, Shinras Spezialeinheit. Die „Final Fantasy“-Reihe erreichte selten wieder die unglaublichen Höhen eines solch diversen und interessanten Casts, der so gut miteinander harmonierte, wie in „Final Fantasy VII“. Und das Remake erweitert sogar kleine Nebenfiguren wie die Avalanche-Mitstreiter Jessie, Wedge und Biggs zu vollwertigen Charakteren, durch etliche neue Einschübe und Szenen. Umso herzzerreißender sind dann etwaige Schicksale im Verlauf der Handlung.


„Lediglich die vielen Kletter-, Quetsch- und Sprungpassagen sind ein absoluter Dorn im Auge.“

Es ist aber nicht alles der Wunschtraum, den die erste Hälfte zusammen zu spinnen scheint. Gerade die zweite Hälfte des Remakes fühlt sich vielerorts gestreckt an. Viele der missionsinternen Minispielchen, wie der Nutzung diverser Kranarme um von A nach B zu gelangen, sind ein zeitraubendes Nervenspiel und auch die endlos langen, vielen Schalter und Brücken die betätigt und gebaut werden müssen, strapazieren die Geduld. Gerade wenn die Story an Dringlichkeit aufnimmt, fühlt es sich besonders quälend an, sich zum gefühlt hundertsten Mal schleichend langsam durch eine enge Korridorstelle zu quetschen oder im Schneckentempo über eine Metallstrebe zu balancieren. Dem wäre simple Abhilfe geschaffen durch eine generelle Tempoerhöhung an diesen Stellen. Sie dienen keinem erkennbaren, spielerischen Zweck, außer wenn es höchstens Entwickler-technisch darum gehen könnte, den nächsten Abschnitt vorzuladen.

Eine generelle Straffung des letzten Drittel des Spiels, hätte dem der Perfektion nahe kommenden Remake gut getan. Denn wenn „Final Fantasy VII“ Dinge gut macht, dann sind sie so gut, dass einem vor Freude fast die Tränen kommen. Lediglich stellt sich hin und wieder die Frage, wie Serien- oder Spielneulinge mit dem Ganzen klarkommen, denn gerade wenn es um bestimmte Storyänderungen geht, die vorgenommen wurden, wirkt es so, als seien diese Änderungen nicht getätigt worden, um eine bessere Geschichte zu erzählen, sondern nur um den bereits mit dem Game bekannten Spielern den Teppich unter den Füßen wegzuziehen. Besonders das Ende des Spiels spaltet mit Sicherheit die Gemüter – und wird lediglich Spielern des Originals die Tragweite offenbaren – das aber die Frage eines simplen „Warum?“ aufwirft. Denn wie nun seitens der Entwickler bekannt wurde, werden sich die folgenden Episoden NICHT sonderlich vom ursprünglichen Verlauf des Spiels entfernen.

Darüber hinaus wurde „Final Fantasy VII Remake“ nun ebenfalls offiziell als Teil der eingangs erwähnten „Compilation of FF VII“ aufgenommen. Erstaunlicherweise schafft es „FF VIIR“ jedoch, einen ersten, in sich abgeschlossenen Handlungsbogen zu bieten, der sich trotz offener Handlungsfäden und einem Ende, das in die Zukunft zeigt, nach einem vollwertigen Erlebnis anfühlt. Wenn die weiteren Episoden mit dem gleichen Herz schlagen und die wenigen hügeligen Stellen ausbügeln, wird „Final Fantasy VII“ auch heute etwas, das Generationen von Spielern überdauern wird. Hoffentlich wird die Wartezeit bis zur Fortsetzung aber nicht erneut fünf Jahre dauern.

„Final Fantasy VII Remake“ ist für die Playstation 4 erhätlich. Weitere Platformen sollen 2021 folgen.

Final Fantasy VII Remake • Square Enix • RPG • Playstation 4

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