28. Oktober 2020

TV-Tipp: „Exit“ - Zwischen Black Mirror und Matrix

Ein erstaunlich ambitionierter Near Future-Film heute im Ersten

Lesezeit: 3 min.

Bewegt sich da was? Viel wird – meist zurecht – über das altbackene Programm der Öffentlich Rechtlichen Sender gemeckert, dessen Durchschnittszuschauer meist schon Rentenalter erreicht hat. Selten wird diesem Eindruck etwas entgegengesetzt, am heutigen Mittwoch um 20.15 Uhr jedoch beginnt in der ARD eine von den Redaktionen des SWR und NDR initiierte Reihe, von bemerkenswerter Ambition.

Manfred Hattendorf, SWR Abteilungsleiter Film und Planung, sagt zur Genese des Projektes: „Künstliche Intelligenz, neue Techniken in der Medizin und das selbstfahrende Auto sind in aller Munde – und bereits Teil unserer Gegenwart. Versetzt man sich ein klein wenig in die Zukunft, so beginnt man sich zu fragen, wie diese neuen Möglichkeiten unser aller Leben in nächster Zukunft verändern werden.“ Für den bei Suhrkamp erschienenen Sammelband „2029-Geschichten von Morgen“ imaginierten elf Autoren, darunter Dietmar Dath, Dirk Kurbjuweit und Simon Urban die Zukunft, mal dystopisch, mal utopisch. Urbans Erzählung heißt „Nachspiel“ und bildet nun die Vorlage für den ersten Film – „Exit“ – der Reihe, zu dem Erol Yesilkaya das Buch geschrieben hat, während Sebastian Marka Regie führte.

Es beginnt in einem virtuellen Konferenzraum, wo Linus (Friedrich Mücke) zusammen mit seinen Kollegen Luca (Laura De Boer), Bahl (Aram Tafreshian) und Malik (Jan Krauter) ihre Erfindung vorstellen: Infinitalk, eine virtuelle Welt, in der Verstorbene weiterleben können, bzw. zumindest die Version eines geliebten Menschen. Kunde ist der chinesische Unternehmer Linden Li (David K.S. Tse), der viel Geld mit täuschend echten Hologrammen gemacht hat. Fast ist der Deal perfekt, doch Luca hat Bedenken: Was, wenn Li die Techniken kombiniert, virtuelle Klone von Menschen und Hologramme? Wer könnte da noch sagen was echt ist und was falsch?

Als Luca am nächsten Morgen verschwunden ist, beginnt auch Linus zu zögern, stellt Ermittelungen an, während seine Kollegen schwer genervt sind, dass ihnen der Milliarden-Deal durch die Lappen zu gehen scheint. Doch Linus bekommt immer größere Zweifel daran, dass der Deal sinnvoll ist, vor allem aber ob er und seine Umwelt tatsächlich real sind.

Klar, wer Filme wie „The Matrix“ gesehen hat, jede Folge von „Black Mirrior“ kennt, dazu Baudrillard und Plato gelesen hat wird bei „Exit“ nicht fundamental überrascht werden. Doch wie so oft ist es weniger das was, als das wie, das überzeugt. Von Beginn an wählt Marka eine ruhige Tonart, lässt die Bilder lange stehen, lässt Linus immer stärker an seiner Wahrnehmung zweifeln, bis er endlich erkennt was und wo er ist, vor allem aber, was wirklich wichtig ist. Gerade für einen ARD-Film zur besten Sendezeit ist das bemerkenswert ambitioniert, in starken Scope-Bildern gefilmt und gerade auch was den dezenten Einsatz von Spezialeffekten angeht ausgesprochen überzeugend.

Man darf also gespannt sein, wie die Reihe fortgesetzt wird, der zweite Film mit dem Titel „Ich bin dein Mensch“ ist schon abgedreht, Regie führte die frisch gebackene Emmy-Gewinnerin Maria Schrader, die Hauptrollen spielen Maren Eggert, Sandra Hüller und Hans Löw. Ein vielversprechendes Paket bei dem man sich dann tatsächlich freuen kann wenn es heißt: Demnächst in der ARD.

Exit • Regie: Sebastian Marka • Darsteller: Friedrich Mücke, Laura De Boer, Aram Tafreshian, Jan Krauter, David K.S. Tse • Mittwoch, 20.15 Uhr ARD und Mediathek, 90 Minuten

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