Neuerscheinung: Dan Frey: „Future – Die Zukunft gehört dir“
Eine Leseprobe aus dem ersten spannenden Cyberthriller des Jahres!
Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen könnten, würden Sie es tun? Für Ben Boyce und Adhi Chaudry lautet die Antwort auf diese Frage eindeutig Ja. Sie gründen ein Start-up, um ihren Quantencomputer zu vermarkten, der auf das Internet, wie es in einem Jahr sein wird, zugreifen kann. Das ist super, wenn man wissen will, wen man daten wird, und lukrativ, wenn man sein Geld in Aktien anlegen will. Schnell finden sie Kunden, die große Summen in diese digitale Kristallkugel investieren. Ben und Adhi glauben sich auf dem Gipfel des Erfolges, doch dann bemerken sie, dass die Zukunft nicht ganz so rosig ist, wie es scheint. Etwas wird passieren, das das Internet – und möglicherweise die Menschheit selbst – vernichtet. Und nur Ben und Adhi sind in der Lage, die Katastrophe zu verhindern …
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Postgraduale Dissertation
Am 7. September 2021 bei der Universitätsfakultät eingereicht
Die Realisierbarkeit eines Transfers von Quanteninformationen über zeitliche Distanzen
Adhvan Chaudry
Institut für Computerwissenschaft, Stanford University
Stanford, CA 94305
Zusammenfassung
In dieser Arbeit erkunde ich die Realisierbarkeit eines Datenverarbeitungssystems, das Quanteninformationsverarbeitung mit einem Übertragungsmechanismus kombiniert, der die vierdimensionale Übermittlung von Daten ermöglicht, das heißt: von einem festen »gegenwärtigen« Zeitpunkt zu einem früheren »vergangenen« Zeitpunkt.
Die Quanteninformatik ist ein Fachgebiet, das letztlich noch in den Kinderschuhen steckt, doch die fundamentalen zugrunde liegenden Prinzipien sind inzwischen bekannt. Quantenprozessoren nutzen Quantenzustände als Medium der Datenspeicherung und verwenden einen Interferenzmechanismus, durch den die Zustände auf eine Weise geändert
werden, dass sie als Datenmedium genutzt werden können. Nicht die Werte »1« und »0« eines elektrischen Transistors, sondern Quantenspinzustände sind nun das Medium für Daten, und durch die Änderung dieser Zustände ist es möglich, Berechnungen und Informationsübertragungen durchzuführen.
Diese gut verstandenen Grundlagen können mit zwei fundamentalen Prinzipien der Quantenmechanik kombiniert werden, nämlich:
i. Quantenverschränkung: Zwei Quantenteilchen können so gekoppelt werden, dass der »Spinzustand« jedes Teilchens (positiv oder negativ) jeweils den entgegengesetzten »Spinzustand« des anderen annimmt.
ii. Bells Theorem: Es postuliert, dass bei zwei verschränkten Teilchen die Änderung des Spins eines Teilchens augenblicklich den Spin des zweiten ändert, ungeachtet der räumlichen Entfernung zwischen beiden.
Die Tatsache der augenblicklichen Änderung der Spinzustände hat zur Folge, dass es zu einem Informationsaustausch zwischen diesen Teilchen kommt, und zwar über beliebige Entfernungen während eines Zeitintervalls von 0. Das konstituiert eine Verletzung der Einstein’schen Allgemeinen Relativitätstheorie, die unserer Annahme widerspricht, dass die Lichtgeschwindigkeit einen absoluten Grenzwert darstellt.
Infolgedessen könnten Informationen von einem bestimmten Zeitpunkt zu einem früheren relativen Zeitpunkt übertragen werden, der vor jenem liegt, an dem die Übertragung eingeleitet wurde.
Durch die Ausweitung dieses Übertragungsprozesses, d. h. indem Daten innerhalb eines Quantencomputersystems vor und zurück »gepingt« werden, sollte es theoretisch möglich sein, eine stabile Struktur aufzubauen, die Daten von einem späteren an einen früheren Zeitpunkt übermittelt.
In allgemein verständlichen Begriffen heißt dies, dass man in der jeweiligen Gegenwart Daten direkt aus der Zukunft empfangen könnte.
(Anmerkung: Der Hauptteil der Dissertation, der die theoretische Funktionsweise der vorgeschlagenen Konstruktion erläutert, wurde aus dieser Fassung ENTFERNT.)
Schlussfolgerungen
Nach diesen Untersuchungen lässt sich das fragliche System theoretisch realisieren. Doch es steht vor existenziellen Hürden, die sich hauptsächlich in folgenden drei Bereichen abzeichnen:
1) Skalierbarkeit
Um ein stabiles Übertragungsprotokoll zu schaffen, das Daten über eine hinreichend sinnvolle Zeitspanne senden könnte, müsste der Prozessor auf einer großmaßstäblichen Matrix basieren, deren Lese-Schreib-Kapazität schnell genug ist, um eine gewaltige Anzahl von Quantenzuständen verfolgen zu können (ca. 3,8 x 10²²). Gegenwärtige Quantencomputersysteme liegen mehrere Größenordnungen unter dieser Schwelle, was bedeutet, dass diese Technologie so lange außer Reichweite ist, bis ein signifikanter Durchbruch die QC-Landschaft verändert.
2) Kommerzielle Verwertbarkeit
Die Entwicklung des Produkts müsste höchstwahrscheinlich in einem kommerziellen Unternehmen stattfinden, das über die Mittel verfügt, die erforderliche Technik sowohl zu erbauen als auch zu testen. Doch es ist unwahrscheinlich, dass irgendein kommerziell orientiertes Unternehmen in ein solches Projekt investieren würde, dessen Kosten die Größenordnung des Raumfahrtprogramms erreichen könnten.
3) Ethische Risiken
Die Konstruktion einer solchen Technologie wirft signifikante Probleme auf, was die Regulierung der Nutzung betrifft. Dies wird eine seriöse Untersuchung der technischen Realisierbarkeit vermutlich verhindern.
Auszug aus dem Protokoll der
Kongressanhörung vom 1. Dezember 2022
REP. WANDA MOONEY (D-AR): Mr. Boyce, ich denke, dass Sie mit dem Inhalt von Mr. Chaudrys postgradualer Abschlussarbeit vertraut sind, die die Grundlage Ihrer Technologie bildet. Aber um ehrlich zu sein, ich verstehe nur Bahnhof.
BOYCE: Kein Anlass, sich dafür zu schämen, Ma’am. Das alles ist ziemlich kompliziert.
REP. WANDA MOONEY (D-AR): Ich vermute, ebenso verwirrend wird es auch für die übrigen Mitglieder dieses Gremiums sein, selbst wenn sie vielleicht nicht bereit sind, dies zuzugeben. Doch das vorgelegte Beweismaterial enthält auch eine Präsentation, mit der Sie bei mehreren Gelegenheiten Ihre Technologie vorgestellt haben.
BOYCE: Richtig. Das stammt aus einer Präsentation für unsere Investoren.
REP. WANDA MOONEY (D-AR): Senator Walden, im Interesse dieses Gremiums würde ich meine restliche Zeit gern dazu nutzen, Mr. Boyce aufzufordern, die Technologie in seinen eigenen Worten zu erklären.
SEN. GREG WALDEN (D-OR): Sind Sie für eine solche Präsentation bereit, Mr. Boyce?
BOYCE: Äh, ja, Sir. Normalerweise halte ich den Vortrag zusammen mit meinem Geschäftspartner, aber … ich werde mein Bestes geben, klar. Ist jemand …? Gut. Also, wenn Sie jetzt die erste Folie aufrufen könnten … ja, es kann losgehen.
BOYCE: So, dieses erste Bild soll nur klarstellen, was wir alle gewohnt sind. Der Computer, den wir alle kennen, die Maschine, die unsere Welt verändert hat. Dieser kleine Kasten mit Transistoren, der die Berechnungen anstellen konnte, die nötig waren, um zum Mond zu fliegen. Er war in der Lage, mehr Informationen zu speichern, als man im ganzen Leben lesen könnte, und mit ihm ließen sich recht lustige Spiele machen. Doch das Potenzial der Nutzbarkeit von Computern erreichte irgendwann Anfang der 90er ein ganz neues Level. Nächste Folie, bitte.
BOYCE: Als das Internet kam, entstand eine ganz neue Situation. Die zugrunde liegende Technologie des Modems reicht genau genommen bis in die 70er zurück, aber erst 1990 war die Nutzungsmöglichkeit so weit, dass der PC kein Gerät der Isolation mehr war, sondern stattdessen zu einem Mittel der Verbindung wurde. Plötzlich kann sich Ihre Maschine verlinken und mit einer anderen Maschine Daten austauschen. So bekommen Sie Zugang zu Ihren E-Mails, Ihren Nachrichtenartikeln, Ihrem Instagram- Account sowie zu zahlreichen Unterhaltungsprogrammen. Eine Maschine spricht mit einer anderen, wie es die kleinen Linien in diesem Diagramm zeigen. Und dieses Paradigma ist zweifellos ausgesprochen mächtig. Es wird jedes Jahr mächtiger.
Aber seien wir ehrlich – uns gehen die Möglichkeiten hinsichtlich dessen aus, was das Internet tun könnte. Denn eigentlich hat sich das Paradigma nicht mehr geändert. Das Web 2.0 oder 3.0 oder wie auch immer man es nennen will – was ist daran neu? Vom AOL-Einwählton, mit dem Sie aufgewachsen sind, bis zum Breitband, das sie heute in der Hosentasche haben, hat das Internet unsere Welt transformiert … aber seitdem hat sich nichts mehr geändert. Nicht auf grundlegende Weise jedenfalls. Nächste Folie, bitte.
BOYCE: Also ist es allmählich an der Zeit, das Internet neu zu denken. Obwohl es jedes Jahr wächst, muss man sich fragen, ob es sich wirklich weiterentwickelt. Die obere Reihe stellt dar, wo wir heute stehen. Sie haben Ihre Maschine, die mit all den anderen verbunden ist. Und in der Zukunft, in der unteren Reihe, haben Sie dieselbe Maschine mit denselben Verbindungen. Wie bringen wir dieses Paradigma jetzt auf ein ganz neues Level? Nächste Folie …
BOYCE: So! Unsere Technologie verbindet eine Maschine in der Zukunft mit sich selbst. Durch heutige Internetverbindungen erhält man ausschließlich Zugang zu Daten von anderen Maschinen im selben Zeitfenster – das deuten die waagerechten Linien an. Doch hier repräsentiert die senkrechte Linie unsere Technologie, die die Gegenwart mit der Zukunft verbindet, zum ersten Mal in der menschlichen Geschichte. Sie stellt eine Möglichkeit dar, auf Daten aus der Zukunft zuzugreifen.
Und wie stellen wir das an? Darauf geht Adhis Arbeit genauer ein, aber die kurze Antwort lautet: mittels der Magie der Quanteninformationsverarbeitung. Die technischen Einzelheiten sind natürlich Geschäftsgeheimnis. Doch das Grundprinzip beruht auf der bizarren Schrulle der Quantenverschränkung, mit der Daten schneller als das Licht transferiert werden können.
Das bedeutet, dass sich Daten tatsächlich rückwärts durch die Zeit schicken lassen. Oder, aus unserer Perspektive gesehen: Man kann heute auf Daten aus der Zukunft zugreifen.
Stellen Sie sich das vor! Ihr Laptop oder irgendwann auch Ihr Telefon verbindet sich mit seiner eigenen künftigen Version. Sie könnten all die Fotos sehen, die Sie erst während des nächsten Jahres aufnehmen werden. Sie könnten alle Dateien auf Ihrer künftigen Festplatte lesen. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die eigentliche Revolution gipfelt in dem Punkt, dass die künftige Version Ihres Computers mit dem Internet verbunden ist. Also … nächste Folie.
BOYCE: Das bedeutet, dass unser Prototyp mit dem Internet der Zukunft verbunden ist. Sie können sich heute einloggen und alle E-Mails lesen, die Sie in einem Jahr empfangen werden. Sie können sich die Nachrichten anschauen, ein Jahr, bevor diese Sachen überhaupt erst passieren. Sie können Ihre Facebook-Seite vom nächsten Jahr durchgehen und jeden Status und jedes Foto sehen, das Sie posten werden. Sie könnten checken, wie viel Geld Sie auf Ihrem Bankkonto haben oder Börsenkurse in Echtzeit verfolgen. Ein Jahr im Voraus. Das wäre doch die Basis für eine solide Finanzplanung, nicht wahr?
Offensichtlich wird dieses Paradigma alles ändern. Deshalb streben wir an, diese Technologie an die breite Masse zu verkaufen. Also – nächste Folie, bitte – könnten wir irgendwann in einer solchen Welt leben …
BOYCE: Eine Welt, in der alle Zugang zu dieser Technologie haben. Wo jeder Computer mit seiner künftigen Version verbunden ist. Wo Ihre E-Mails direkt miteinander verknüpft sind – in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wo Sie heute einen Nachrichtenartikel lesen werden, der von einem Journalisten geschrieben wird, der Informationen aus der Zukunft zusammengetragen hat. Wo die Leute in Ihrem Instagram-Feed nicht nur die Reise posten, die sie gerade machen, sondern auch die, die sie demnächst unternehmen werden. Eine Welt, in der Unternehmen nicht nur in der Lage, sondern gezwungen sind, ihre künftigen Umsätze akkurat vorherzusagen. Und der Konsument hat jederzeit Zugriff auf die besten Informationen. Das ist unsere Vision. Das ist die Welt, an die wir glauben. Und wir werden sie erleben. Wir haben Sie bereits gesehen. Jetzt haben Sie die Chance, mit an Bord zu kommen …
An diesem Punkt, wenn wir das alles den Investoren präsentieren, gehen wir üblicherweise zum Geschäftsplan und der Finanzsituation unserer Firma über. Die selbstverständlich grundsolide ist, da wir einen direkten Draht zu dem haben, was als Nächstes kommt. Und wir haben entschieden, unsere Finanzierung auf eine private und breite Basis zu stellen, damit die Leute, wenn sie davon hören, auch jetzt noch die Gelegenheit haben, in eine sichere Sache einzusteigen.
REP. WANDA MOONEY (D-AR): Vielen Dank, Mr. Boyce, doch bei dieser Kongressanhörung geht es nicht darum, mögliche Investoren zu überzeugen.
BOYCE: Natürlich nicht, Ma’am. Ich bemühe mich lediglich, nach besten Kräften zu kooperieren. Falls meine Kooperation die unbeabsichtigte Folge hat, das Interesse an einer Investition in unser Unternehmen zu wecken, liegt das außerhalb meiner Kontrolle.
REP. WANDA MOONEY (D-AR): Hier wird niemand investieren, das kann ich Ihnen versichern. Und auf mich wirkt Ihre Präsentation genauso wie Ihre ganze Persönlichkeit einigermaßen hochtrabend und substanzlos.
BOYCE: Hey, manchmal muss man eben hochtrabend auftreten.
Es ist auf jeden Fall genau das, was Adhi gebraucht hat. Ich meine, mit der Dissertation, über die wir vorhin gesprochen haben, hatte er es schwer, selbst von den Leuten an der Universität ernst genommen zu werden.
Lesen Sie weiter in: Dan Frey: Future – Die Zukunft gehört dir • Roman • Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen • Wilhelm Heyne Verlag, München 2022 • als Paperback und E-Book erhältlich • € 15,00 (Paperback) • im Shop
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