8. September 2022 2 Likes 2

Heimkino-Highlights im September 2022

Neues und Altes jenseits des großen Saals

Lesezeit: 9 min.

Jeden Monat die gleiche quälende Frage angesichts eines Bergs von Neu-Veröffentlichungen: „Was lohnt sich?“ – regelmäßige Hinweise der Redaktion sollen das Leben zumindestens ein wenig leichter machen!

 

1. Terror Serpent (1988)

Bei wem? WMM Als was? Mediabook (3 x DVD) Wann? 11.08.2022

Worum geht’s? Die Formel für eine Gen-Manipulation riesigen Ausmaßes geht verloren, als eine internationale Terroristengruppe versucht, sich ihrer zu bemächtigen. Auch der Erfinder wird bei dem Angriff auf die Laboratorien umgebracht. Die Spuren sind zunächst verwischt. Als aber eine harmlose kleine Schlange, die ein Kind im Terrarium hält, plötzlich ein Monster wird, das die Stadt bedroht, werden auch Terroristen und Polizei wieder aufmerksam … Ein Höllenkampf beginnt.

Prognose: Eine Veröffentlichung vom letzten Monat, die ich aber unbedingt noch miteinfließen lassen wollte. Wer in den 1980er-Jahren häufig in Videotheken herumlungerte, wird wohl die vielen, vielen Filme mit Ninjas auf dem Cover bemerkt haben. Natürlich, die 1980er-Jahre waren das Ninja-Jahrzehnt schlechthin und den Pausenhof-Renner „American Ninja“ (1985) kennt absolut jeder, der in dieser Dekade ein junger Mensch war und sich auch nur ansatzweise irgendwie mit dem Medium Film beschäftigt hatte. Und natürlich gab’s vor allem von der Produktionsfirma Cannon noch ein paar weitere bekannte Titel („Ninja – Die Killermaschine“, 1981; „Ninja Commando“, 1982 oder „Ninja – Die Kampfmaschine“, 1983) aber wo kam denn der ganze Rest her, der die Videotheken fast schon in pornesker Manier überschwemmte? Und warum haben in diesen Filmen Ninjas oft eine eher untergeordnete Rolle gespielt, obwohl die Cover doch ganz fest NINJA-Filme versprachen.


„Terror Serpent“

Hauptverursacher der Schwemme war eine 1974 von Joseph Lai gegründete Produktionsfirma aus Hongkong mit dem Namen IFD Films & Arts, die Anfang der 1980er am Ninja-Boom teilhaben wollte, aber kein Geld für eigene Filme hatte. Die Lösung: Es wurden stapelweise Rechte an allerlei billigen Kung-Fu-, Gangster- und anderen Filmen gekauft. Um diese Streifen aber für ein Publikum aus dem Westen – und da war schließlich das richtig große Geld zu holen – interessant zu machen, drehte die Firma, und das gar nicht so schlecht, Szenen mit „Gweilos“ (zu dt. „geisterhaft bleiche Person/Leute, eine gängige, aber eher wenig schmeichelhaften Bezeichnung für Menschen aus dem Westen) und schnitt sie in die vorhandenen Filme rein, die daraufhin natürlich auch neu vertont wurden, damit wieder eine durchgehende Geschichte entstand. Für den wahrscheinlich größten Teil dieser Produktionen war der vor allem durch seine „Men Behind the Sun“-Fortsetzungen berüchtigte Regisseur Godfrey Ho verantwortlich, der über 40 Pseudonyme nutzte und sich mittlerweile selbst nicht mehr so genau daran erinnern kann, was auf sein Konto ging und was nicht. Der Plan ging jedenfalls so gut auf, dass Thomas Tang, ein Geschäftspartner von Lai, sich von diesem verabschiedete und die Firma Filmark International Limited gründete um selbst „Copy and Paste“-Streifen auf dem Markt zu schmeißen.


„Terror Serpent“

Mit beiden Firmen sind allerlei kuriosen Geschichten verbunden: Zum Beispiel wurde der damalige europäische Filmstar Richard Harrison einst für diese Produktionen verpflichtet, allerdings schnitt Ho seine abgedrehten Szenen in weitaus mehr Filmen rein, als abgemacht wurde, was zwar das Karrierende Harrisons besiegelte, ihn aber gleichzeitig bekannter als je zuvor machte, denn die IFD- und Filmmark-Produktionen wurden irgendwann von Youtube-Reviewern wieder entdeckt und zum Kult. Das mündete schließlich darin, dass der spanische Hardcore-Fan Jesús Manuel Pérez Molina 2020 einen 532-Seiten-Wälzer veröffentlichte, der sich dem Schaffen beider Firmen widmete und dringend übersetzt gehört. Und man muss schon zugeben, die „Filme“ sind natürlich im Prinzip völlig daneben, bringen aber jede Menge unfreiwillige Komik und gar nichtmal schlecht gemachte, wenn auch zum Teil völlig überdrehte, Actionszenen mit bunten Ninjas mit, die Erinnerungen an die „Power Rangers“ wach werden lassen. Spaß macht das schon, wobei das ein oder andere Bier als Unterstützung sicherlich nicht schaden kann.


„Terror Serpent“

In „Terror Serpent“ tauchen keine Ninjas auf, dafür wurde hier in einem taiwanesischen Kinderfilm, der als Bonus beiliegt, blutige, aber nicht sonderlich spektakuläre Baller-Action reingeschnitten, was das Ganze natürlich zu einem unfassbar wilden Mix macht, dem aber die deutsche Synchro deutlich mehr schadet, als die die krude Machart, die aber immerhin mit putzigen Monster-Effekten aufwarten kann. Interessanten Randnotiz: Im Ursprungsmaterial taucht doch tatsächlich der kantonesische Schauspieler Danny Lee, der dank Filmen wie „City on Fire“ (1987), „The Killer“ (1989) oder „The Untold Story“ (1993) auch außerhalb Asiens zu einem Begriff wurde, in einer Nebenrolle auf. Ich sag’s mal so: Fans asiatischer Monsterfilme könnten auf ihre Kosten kommen, denn selbst wenn die Effekte nicht ganz mit den Aushängeschildern mithalten können, ist das Dargebotene doch recht drollig.

Gut gelungen ist die Edition, mehr geht bei so was wohl kaum: „Terror Serpent“ liegt in zwei Fassungen vor, der Originalfilm „King of Snakes“ liegt in zwei Fassungen vor (eine davon irritierenderweise aber auf taiwanesisch mit japanischen Untertiteln), des Weiteren finden sich die ähnliche IFD-Produktion „Das Schlangenmonster“, eine Bildergallerie und ein Trailer.

Terror Serpent Hongkong 1988 • Regie: Godfrey Ho • Darsteller: Juliet Chan, Maura Pong, Pierre Kirby, Edowan Bersmea, Danny Raisebeck, Dewey Bosworth, Jorge Gutman

 

2. Cyborg (1989)

Bei wem? Plaion Pictures Als was? Mediabook (2 Blu-ray. 1 DVD) Wann? 08.09.2022

Worum geht’s? In einer nicht allzu fernen Zukunft wurde die Menschheit von einer gefährlichen Seuche heimgesucht, die einem Großteil der Bevölkerung das Leben kostete. Die wenigen Überlebenden kämpfen nicht nur Tag um Tag gegen die Krankheit, sondern müssen sich obendrein auch noch von zahlreichen Banden terrorisieren lassen. Die Schlimmste von ihnen wird von Tremolo angeführt, der sich eine kleine Armee aufgebaut hat und ganze Siedlungen auslöscht. Hoffnung keimt jedoch auf, als man den Schlüssel für das Heilmittel findet und auf dem Chip des Cyborgs Pearl Prophet speichert, der diesen in Begleitung des Outlaws Gibson sicher nach Atlanta bringen soll. Doch auf dem Weg werden sie ausgerechnet von Tremolo und seinen Handlangern gestellt, die das Gegenmittel ebenso in ihren Besitz bringen wollen. Für Gibson ist damit jedoch die Schlacht noch nicht verloren und so holt er zum finalen Gegenschlag aus.

Prognose: Auf Regisseur Albert Pyun wird ja gerne von Geschmacksnazis mit Stiefeln herumgetrampelt, die mit einer extra dicken Schicht stählerner Arroganz besohlt wurden. Natürlich, Pyun ist kein verkanntes Genie, aber auch absolut kein schlechter Handwerker und vor allem jemand, der sich zwar auf kostengünstige Genrefilme spezialisiert hatte, aber gerade innerhalb dieses Rahmens immer wieder Ambitionen aufblitzen ließ, die die jeweiligen Genres ein klein wenig transzendierten. Der Mann wurde nur von unwahrscheinlich viel Pech verfolgt und das ist jetzt nicht die übliche Leier vom bösen, kunstschändenden Produzenten, sondern trifft bei Pyun tatsächlich zu, wie dieser vor ein paar Jahren mit ein paar nachträglich selbstveröffentlichten Zweitfassungen seiner Filme zumindest zum Teil beweisen konnte. Es ist zu schade, dass keine dieser von VHS gezogenen Kopien je eine ordentliche Aufbereitung bekam oder die Produktionsfirmen Einsicht zeigten und nach den originalen Bändern kramten, der so gescholtene Regisseur und Drehbuchautor aus Hawaii, der am Anfang seiner Karriere sogar Regie-Assistent von Akira Kursosawa war, hätte es verdient.


„Cyborg“

Womit wir bei „Cyborg“ wären, der bereits in meiner Kindheit große Faszination auf mich ausübt, da irgendwie anders. Und auch als Erwachsener muss man attestieren: Ja, sondert sich schon vom Gros der zu dieser Zeit veröffentlichten Klopperstreifen ab: Natürlich, auch das in den Kulissen der gescheiterten Cannon-Produktionen „Masters of the Universe 2“ und „Spider-Man“ schnell gedrehte Endzeitabenteuer wartet mit aufeinander eindreschenden Muskelpaketen auf, als Schauspieler würde ich zumindest die männlichen Darsteller nicht wirklich bezeichnen. Aber Pyun pumpt das simple Geschehen mit effektiven Bildern und kurzen dramatischen Rückblenden zu einer Art mythischen Erlöser-Story auf, ohne dabei aber je den Kern des Ganzen – es geht in erster Linie halt um Muskelpakete, die aufeinander eindreschen – aus den Augen zu verlieren, was dem Ganzen eine eigenartige, schwer beschreibbare Atmosphäre gibt. „Cyborg“ schwebt irgendwo zwischen dumpfer Haudraufkost und modernem Kunst-Theater.


„Cyborg“

Der eigenartige Mix resultiert daraus, dass sich Pyun den Film ursprünglich als Heavy-Metal-Oper in Schwarz-Weiß vorgestellt hatte, was aber für die hochkommerziell arbeitende Produktionsfirma natürlich nichts war, lediglich die Namen der Charaktere (Gibson, Tremolo, Fender etc.) blieben vom ursprünglichen Konzept übrig. Aber es kam noch schlimmer: Pyun fügte sich zwar weitgehend den Wünschen Cannons und arbeitete seine Wunschfassung um, doch das Resultat fiel beim Testpublikum trotzdem durch und so legte Hauptdarsteller Jean-Claude Van Damme noch mal Hand an. Wundersamerweise funktioniert das Ergebnis dieser Verhackstückerei immer noch verhältnismäßig gut, es wird aber auch die einzig wirklich gangbare Option bleiben. 2011 tauchte dank dem Soundtrack-Komponisten des Films zwar eine VHS mit Pyuns ursprünglicher Version in einer Arbeitsfassung auf, allerdings wurde diese dann nicht veröffentlicht, sondern Pyun entschied sich dazu, die Fassung umzuarbeiten, Abstand von seiner damaligen Vision zu nehmen, was am Ende dann aber niemanden wirklich glücklich machte, zumal diese Variante, die hier als Bonus beiliegt, zwar trotzdem nicht uninteressant, qualitativ aber unter VHS-Standard, nur mit Mühe guckbar ist. Es ist schade, dass Pyun nicht wie bei der ebenfalls 2011 veröffentlichten, großartigen Zweitfassung von „Captain America“ (1990) einfach seine damalige Wunschversion veröffentlicht hatte, denn da wurde sehr deutlich, was in Pyun steckt.

Wie auch immer: Wer „Cyborg“ noch nicht kennt und erstmal testen will, sollte zu einer der alten Discs greifen, aber wer den Film mag, wird bei dieser neuen Special Edition von Plaion (das ist der neue Name von Koch Media) mit Sicherheit auf seine Kosten kommen.

Cyborg USA 1989 • Regie: Albert Pyun • Darsteller: Jean-Claude Van Damme, Deborah Richter, Vincent Klyn, Alex Daniels, Ralf Moeller, Haley Peterson, Terrie Batson

 


„Hell Comes To Frogtown“

3. Hell Comes To Frogtown (1988)

Bei wem? Xcess Als was? Mediabook (DVD & Blu-ray) Wann? 16.09.2022

Worum geht’s? Die Welt ist zerstört, die meisten Männer können keine Kinder zeugen. Eine der wenigen Ausnahmen ist Sam Hell, der einen Deal mit der Regierung eingeht, so viele Frauen wie möglich zu schwängern. Einige fruchtbare Frauen werden in Frogtown gefangen gehalten, einer Stadt, in der Mutanten leben, deren Gene sich aus Frosch und Mensch gemischt haben. Gemeinsam mit der Medtech-Beauftragten Spangle und der Bordschützin Centinella dringt Sam in die verbotene Zone ein, um die Frauen zu befreien …

Prognose: Einer der schönsten kleinen Filme der 1980er-Jahre! Mischung aus Screwball-Comedy, Gender-Satire, Muppetsshow und Action. Locker-leicht, sehr amüsant und unglaublich charmant. Bevor mir die Meckerfritzen auf die Mütze hauen: Ja, Low-Budget, als Kulissen mussten alte Fabrikanlagen herhalten. Und ja, gelegentlich überschreitet der Film, dessen Co-Autor übrigens James-Cameron-Kunmpel Randall Frakes (unter anderem verantwortlich für die Romanversionen von „Terminator“ 1&2) war, die Grenzen zur Albernheit. Aber trotzdem: Das Ding macht einfach einen Heidenspaß. Das Timing ist super und die Darsteller sind ein Traum – allen voran Roddy Piper als Sam Hell. Der 2015 leider viel zu früh verstorbene Piper ist mein Favorit, wenn es um die damaligen Videoregal-Stars geht. Der Ex-Wrestler machte sich ähnlich wie Hulk Hogan in den 80ern ins Filmgeschäft auf, hatte dort meist die zwar kleineren, fast nur in den Videotheken ausgewerteten, aber deutlich besseren Filme am Start (größter Erfolg: der ebenfalls 1988 veröffentlichte „Sie leben“ von John Carpenter).


Roddy Piper (rechts) und Sandahl Bergman (links) in „Hell Comes To Frogtown“

Und während Hogan stets ganz schön tumb rüberkam, bestach Piper durch jede Menge Charisma und Witz, konnte vieles wettmachen. Der Mann, dem der Schalk oft nur so aus den Augen blitzt, ließ bei jedem seiner Auftritt den Wunsch wach werden, mit ihm nach dem Abspann einen trinken zu gehen. Kein großer Schauspieler, aber einfach ein grundsympathischer Typ, der nonchalant durch seine Filme latscht, ganz genau weiß, wo er da gelandet ist und trotzdem wild entschlossen ist, ganz viel Spaß zu haben. Es ist wirklich schwer Piper nicht innerhalb von wenigen Minuten ins Herz zu schließen, zumal hier auch die Chemie mit der von Sandahl Bergman (vor allem aus „Conan“, 1982 und „Red Sonja“, 1985, bekannt) gespielten Spangle zu 100% stimmt – die beiden bilden in etwa das hyperschräge B-Film-Äquivalent zu Katherine Hepburn und Spencer Tracy. Ein wirklich großartiges Vergnügen, das man gesehen haben sollte. Schön ist, dass das Mediabook mit Booklet, Audiokommentar, Behind-the-Scenes-Fotos, Interviews, einer Extended Scene und zwei Trailern daherkommt – Filme dieser Art werden ja ganz gerne ein wenig vernachlässigt.

(Da man danach in Piper verliebt sein wird – weitere Tipps: „Back in Action – Die Vergeltung“, 1993; „Resort to Kill“, 1994; „Jungleground“, 1995, und „Tough and Deadly“, 1995)

Hell Comes To Frogtown USA 1988 • Regie: Donald G. Jackson, R.J. Kizer • Darsteller: Roddy Piper, William Smith, Sandahl Bergman, Eyde Byrde, Lee Garlington, Cliff Bemis

 


„Rick and Morty“

und was gibt’s im TV & Internet?

Rick & Morty, Staffel 6 – ab 05.09.2022, WB Comedy: Pflichttermin.

The Lazarus Projekt, Staffel 1 – ab 08.09.2022, Sky Atlantic: Serie von Marco Kreuzpaintner („De Fall Collini“) über einen App-Entwickler, der die Zukunft vorhersagen kann, weil er in einer Zeitschleife feststeckt und aus diesem Grund von einer Organisation angeworben wird, die mit seiner Unterstützung eine globale Katastrophe verhindern will.

Andor, Staffel 1 – ab 21.09.2022, Disney+: Die nächste Star-Wars-Serie vom Disney-Fließband …

Another Monday, Staffel 1 – ab 30.09.2022, ZDF Mediathek: Mysteryserie aus Deutschland, um drei Protagonisten, die herausfinden müssen, wieso sie in einer Zeitschleife gefangen sind.

Große Abb. ganz oben: „Cyborg“, Plaion Pictures

Kommentare

Bild des Benutzers Alexander Schlicker

Großartige Ausgabe einer meiner Lieblingsrubriken unserer Seite. Schon allein für Thorstens Liebe zum filmhistorischen Detail kann ich immer wieder nur danke sagen..."Hell comes to Frogtown" muss ich sehen und schäme mich fast, ihn tatsächlich bislang noch nicht gekannt zu haben.

Bild des Benutzers Thorsten Hanisch

Woah, vielen, lieben Dank für die netten Worte! *erröt*

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.