16. Dezember 2024

„Tomorrow and I“ – Nicht nur Strände und Buddhas

Eine futuristische Anthologie-Serie aus Thailand

Lesezeit: 3 min.

„Black Mirror in Thailand“ ist der offensichtliche Vergleich für die vierteilige Anthologie-Serie „Tomorrow and I“ aus einem Land, das die meisten wohl in erster Linie mit entspanntem Strandurlaub und der Hektik der Metropole Bangkok in Verbindung bringen. Führt man die Assoziationen weiter, dürften schnell Begriffe wie Buddhismus und Sextourismus fallen, und das sind dann auch zwei der Themen, die in den allesamt von Paween Purijitpanya inszenierten Folgen verhandelt werden.

Buddha Data“ etwa erzählt von einem KI-System namens Ultra, das wie eine Art Mischung aus modernem Ablasssystem und Bonuspunktesammlung funktioniert. Eine App zählt automatisch die guten Taten der Menschen, Obdachlosen Essen geben zählt ebenso dazu, wie sich eine kurze Lektion über Lehren des Buddha anzuhören. Die Besonderheit ist nun, dass die gesammelten Bonuspunkte auch für ganz profane Dinge verwendet werden können und etwa ermöglichen, einen günstigen Kredit zu bekommen.

Für die zum Straßenbild Thailands gehörenden Mönche bedeutet das jedoch wenig Gutes, auch die buddhistischen Tempel bleiben leer. Doch eine simple Dichotomie zwischen Tradition und Moderne aufzumachen ist nicht die Absicht der Folge, statt dessen wird angedeutet, dass auch die altehrwürdigen Tempel ihr Geld mit dem Verkauf von ziemlich kitschigen, nur scheinbar spirituellen Dingen gemacht haben, bei denen sich ebenfalls die Frage gestellt hat, ob es hier mehr ums Geld verdienen oder das Seelenheil geht.

Stilistisch wirkt nicht nur diese Folge wie eine gelungene Mischung zwischen Bildern des heutigen Thailands, das gerade in der Hauptstadt Bangkok zumindest in Teilen wie eine typische moderne, von Glas- und Stahlbauten geprägte Metropole wirkt, und einem futuristischen Überbau.

Gerede so wie es das Vorbild „Black Mirror“ seit Jahren erfolgreich vormacht, spielt auch „Tomorrow and I“ Möglichkeiten und Gefahren der technologischen Entwicklung durch, deutet an, was passieren könnte, wenn etwa das Klonen von Verstorbenen möglich werden sollte. Das ist das Thema in der Episode „Black Sheep“, in der eine thailändische Astronautin beim Wiedereintritt in die Atmosphäre ums Leben kommt. Ihr Ehemann will ihren Tod nicht akzeptieren und erinnert sich daran, das einst der Hund des Paares geklont wurde. Die Technik für Menschen anzuwenden ist allerdings verboten, aus guten Gründen, wie der Mann bald erfährt, nachdem er einen illegalen Klon-Anbieter gefunden und seine Frau zum Leben erweckt hat.

Neben dem Thema Sex mit Androiden, das in „Paradistopia“ verhandelt wird, geht es in „Octopus Girl“ um die Folgen des Klimawandels, die im tropischen Thailand zu extremen Stürmen und dem Anstieg der ja ohnehin schon hohen Temperaturen führen. Besonders betroffen sind natürlich Menschen aus der Unterschicht, die sich in einer Welt, in der nach hunderten Tagen Dauerregen Krankheiten und mutierte Wesen grassieren, durchschlagen. Hoffnung verspricht eine Impfung, die allerdings eine seltsame Nebenwirkung hat: Da das Serum zum Teil aus Tintenfischen extrahiert wurde, wachsen allen geimpften Tentakel aus dem Kinn.

Man merkt schon, dass nicht nur diese Folge ein wenig ins Absurde abdriftet und einen eher überdrehten, albernen Humor bedient. Auch ein Aspekt, der „Tomorrow and I“ zu einer vielseitigen, abwechslungsreichen Serie macht, die stilistisch bemerkenswert ambitioniert wirkt. Nicht jede Folge überzeugt zwar durch und durch, aber einmal mehr zeigt sich einer der schönsten Aspekte von Netflix: Die Möglichkeit Serien oder Filme aus Ländern und Regionen sehen zu können, aus denen ansonsten – abgesehen von spezialisierten Filmfestivals – kaum einmal etwas nach Deutschland schwappt.

Tomorrow and I • Thailand 2024 • Regie: Paween Purijitpanya • Darsteller: Pakorn Chadborirak, Waruntorn Paonil, Treechada Hongsyok • vier Folgen, jetzt bei Netflix

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