13. Juli 2013 2

Epik im Kopf

„Joe the Barbarian“ – Meta-Ebene in Reinkultur

Lesezeit: 3 min.

Grant Morrison ist kein gewöhnlicher Comic-Autor. Der Schotte ist ein Comic-Visionär. Zu schade, dass Morrisons Comic-Visionen in den letzten Jahren oft ein ausgesprochen exklusives Gut waren – nur ein Bruchteil seiner Leserschaft verstand wirklich, was Morrison da eigentlich tat oder was er genau wollte, worauf er anspielte und wie das alles zusammenpasste. Besonders seine sperrige, bewusst kompliziert gehaltene Arbeit als Autor von DCs Flaggschiff-Serie Batman spaltete in den letzten Jahren das Fan-Lager. Mor­rison weiß eben nur zu genau, wo die Konventionsgrenzen seines Fachs liegen, und lässt sie zuweilen mit voller Absicht so weit hinter sich, dass jede Erinnerung an eine vertraute Umgebung weit zurückbleibt – und inmitten dieses Niemandslands oft auch ein verstörter Leser, der den Faden verloren oder gar nicht erst aufgenommen hat.

Rühmliche Ausnahme: All Star Superman – und Joe the Barbarian. Letzteres präsentierte sich zwischen März 2010 und Mai 2011 in acht Heften als eine der besten Vertigo-Serien, ach was, als eine der besten Comic-Serien auf dem US-amerikanischen Markt. Das liegt nicht nur am gewohnt sensationellen und lässigen Artwork von Zeichentalent Sean Murphy und den stimmigen Farben des fleißigen Dave Stewart, sondern eben auch endlich mal wieder an Grant Morrison selbst. Dessen Detailwahn und Vorliebe für intelligente, anspruchsvolle, verschachtelte Meta-Stoffe kommt in Joe the Barbarian Kapitel für Kapitel voll zum Tragen – und ergibt vor allem endlich wieder mal bis in die letzte Instanz Sinn, während Morrison seine Leser bis zur finalen Seite permanent vor die Wahl stellt: Ist das alles nun nur eine Folge der Hypoglykämie des dreizehnjährigen Joe, der an einem stürmischen Abend allein mit seiner zahmen Ratte Jack in einem alten, großen Haus ist, oder erlebt Joe in einer Parallelwelt wirklich ein phantastisches Abenteuer nach dem nächsten, das in der Realität nur seine Ereignis-Entsprechungen hat? Ist er wirklich der Sterbende Junge, von dem in der Prophezeiung gesprochen wird, Schachfigur in einer epischen Schlacht zwischen Licht und Finsternis, auserkoren, diese seltsame Welt zu retten, begleitet von widerwilligen Gefährten wie einem Rattenkrieger, verfolgt von schrecklichen Dienern des großen Bösen, das alles bedroht?

Morrisons Fantasy-Feuerwerk spielt klug mit einer Vielzahl von Genre-Archetypen, ohne jemals die eigene Note oder die Kraft der eigenen Phantasie zu verlieren. Die blitzartigen Gastauftritte von Batman, Robin und Hellblazer John Constantine sind lediglich das Tüpfelchen auf dem i – Morrisons und Murphys Leser ist zu diesem Zeitpunkt längst hin und weg.

Endlich hat Morrison mal wieder all sein Können kanalisiert. Seine Handschrift ist wie üblich unverkennbar, aber anders als sonst noch immer sehr gut leserlich. Da ist es nur recht und billig, dass Morrison als Belohnung für sich und all seine Fans einen der faszinierendsten Comics der letzten Jahre vorgelegt hat, kongenial illustriert von einem nicht weniger detailwahnsinnigen Sean Murphy, gleichermaßen packend wie vollgepackt in Schrift und Bild.

Das Oversized Hardcover, das DC USA der Miniserie nach Abschluss im Winter 2011 zugestanden hat, ist nicht mehr und nicht weniger als die Würdigung eines erwachsenen Fantasy-Comics vom Allerfeinsten, der auf wunderbare Art zeigt, was noch immer in diesem Genre und in klassisch aufgezogenen Fantasy-Erzählungen steckt. Und in Grant Morrison.

Grant Morrison / Sean Murphy • Joe the Barbarian • DC Vertigo, New York 2011 · 224 Seiten · $ 29,99 (US-Import)

Kommentare

Bild des Benutzers brainbug

Bin hin- und her-gerissen: Murphy mag ich sehr, Grant Morrison nervt mich total...

Bild des Benutzers Bernd Kronsbein

Versteh ich sofort. Aber so unnervig war Morrison in den letzten Jahren sonst nie. Wenn ich's nicht wüsste, würde ich nicht glauben, dass es von ihm ist :-)

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