9. Juni 2015 2 Likes

Die dunkle Bedronung

Gute Soldaten am Joystick: „Good Kill“

Lesezeit: 3 min.

Krieg ist Mist und wird immer mehr zum Videospiel, Unschuldige sterben, Amerika ist Satan, der War On Terror ist dirty, schon klar, aber was willste machen? Plakativer lässt sich der doch recht komplexe Sachverhalt der seit 2001 währenden militärischen Aktivitäten gegen islamistisch motivierten Terrorismus und der damit verbundenen Implikationen eigentlich kaum zusammenfassen. Doch Andrew Nicoll (Gattaca, In Time) schafft das mit seinem neuen Film Good Kill beeindruckend mühelos.

Weniger eine dramaturgische Aufarbeitung der Thematik, als staubtrockenes Expositions-Theater/Schulfernsehen mit unfassbar hölzernen Darstellern und bodenlos dämlichem Drehbuch erzählt dieser Streifen die Geschichte des ehemaligen Air-Force-Piloten Major Thomas Egan, der nach diversen Einsätzen im Luftraum über feindlichem Gebiet nun als Dronen-Steuermann arbeitet. Vom heimischen Las Vegas aus fliegt seine Einheit gezielte Einsätze gegen Taliban-Stellungen, konspirative Wohnungen und ähnliche Ziele in Afghanistan. Doch Egan hat Probleme; die Flasche ist sein bester Freund, die Libido macht nicht mehr richtig mit, das Vorstadt-Heim mit Frau und Kindern lässt ihn kalt.

Doch vor allem vermisst er das Fliegen – und auch, wenn sich Good Kill bemüht, das moralische Dilemma eines ferngesteuerten Krieges in den Mittelpunkt zu stellen, so geht es hier doch in erster Linie um den armen Piloten, der nicht mehr ins echte Cockpit darf. Im Ernst, das ist der emotionale Dreh- und Angelpunkt dieses Machwerks. Neben den Ethik-Diskussionen auf Kindergartenniveau, die hier ständig geführt werden – keine besonders glaubwürdige Darstellung des militärischen Alltags – verkörpert Ethan Hawke die Identifikationsfigur als zutiefst deprimierten guten Soldaten, der lediglich Befehle ausführt, niemandem etwas Böses will und doch eigentlich nur wieder zurück in die Luft möchte. Zurück zum „Kitzel der Gefahr“, back to the front, wo Männer noch Männer sind und nicht Schuljungen mit Joystick. Auf diesem Bullshit wird hier rumgeritten, dass es beim Zusehen wehtut.

Die Tatsache, dass gleich nach Eastwoods (auf vielen Ebenen deutlich besserem) American Sniper erneut ein braver Befehlsempfänger mit USA-Flagge statt Kleinhirn im Fokus steht, verdeutlicht das eigentliche Dilemma dieser neuen Welle von Hollywood-Kriegsfilmen. Denn im Gegensatz zu wirklich verstörenden Klassikern des Genres wie Apocalypse Now, Platoon, Full Metal Jacket oder Hamburger Hill geht es hier immer um die Ehrenrettung des Heldentums als amerikanischem Prinzip. Die bösen Mächte sind dabei natürlich nicht nur jenseits der Front, sondern auch im eigenen Hause (hier: CIA) zu suchen – soviel Ambivalenz gesteht sogar Good Kill sich zu.

Doch während Coppola, Stone, Kubrik und Irvin dem Prinzip des Heroischen zutiefst misstrauten, suggerieren diese neuen Filme ziemlich klar, dass es auch im Krieg echtes Gutmenschentum gibt. Am Ende hängt hier also alles an der Bereitschaft des Zuschauers, sich auf diese abstrusen Identifikationsangebote einzulassen. Wem die emotionale Schieflage also nichts ausmacht, tiefes Mitgefühl für nominelle Massenmörder in Uniform zu empfinden und ihre kleinen depressiven Episoden und PTS-Syndrome als echt gemein nachzufühlen, der ist hier wahrscheinlich gut aufgehoben. Alle anderen dürften nur Ekel empfinden.

Das ist besonders schade, weil Regisseur Andrew Niccol damit seinen qualitativen Sinkflug rasant fortsetzt. Als Autor von Drehbüchern für intelligente Blockbuster wie Die Truman Show und Regisseur von kühl-kontrollierten Thrillern wie seiner Brave New World-Variante Gattaca hatte Niccol Ende der 90er-Jahre noch echtes Potenzial erkennen lassen. Doch spätestens mit dem schlimmen Justin Timberlake-Vehikel In Time wurde 2011 nach einigen weiteren Misserfolgen klar, dass da wohl nicht mehr viel kommt. Good Kill schießt nun den Vogel endgültig ab (sorry). Nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch technisch mangelhaft ist dies der vorläufige Tiefpunkt im Werk eines eigentlich fähigen Filmemachers, der hier wahrscheinlich etwas Profundes sagen will, sich dabei aber zwischen pseudo-aufklärerischem Duktus und populistischem Patriotismus gnadenlos verheddert. Ein Debakel.

Good Kill ist seit dem 9.6. auf Blu-ray, DVD und VOD erthältlich.

Good Kill (USA 2015) • Regie: Andrew Niccol • Darsteller: Ethan Hawke, Bruce Greenwood, January Jones, Zoë Kravitz

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