Keinen Plan
„Der Plan“ – Philip K. Dick hat mal wieder Pech
Philip K. Dick ist mittlerweile ganz nahe dran, Stephen King als einem der meistverfilmten amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts ernsthaft Konkurrenz zu machen. Wobei auch die Qualität der Dick-Adaptionen dem äußerst durchwachsenen Gros der King-Verfilmungen in nichts nachsteht. Auf jeden kongenial adaptierten A Scanner Darkly kommen hier mindestens ein Paycheck und ein Impostor, für jeden Blade Runner schlägt das Pendel dann mit matschigem Videotheken-Futter wie Next oder Screamers in Richtung SF-Trash. Dabei fällt es auf, dass die gelungenen Werke eher auf Romanen basieren, und sich dabei naturgemäß ausführlicher mit dem reichhaltigen Dick-Universum beschäftigen, während die teilweise unansehbaren Gurken meistens lediglich das Konzept einer Kurzgeschichte zur Grundlage eines völlig frei gestalteten Skripts machen und im Zuge dessen keinen Stein auf dem anderen lassen.
Und so basiert auch Der Plan wieder einmal auf einer Kurzgeschichte des großen nordamerikanischen Mystikers und Paranoikers. Aus »Adjustment Team« von 1954 wurde im englischsprachigen Original The Adjustment Bureau – und aus einer charmanten, Fünfzigerjahre-typischen literarischen SF-Skizze ein groß angelegtes Werk über Schicksal und freien Willen, Zufall und Vorbestimmung – und vor allem über die alles überwindende Macht der Liebe. Dicks Geschichte von einem kleinen Angestellten, der zufällig einen Blick auf die wahre Gestalt (und die Gestalter) der Realität hinter ihrer sichtbaren Manifestation erhascht, um sich dann eine Standpauke des großen Lenkers anhören zu müssen, erhält in George Nolfis Film eine großzügige Ausgestaltung und einen völlig neuen Rahmen.
Hier ist es nun der Politiker und zukünftige Präsidentschaftskandidat David Morris, der durch eine dumme Unaufmerksamkeit seines göttlichen Beobachters (in der Kurzgeschichte noch ein sprechender Hund) Zeuge des Adjustment-Prozesses wird. Und auch er muss sich auf einen Deal mit den Architekten der Realität einlassen – absolutes Stillschweigen, sonst kommt der große Gedächtnisradierer. Doch dabei gibt es ein signifikantes Problem, denn Morris hat sich verliebt – und genau das sieht der Plan nicht vor. Und jetzt geht’s los: David trifft seine Angebete immer wieder, muss sie vergessen, handelt dem Plan zuwider, muss sich entscheiden zwischen persönlichem Glück und altruistischem Loslassen usw. Das ist alles sehr geschmackvoll und spannend in Szene gesetzt, die Männer mit den Hüten sind angemessen kafkaesk-bürokratisch gezeichnete Drahtzieher im Hintergrund, und vor allem im großen Showdown wird Der Plan mit zahlreichen atemlosen Ortswechseln, die ausnahmslos on location in Manhattan entstanden, zu einer wunderbaren filmischen Liebeserklärung an die eklektische Topografie des Big Apple.
Doch schließlich und endlich ist das hier ein Liebesfilm, und mit der glaubwürdigen Darstellung der Kernbeziehung steht und fällt das ganze Konstrukt. Und da knarzt es gewaltig im Gebälk, denn die Anziehung zwischen den beiden Protagonisten, die schicksalhaft und mühelos erscheinen soll und muss, wirkt doch arg gestelzt und bemüht. Schlimmer noch, in vielen Momenten ist das selbstverliebte und süffisante Liebeswerben und Necken der zweifellos sehr hübschen Hauptdarsteller nur schwer zu ertragen. Mit anderen Worten: Hier stimmt die Chemie nicht so richtig. Zu viel eitler Wortwitz, zu viele strahlend weiße Zähne. So fällt es schwer, sich wirklich auf die Seite dieses Paares zu stellen, das am Ende sogar die höchste Macht (Gott?) davon überzeugt, dass es sich manchmal lohnt, den Plan zu ändern. Ein weiterer Schwachpunkt ist der generische Score von Thomas Newman, der mittlerweile völlig austauschbare Musik am Fließband produziert und dabei jegliche Subtilität im Keim erstickt. Das ist nur noch reines Selbstzitat und hilft dem individuellen Ansinnen des einzelnen Films wirklich nicht mehr weiter.
Zu welcher Kategorie der Dick-Verfilmungen gehört dieses etwas unentschlossen zwischen vielen Genres pendelnde Stück Kino nun? Zu keiner so richtig, denn weder erreicht Der Plan die schaurigen Tiefen der allerschlimmsten DVD-Spektakel, noch handelt es sich um eine werk- und vor allem themengetreue Umsetzung wie bei den besseren Adaptionen. Für den totalen Trash ist das Budget dann auch einfach zu großzügig, die Locations zu glamourös, die Darsteller zu namhaft und die Regie zu geschmackvoll. Doch auch hier lässt sich wieder beobachten, dass außer der Grundidee einfach nichts von Dick stammt. Und das ist auch das Manko der meisten seiner sogenannten »Verfilmungen«, denn wenn man sich verständlicherweise nicht an den verworrenen Plots vieler seiner Stoffe abarbeiten möchte, dann muss man sich selber was ausdenken. Das haben die Macher von Der Plan getan; nur leider scheitert ihr Versuch, den Schwerpunkt vom reinen SF-Stoff hin zu einer schicksalhaften Romanze zu verschieben, an den basalen Erfordernissen eben dieses Genres. Und wann verfilmt eigentlich endlich mal jemand »Die drei Stigmata des Palmer Eldritch«?
Der Plan • USA 2011 · Regie: George Nolfi · Darsteller: Matt Damon, Emily Blunt, Terence Stamp, Michael Kelly, Anthony Mackie, John Slattery
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