27. Mai 2022

„Night Sky“ - Science-Fiction mit Bodenhaftung

J.K. Simmons und Sissy Spacek in einer neuen, langsamen, aber sehenswerten Amazon-Serie

Lesezeit: 3 min.

Seit ewigen Zeiten leben Franklin York (J.K. Simmons) und seine Frau Irene (Sissy Spacek) schon in ihrem Haus auf dem Land, wo sich in einem Verschlag unter der Scheune ein Geheimnis verbirgt: Ein Portal zu einer fremden Welt, verbunden durch eine Tür. Doch diese Tür haben die Yorks nie zu öffnen gewagt, haben sich damit begnügt, vor dem großen Fenster zu sitzen und in die Sterne zu blicken.

Verheißungsvoll beginnt die von Holden Miller erdachte Amazon Prime-Serie „Night Sky“, die sich dann ganz anders entwickelt als erwartet. Das Welten verbindende Portal erweist sich als kaum mehr als ein MacGuffin, der vor allem dazu dient, von Menschen zu erzählen, ihrem Versuch, einen Sinn im Leben zu finden, ihrer Angst vor dem Älterwerden und schließlich dem Sterben.

Insofern sind die beiden Hauptdarsteller Sissy Spacek und J.K. Simmons perfekt gecastet: Mit ihrem ganzen Wesen strahlen sie die Erfahrung ihrer Jahrzehnte aus, verkörpern ganz beiläufig alle Nuancen eines Paares, das schon ewig zusammen ist und im Lauf der Zeit zu einer fast perfekten Einheit gewachsen ist. Doch diese Einheit droht nun zu bröckeln, durch Franklins langsam nachlassendes Gedächtnis, durch Irenes zunehmende Gebrechlichkeit, aber auch durch eine gewisse Ungeduld angesichts des unweigerlich nahenden Endes.

Die Entscheidung, ob man es nicht doch riskieren soll, die Tür des Portals endlich zu öffnen wird dem Paar jedoch bald abgenommen, denn ein seltsamer Fremder liegt plötzlich im Keller. Es ist Jude (Chai Hansen), der im Fieber deliriert, kaum ein Wort sagt und sich bald eine Art Transponder aus dem Bein schneidet. Und er ist nicht der einzige Besucher aus einer anderen Welt: Im fernen Argentinien lernen wir bald Stella (Julieta Zylberberg) kennen, die zusammen mit ihrer Tochter Toni (Rocío Hernández) auf einer einsamen Farm in der Pampa lebt, wo im Keller unter einer Kapelle – genau – ein Portal verborgen liegt. Und auch aus diesem Portal tritt fast zeitgleich zum Portal der Yorks ein mysteriöser Fremder, mit dem Unterschied, dass Stella ihn zu kennen scheint.

Am Rand geht es nun auch um die Pläne der Fremden, um Prophezeiungen und Verschwörungen, doch im Kern bleibt „Night Sky“ weniger dem Himmel verbunden, als dem Boden. Gerade auch in den Nebenfiguren der Serie, wird das eigentliche Thema variiert: Die Unzufriedenheit mit dem Ist-Zustand, der Wunsch, mehr aus seinem Leben zu machen. Egal ob es der etwas anstrengende neue Nachbar der Yorks ist, der sich anbiedert und unbedingt in den Stadtrat gewählt werden will oder ihre Enkelin, die mit ihrem Studium hadert und nicht zuletzt immer noch um ihren Vater trauert, der sich vor Jahren das Leben nahm: Alle Figuren sehnen sich nach Veränderung und das Portal scheint sie zu liefern.

Sehr langsam und bedächtig ist das erzählt, manchmal auch etwas zäh wie so oft bei aktuellen Serien. Immer wieder driftet „Night Sky“ allzu sehr ins Sentimentale ab, dröhnen die Streicher etwas zu sehr auf der Tonspur. So sind es vor allem die überzeugenden Darsteller, die manche dramaturgische Schwäche vergessen lassen, der Serie viel Bodenhaftung verleihen und erstaunlich viel aus dem Konzept herausholen.

Abb.: Amazon Prime

Night Sky • USA 2022 • Creator: Holden Miller • Darsteller: J.K. Simmons, Sissy Spacek, Chai Hansen • 8 Folgen, jetzt bei Amazon Prime

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