18. März 2025

„Paradise City“ – Dystopie oder Realität?

Die Verfilmung des Thrillers von Jens Lapidus

Lesezeit: 3 min.

Gerade die nordischen Staaten Europas galten lange als Vorzeigedemokratien, in denen die Sozialsysteme besonders gut funktionieren, entspannte Menschen lustige Gerichte essen, wenn sie mal nicht bei IKEA einkaufen, saunieren oder durch malerische Wälder streifen. Okay, dass die schwedische Realität nicht ganz so bukolisch wie Bullerbü sein dürfte, hat man dann doch geahnt, aber spätestens durch die gerade in Deutschland besonders beliebten Nordisch-Noir-Krimis sollte dann auch dem letzten klar geworden sein, dass auch im Norden nicht alles zum besten steht.

Als Strafverteidiger hat Jens Lapidus aus erster Hand Erfahrung mit den dunklen Seiten des System gesammelt, hat wie so viele weiße Bürgerliche aber auch offensichtlich eine erhebliche Faszination für harte Kerle, schnelle Autos, leichte Mädchen und der damit verbundenen, oft organisierten Kriminalität. Seine erste Roman-Reihe „Snabba Cash“/ „Schnelles Geld“ wurde erfolgreich und reißerisch verfilmt (Netflix), ebnete Regisseur Daniel Espinosa und Hauptdarsteller Joel Kinnaman den Weg nach Hollywood, eine Trilogie um die Anwältin Emelie Jansson wurde vom ZDF verfilmt, nun also ist Amazon an der Reihe.

Paradise City“ (im Shop) heißen Vorlage und Serie, ein ironischer Titel, klar. Denn ein Paradies ist der von einer hohen Mauer eingegrenzte Stadtteil Stockholms in keiner Weise. Järva heißt dieser Unort, der geschaffen wurde, nach dem in der Hauptstadt die Kriminalität explodierte und die bürgerliche Klasse sich um ihre Sicherheit sorgte. Denn schuldig waren scheinbar in erster Linie all die neuen Schweden, die so gar nicht dem blonden, blauäugigen Astrid Lindgren-Ideal entsprechen.

Die einzige Lösung scheint eine Trennung der Ethnien zu sein, eine Segregation also, wie sie sich wohl nicht nur im zeitgenössischen Schweden so manche wünschen. Eine dystopische Vision soll das also sein, aber eine, die ganz nah an der Realität erzählt, die nur ein bisschen die Zustände zuspitzt, in die sich die westliche Welt zu entwickeln scheint.

Schwerst bewaffnet agiert die Polizei, wagt sich nur mit quasi militärischer Ausrüstung hinter die hohen Mauern von Järva, zum Beispiel dann, wenn die Innenministerien im laufenden Wahlkampf eine Rede halten will. Die leitende Polizistin Fredrika (Julia Ragnarsson) ist zwar alles andere als begeistert vom Wunsch der Ministerin, aber Befehl ist Befehl. Doch während der Rede kommt es wie es kommen muss, ein Kommando Vermummter überfällt die Veranstaltung und entführt die Ministerin.

Da die Polizei hinter den Mauern keine Macht hat muss Fredrika zu ungewöhnlichen Methoden greifen: Sie bittet den Kriminellen Emir (Alexander Abdallah) um Hilfe, der zudem gute Kontakte zum Anführer des mächtigsten Clans Järvas hat: Abu Gharib. Gemeinsam macht sich das Duo auf die Suche nach der Ministerin und stößt bald auf ein Geflecht an Korruption, das bis in die höchsten Sphären der schwedischen Politik reicht.

Unweigerlich muss man bei diesem Ansatz an John Carpenters legendären Klassiker „Die Klapperschlange“ denken, nur im Gewand eines am Ende sehr klassischen nordischen Krimis. Ohne Abgründe und Serienkiller mit seltsamen Vorlieben, dafür mit einem typischen Ermittlerduo, das anfangs kaum unterschiedlicher wirken könnte, sich im Lauf der Serie aber doch mehr oder weniger zusammenrauft.

Ein wenig verschenkt wirkt der Ansatz zwar, mehr als eine sanfte Kritik der Segregation von Arm und Reich, von, sagen wir, traditionellen und neuen Schweden findet sich hier nicht. Ein leidlich spannender, dystopisch angehauchter nordischer Krimi also, nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Paradise City • Schweden 2025 • Regie: Fenar Ahmad, Alain Darborg • Darsteller: Julia Ragnarsson, Alexander Abdallah6 Folgen bei Amazon Prime

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