15. Oktober 2015 4 Likes 1

Ultrabrutal

Es zwitschert im Gebälk: „American Ultra“

Lesezeit: 3 min.

American Ultra geriet kurz nach dem US-Start in diesem Sommer in erster Linie durch den darauf folgenden Twitter-War ins Gespräch. Als sich abzeichnete, dass der Film floppen würde, ging Drehbuchautor Max Landis online und beschwerte sich darüber, dass niemand mehr wirklich Original-Stoffe sehen wolle – und dass sein Film nur deswegen an den Kinokassen unterging, weil die Leute lieber Sequels, Reboots und Comicfilme guckten. Und obwohl sicherlich ein Fünkchen Wahrheit in dieser Aussage steckt – was soll sowas? Wie der britische HBO-Moderator John Oliver ganz richtig bemerkt: No one’s ever won a Twitter war, und fadenscheinige Ausreden für den eigenen Misserfolg zu suchen spricht nicht gerade für künstlerische Integrität. Denn sieht man sich diesen Film einfach mal ganz unvoreingenommen an, dann bleibt letztendlich nur das vernichtende Urteil: klassischer Fall von Durchschnitts-Kuddelmuddel. Dass hier keine Box-Office-Rekorde gebrochen wurden, ist völlig klar. Also zügelt mal ein bisschen eure Hybris, liebe Landis’ und Tranks dieser Welt.

American Ultra ist nicht schlecht. Wirklich nicht, dafür sind die Zutaten einfach zu ansehnlich. Jesse Eisenberg und Kristen Stewart können gut miteinander (s.a. Adventureland) , die Nebendarstellerriege ist mit Leuten wie Connie Britton (American Horror Story), Tony Hale (Arrested Development) oder Kult-Hackfresse Walton Goggings (Django Unchained) einfallsreich besetzt, die Actionszenen haben Dynamik, Übersicht und viszerale Ultrabrutalität. Nur leider hat man diese Form des Subgenres – Underachiever wird zum Super-/Actionhelden – in Filmen wie Kick-Ass und vor allem Super schon deutlich besser gesehen. Was diese beiden wirklich sehenswerten Streifen American Ultra vor allem voraushaben, ist ein konsistenter Ton und Fokus.

American Ultra – die Geschichte des im Schläfer-Modus vor sich hin kiffenden Kwik-E-Mart-Angestellten und Ex-Superagenten Mike, der eines Tages reaktiviert wird und nun mit ordentlichem Bodycount vor den Häschern der CIA fliehen muss – weiß nicht, was es sein will. Diese krude Mischung aus Clerks, Die Bourne-Identität, Dazed and Confused und The Big Lebowski ist für eine Stoner-Komödie zu unlustig, für einen Verschwörungsthriller zu oberflächlich, für einen knallharten Actionkracher zu larmoyant und für einen gelungenen Coen-Pastiche nicht quirky genug. Hier weiß man schlicht nie, was jetzt wie genau gemeint ist. Schlimm genug, wenn man sich diese Frage überhaupt stellt, doch in der Konsequenz bedeutet das, dass einem hier mehr als einmal das Lachen im Halse stecken bleibt, wenn das Blut besonders grafisch spritzt, während in besonders emotionalen Momenten gar nichts passiert, wenn Charaktere, die eben noch wie Roadrunner und der Coyote durch die Gegend randalierten, sich plötzlich in einer sensiblen linklateresken Charakterstudie wiederfinden. Es passt hier einfach nicht viel zusammen. Die individuellen Momente funktionieren sicherlich, und man kann sich das durchaus ansehen, da gibt’s nun wahrlich Schlechteres. Aber will man das? Warum sich dieser Konfusion aussetzen, wenn es in dem Bereich einfach Besseres gab, gibt und sicher auch geben wird?

American Ultra – ein Film wie Twitter: Da bin ich nicht dabei.

American Ultra (USA/CH 2015) • Regie: Nima Nourizadeh • Darsteller: Jesse Eisenberg, Kristen Stewart, Topher Grace, Connie Britton, Walton Goggins, John Leguizamo, Bill Pullman, Tony Hale. American Ultra ist seit dem 15.10. bei uns im Kino zu sehen.

Bilder: © 2015 Concorde Filmverleih GmbH

Kommentare

Bild des Benutzers Sebastian Pirling

Sehr schön. Da sehe ich mich als Twitterianer (Twit-Boy? Agent Twittereur? Tweetman? Oder gar: Nutzer?) fast dazu aufgefordert, mir diesen Streifen mal anzusehen ...

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