3. September 2020

„Control: AWE“ – Superagentin meets Schriftsteller

Der zweite DLC zu Remedys Action-Adventure im Test

Lesezeit: 4 min.

Da wir bereits vor ein paar Wochen in einer News alle Basisinfos zum DLC geklärt haben, gehen wir jetzt im Test gleich in die Vollen. Wie angekündigt, verknüpft AWE als zweite und leider auch schon finale (kostenpflichtige) Zusatzerweiterung zum letztjährigen Mystery-Hit Control die Abenteuer von Protagonistin Jesse Faden mit der nicht minder skurrilen Welt von Remedys früherem Action-Adventure Alan Wake.

Konkret bedeutet das – nur so viel sei gespoilert -, dass wir mit Jesse in einem weiteren riesigen Kontrakt unter der bereits bekannten Behörde der FBC (deren Leiterin Jesse ja ist) dem vermissten Schriftsteller Wake (oder vielmehr einer Vision von ihm) im paranormalen Oceanview Motel begegnen und daraufhin ein bis dato unbekanntes Monster jagen müssen, das nur mit Licht bekämpft werden kann. Dieses Ungeheuer ist aber nicht irgendwer, sondern wie so oft bei Control liegen die Dinge meist anders als es zunächst scheint. Wakes mehrfach eingespielte Visionen lassen Traum und Realität verschwimmen und deuten letztlich sehr in Richtung in weitere Ereignisse, die sich nun entweder in einem weiteren Ableger von Control oder eben doch in einer ohnehin lang erwarteten Fortsetzung von Alan Wake manifestieren könnten.

Mehr sollte man zur Story der in rund 4 Stunden erledigten Kampagne von AWE (seit dem 27. August für ca. 15 Euro einzeln oder im Paket mit dem ersten DLC The Foundation für PS4, Xbox One und PC digital erhältlich) nicht verraten, denn sie besticht im Grunde ohnehin mit mehr Andeutung als konkretem Plot. Allerdings sei angemerkt, dass man in dieser Hinsicht wesentlich mehr von AWE hat, wenn man sich tatsächlich mit Alan Wake auskennt und es hätte trotz einiger schick inszenierter Visionen etwas mehr Story und Dialog sein dürfen.

Das gilt leider auch für das Setting des DLCs. Während uns der Vorgänger The Foundation in felsige Höhlenlabyrinthe und die Astralwelt entführte, verbleibt AWE vollständig in dunklen Hallen und allseits bekannten Bürokomplex-Abschnitten, die schon das Hauptspiel prägten. Sicher, dank weiterhin grandioser Lichtstimmung und klasse Artdesign, kommt sofort wieder das famose Mystery-Feeling auf, das den Titel zu einem der besten Action-Adventures der jüngeren Zeit avancieren ließ. Man kann sich aber nicht ganz des Eindrucks erwehren, als hätte sich Remedy doch etwas zu sehr auf dem Alan Wake-Faktor ausgeruht und gerade beim Setting an Neuarbeit gespart. Ein echter Abstecher in das mehrfach angesprochene Örtchen Bright Falls, also dem Handlungsort von Alan Wake, wäre z.B. eine feine Sache gewesen. Na, mal sehen, was da in Zukunft eben hoffentlich noch kommt.

Auch am Spielgefühl haben die Macher wenig gerüttelt und so schießen, schweben, telekinesen oder rammen wir uns mit Jesse weiterhin durch Horden von Gegnern in meist riesigen Arealen, wobei permanente Bewegung der sicherere Weg zum Erfolg ist als in spärlicher Deckung zu verweilen. Jesse hält schließlich nicht viel aus und muss sich ihre Lebensenergie durch Abschüsse verdienen, um nicht an einem der großzügig verteilten Speicherpunkte einen Restart anzugehen. Komplett neue Kräfte gibt es leider nicht zu verdienen und an der Waffen- und Modifikationsfront wartet man bis auf einen Granatwerfer mit Haftgranaten auf wirklich Zündendes vergeblich.

Schwung in die Kampagne bringt aber tatsächlich das oben erwähnte Ungetüm, auf das wir mehrfach in Bossfight-Situationen treffen. Wie erwähnt, ist das baumlange Ding nur mit Licht zu schwächen und so gilt es, sich in Lichtkegeln vor den starken, oft nicht vorhersehbaren Attacken zu schützen, weitere Lichtquellen mittels korrekt eingesetzter Energiebehälter zu erschließen und sich dabei nicht von den vielen auf uns einballernden Normalgegnern aus dem Konzept bringen zu lassen. Diese Gefechte können zwar, auch mangels Orientierung, schwierig werden, wer aber bisher mit Control und dessen Härtegrad zurechtkam, wird auch hier mit ein paar Anläufen erfolgreich sein.

Das Licht-Schatten-Prinzip setzt sich auch abseits der Bosskämpfe immer wieder in Szene, sodass es zu unseren Aufgaben gehört, einfache Schalterrätsel zu lösen oder mithilfe von Lampen verfestigte Dunkelheit in den Gebieten aufzustöbern und zu eliminieren. Richtig fordernd ist das nicht, lockert das Geschehen aber ebenso auf wie die teils erneut sehr gelungenen, weil herrlich grotesken Zusatzmissionen. So treffen wir beispielsweise auf einen Gefangenen, dessen Kopf wir suchen sollen oder auf einen Wagon, in dem wir in der richtigen Reihenfolge Gegenstände anklicken müssen, um die Geschichte hinter den Objekten dazu zu erfahren. Gepaart mit dem gewohnt schrulligen, sehr eigenen Sprachsound der Behördenmitarbeiter und natürlich Jesse selbst, sind es gerade diese Zusätze, die den skurrilen Charme auch von AWE ausmachen.

Zu diesen Schrulligkeiten muss man in gewisser Weise erneut die leider sehr monotonen Gesichtsanimationen, die nicht lippensynchronen (deutschen) Sprecher oder die seltsamen Bildverzögerungen nach Betätigung eines Menüs oder der Pausenfunktion zählen. Kurzum: Technisch hat sich weder zum Guten noch zum Schlechten etwas getan, aber das ist bei Control in der Tat weit weniger zu beanstanden als in anderen Spielen – einem Design mit Konzept verzeiht man gerne mehr.

Auch wenn der Mangel an Neuerungen und der Rückgriff auf viel Bewährtes nun an dieser Stelle stark betont wurde, ist AWE aber dennoch alles andere als ein schlechter DLC und unterhält letztlich sehr gut. Der Wake-Faktor macht neugierig und wer sich die Mühe macht, die vielen herumliegenden Texte und Audiofiles zu durchstöbern und Zusatzaufgaben wie etwa auch mehrere Spielautomaten inklusive Horde und weitere Modi zu absolvieren, erlebt mit Jesse sehr vergnügliche Stunden, die uns hoffen lassen, dass es mit Control in irgendeiner Form bitte bald weitergeht.

Fazit

Stimmungsstark und spannend wie eh und je, rundet AWE das Mystery-Erlebnis Control würdig ab. Etwas mehr Frische bei Setting oder Skills hätte dem Ganzen aber durchaus gutgetan.  

Control: AWE (DLC) • Remedy Entertainment • Mystery/Action-Adventure • PS4/Xbox One/PC

Abb. © 505 Games

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