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Das atmosphärische Adventure „RiME“
Trotz der insgesamt nach wie vor recht ungebrochenen Konstanz bestimmter Helden- und Heldinnentypen speziell an der Blockbusterfront, durften wir in den letzten Jahren auch verstärkt mit Kindern als Protagonisten packende Abenteuer erleben. Neben Motiven wie der Adoleszenz oder der Reflexion familialer Konstruktionen, verbinden sich gerade mit Kindern Aspekte der Moral und der Verantwortung, die in Games wie Dishonored oder Bioshock häufig sehr medienspezifisch mit Fragen nach Leben, Tod und Sterben verquickt sind. Titel wie zuletzt The Last Guardian fokussieren dagegen eher Gefühle wie Isolation, Abhängigkeit, Vertrauen und eine scheinbare Hilflosigkeit von Kindern, die anhand der an sie gestellten Aufgaben über sich hinauswachsen müssen, um ihre persönliche Entwicklungsreise erfolgreich abschließen zu können.
Das nun frisch für PC, PS4, Xbox One und Switch erschienene Adventure RiME knüpft mit seinem Protagonisten, einem kleinen Jungen von etwa acht Jahren, ziemlich genau an dieser Traditionslinie an und lässt uns in der Gestalt des Jungen an einem unbekannten Ort aufwachsen. Unsere Aufgabe liegt sofort auf der Hand: einen Weg nach Hause und die Lösung des Rätsels finden, was uns überhaupt auf diese Insel verschlagen hat. Anders als vergleichbare Initiationsmomente in Games, die uns zunächst eher mit einem Gefühl der Furcht konfrontieren, wird die Ausgangssituation inn RiME nicht mit einem Gefühl der Angst assoziiert, sondern eher mit einer Art Aufbruchsstimmung, die uns sofort in das Abenteuer zieht.
Der Aufbau des Gameplays erinnert dabei sofort an große Vorbilder wie Shadow of the Colossus oder The Last Guardian. Das bedeutet, dass wir uns mit unserem Avatar auf die Reise durch ein zunächst unübersichtlich großes Land begeben und dabei vor allem unserem Entdeckerdrang weitgehend freien Lauf lassen dürfen. Die Steuerung fällt passenderweise sehr reduziert aus, da wir kein hochgerüsteter Krieger mit viel Ausrüstung sind; selbiges gilt auch für den Rest des Gameplays, das sich auf Rätsel und einige Konfrontationen mit unbekannten Wesen beschränkt.
Beides wird nicht wirklich zum Stolperstein, da die Begegnungen mit den Feinden keine Kämpfe bzw. nur ein wenig Ausweichgeschick oder den Einsatz von Ablenkungen erfordern und wir selbst nach dem Ableben kurz darauf wieder unmittelbar vor der jeweiligen Situation ins Leben gerufen werden. Frust kann folglich kaum aufkommen, obwohl man sich bei mancher Konfrontation durchaus darüber wundern darf, ob sie nicht temporär eine unnötige Hektik in die gediegene Grundstimmung einsprengt, ohne das es der Gesamtdramatik wichtige Impulse verleiht. Das einfach gehaltene Gameplay spiegelt sich auch bei häufig in Adventures sensiblen Mechaniken wie der Routenfindung wider, da uns RiME schon nach kurzer Zeit einen kleinen Fuchs als Begleiter an die Hand gibt, der uns im Notfall darauf aufmerksam macht, wo wir uns in der trotz aller vorgegaukelten Verzweigtheit ziemlich linear aufgebauten Welt als nächstes hinzubegeben hätten.
Mehr Schein als Sein trifft auch auf die Rätsel zu, die oft schon aufgrund der inszenierten Größe der Areale schwieriger aussehen als sie tatsächlich sind. Die Einlagen dürften genreerfahrene Spieler bei aller zugestandenen Kreativität der Lösungswege nie überfordern, da es sich meistens um simple Schiebe- und Schalteranordnungen handelt, die mit ein wenig Denkvermögen und Geschick schnell gelöst sind. Ganz klar: Das Gameplay soll kein echtes Hindernis auf unserer Tour darstellen, obwohl RiME auch nicht als reinrassiger Walking Simulator daherkommt, der ohne genuin spielerische Schwerpunkte auskommt. Intuitiv von der Hand gehende Fähigkeiten wie Klettern, Schwimmen oder Laufen sind essentieller Bestandteil des Gameplays und sorgen trotz des eher leichten Schwierigkeitsgrades für ein befriedigendes Spielerlebnis bei all denen, die das Meistern von Herausforderungen auch in primär von der Atmosphäre und einer abstrakten Story getragenen Games nicht missen möchten.
Als größter Anreiz stellt sich dagegen die in einem stimmigen Cel-Shading-Look präsentierte Spielwelt inklusive einem sich anpassenden Orchestersoundtrack heraus. Die einzelnen Areale strotzen vor wunderschönen Licht- wie Farbeffekten, um die sehr abwechslungsreichen Areale zu Wasser, zu Lande oder auch zu Berge optimal in Szene zu setzen. Gerade weil sich immer wieder leicht surreale Elemente einschleichen, bieten die gut 6-7 Stunden Spielzeit immer wieder Überraschungen. Wer zum Beispiel nur tierische Gegner erwartet, wird sich bald eines Besseren belehrt wissen. Gesprochen wird aber schon aufgrund des sehr abstrakt gehaltenen Ansatzes nicht, obwohl wir über einen Aspekt sogar besonders überrascht waren, da das Finale (verglichen mit den genannten Vorbildern) eine ziemlich eindeutige „Lösung“ anbietet.
Bei genauerer Betrachtung könnte man aber die Konzeption der Spielwelt zumindest in einem Ansatz hinterfragen, da die gestellten Aufgaben zwar, wie gesagt, an sich einfach sind, aber die Rätsel nicht immer völlig nachvollziehbar in die Welt und den Ablauf eingefügt wurden. Um so manche Sinnlücke zu füllen, ist dann doch wieder einiges an Abstraktionsvermögen nötig. Nach dem bisher Gesagten wirkt eine andere Konsequenz allerdings fast logisch: mehrmaliges Durchspielen verspricht übrigens leider wenig Extramotivation, da es bis ein paar sammelbare Gegenstände abseits des eigentlichen Weges kaum etwas zu Entdecken gibt.
Fazit
Ein Kind auf epischer Reise. So bekannt das Prinzip, überzeugt RiME dennoch mithilfe seines Stils, seines Explorationansatzes als auch aufgrund seines Themas als ein Adventure, das schon nach wenigen Minuten seine Faszination entfaltet. Ganz im Stile der unverkennbaren Vorbilder von Fumito Ueda das Adventure alle Entdecker in seinen Bann, die sich für 1-2 Abende ganz in eine mysteriöse Spielwelt einnisten möchten, um mithilfe des kleinen Jungen Geheimnisse zu lüften und sich von der Atmosphäre mitreißen zu lassen. Auf dieser Ebene funktioniert das auf Rätsel und Exploration ausgerichtete Adventure ausgezeichnet, während alle Zocker, die eher nach echten spielerischen Herausforderungen verlangen, mit RiME weniger anfangen können. Ein Titel, der vielleicht nicht so lange nachhallt wie ein „echter Ueda“; aber das hat RiME auch nicht unbedingt nötig.
RiME • Tequila Works/Grey Box • Adventure
Abb. © Tequila Works/Grey Box
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