16. Juli 2014

Pixel-Liebesbrief

Von einem sich bewegenden Bildpunkt zur Multimilliarden-Industrie: „Video Games: The Movie“

Lesezeit: 3 min.

Wer hätte 1972, als der Spielhallen-Automat Atari Pong auf den Markt kam, erwartet, dass sich aus diesem einen bewegenden Lichtpunkt und den beiden (mit sehr viel Fantasie erkennbaren!) „Tennisschlägern“ in Balkenform einmal eine milliardenschwere Branche wird, die sogar nach der Krone Hollywoods greift?

Wenn wir ehrlich sind, sicher niemand, aber wie es dazu kam und was genau dahinter steckt, zeigt der neueste Dokumentarfilm Video Games: The Movie von Jeremy Snead, produziert von niemand anderem als Regisseur-/Schauspieler-/Autor-Allrounder Zach Braff, den Meisten wohl besser bekannt als angehender Arzt John „J.D.“ Dorian der Dramödie Scrubs – Die Anfänger.

Gepriesen als die erste Dokumentation über die Videospiel-Industrie und ihrer eigens daraus erwachsenen Kultur in Spielfilmlänge, entstand der am 15. Juli weltweit veröffentlichte Streifen durch eine Kickstarter-Kampagne, die weit über ihr ursprüngliches Ziel von 60.000 Dollar hinausschoss. Quasi einer Lebenslinie entlang wandernd werden die Ursprünge der Industrie und ihre jeweiligen Meilensteine beleuchtet. Bespickt wird das Ganze mit Kommentaren, Geschichten und Anekdoten von zahlreichen Größen der Gaming-Branche – von Gears Of War-Erfinder und Co-Produzent Cliff Bleszinski bis hin zu Tagträumer Peter Molyneux (Spielserie Fable) und Reginald Fils-Aimé, dem Präsidenten von Nintendo of America. Und dank eines der sogenannten Strech-Goals von Kickstarter wird das Ganze auch noch besonnen von Hobby-Hobbit Sean Astin narratiert.

Die Dokumentation ist ein reiner Liebesbrief an das Gamer-Wesen und gewährt – neben den vielen umstrittenen Ursprüngen des Videospiel-Daseins – auch liebevolle Einblicke in die Entwicklung jener Spiele, die Zukunft des Gewerbes und auch deren Gemeinde als Ganzes. Wer wusste denn schon, dass Nintendo – zwecks Marketings – 1985 zum Launch des NES (Kurz für: Nintendo Entertainment System) einen eigenen kurzlebigen Roboter mit Namen R.O.B. (Robotic Operating Buddy) jeder Konsole beipackte? Im Herzen mögen wohl die Videospiel-Vernarrten der Ursprung des Lichtspiels sein, die Kernzielgruppe besteht jedoch quasi aus dem ganzen Rest. So entstand der Film mit der Absicht, den öffentlichen Leiden und Anprangerungen, denen diese eben heißumstrittene Branche ausgesetzt ist, Einhalt zu gebieten, diese dem gewillten Zuschauer näher zu bringen und die wunderbaren und fantastischen Seiten aufzuzeigen. Aber auch das nie abschwellende Thema der Gewalt in Videospielen wird – leider etwas zu kurz – thematisiert.

Abseits dem vielen Hintergrundwissen, dem gekonnten Einsatz lizensierter Musikstücke von den Jackson 5 bis hin zu modernem Synthpop sowie des vielen lizensierten Bildmaterials sind Jeremy Snead jedoch auch ein paar Dinge anzukreiden: Für den Versuch, ein solch gigantisches Phänomen, was die Videospiel-Branche heute nun einmal ist, darzustellen, werden bis auf Hideo Kojima, dem Erfinder der Reihe Metal Gear Solid, keine weiteren japanischen Entwickler oder Konsorten zu Rate gezogen – und das trotz der beachtlichen Länge von 101 Minuten. In Anbetracht dessen, dass der japanische Produzent Nintendo, und Mario-Erfinder Shigeru Miyamoto im Besonderen, quasi die gesamte Videospiel-Gemeinde vor dem Untergang bewahrt haben, ist es ein gewaltiger Jammer, dass fast (dank Hideo Kojima eben nur fast!) ausschließlich westliche Entwickler und Studiobosse zu Wort kommen. Mit einigen Vertretern des asiatischen Raumes hätte Herr Snead seinem Werk eindeutig mehr Tiefe und Eindruck verliehen. Ebenso leer geht der japanische Riese Sony aus, der praktisch nur durch das hausinterne, amerikabasierte Entwicklerstudio Naughty Dog (die kreativen Köpfe hinter dem hochgelobten Spiel The Last Of Us) in der Dokumentation vertreten ist. Bei einem Co-Produzenten wie Cliff Bleszinsky, der sich eindeutig Microsoft zugehörig fühlt, ist dies aber wohl nicht allzu überraschend. Ein Blick lohnt sich aber allemal – gerade für Menschen, die hiermit Neuland betreten.

„Video Games: The Movie“ gibt es auf der Seite videogamesthemovie seit dem 15. Juli als Download und Stream mit deutschen Untertiteln zu kaufen. Außerdem auf iTunes und als VOD.

Video Games: The Movie • USA 2014 • Regie: Jeremy Snead • Mit: Sean Astin, Zach Braff, Cliff Bleszinski, Nolan Bushnell

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