2. Oktober 2021 2 Likes

„Psychonauts 2“: Agenten auf Gehirnmission

Die Fortsetzung des charmanten Psychotrips begeistert auf ganzer Linie

Lesezeit: 5 min.

Eigentlich kurios, dass es tatsächlich geklappt hat. Ganze 16 Jahre mussten wir nämlich auf eine Fortsetzung des comichaften Action-Adventures Psychonauts warten (wir berichteten), obwohl sich der Titel über die Jahre einer konstanten Fanbase erfreuen durfte und 2016 Millionen Dollar via Crowdfunding-Kampagne in die Kassen der Macher von Double Fine spülen konnte. Ende August hatte das Warten aber endlich ein Ende und was soll man sagen? Es hat sich definitiv gelohnt! Zumindest dann, wenn man mit den richtigen Erwartungen das für jede Altersklasse geeignete Abenteuer beginnt und ein Fan von Genrekollegen wie etwa Ratchet&Clank (hier nochmal unser Test zum jüngsten PS5-Ableger) oder der leider schon etwas älteren Sly Cooper-Reihe ist (letzteres hätte auch endlich eine Fortsetzung verdient!).

Trotz der epischen Wartezeit schließt Psychonauts 2, das zum Vollpreis für PS4, Xbox One und PC erhältlich ist, mithilfe eines humorvollen Introclips nahtlos an die Ereignisse des Vorgängers an und stellt alten Hasen wie Neulingen nochmal Protagonist Raz (eigentlich Razputin) vor, dessen größter Kindheitstraum es schon immer war, in die Agententruppe der Psychonauten aufgenommen zu werden. Diesem Ziel schien der immer noch kindliche Held mit Faible für Comics eigentlich schon nahe, doch nach einem angenehm ausführlichen Einstiegslevel müssen wir uns mit Raz in der Kommandozentrale der Agenten erstmal mit der Rolle des Praktikanten abfinden – Unterricht und zunächst fiese Klassenkameraden inklusive. Der naiv freundliche Raz muss allerdings, gemeinsam mit seinen neuen (Fast-)Kollegen, herausfinden, dass sich offenbar in die Reihen der Psychonauten ein Maulwurf eingeschlichen hat und es verdichten sich dazu die Anzeichen einer möglichen Rückkehr eines alten Feindes, den Fans des Erstlings nur allzu gut in Erinnerung haben dürften.

Dieses Unheil gilt es zu verhindern und so begibt sich Raz auf eine rund 20-stündige Storykampagne mit vielen abwechslungsreichen Gebieten, liebevoll gezeichneten wie skurrilen Charakteren und einer zwar nicht wirklich überraschenden, aber dank vieler witziger Ideen einfach nur grandios charmanten Geschichte. Am ehesten lässt sich das Storytelling mit Filmen aus dem Hause Pixar vergleichen, sodass zwar Klischees nicht ausbleiben, diese jedoch stets augenzwinkernd behandelt werden.

Das gilt vor allem beim Umgang mit dem, was die Psychonauten ausmacht, nämlich das Eindringen in die Gedankenwelt von Personen zu deren Manipulation. So geht es zu Beginn bereits in die bizarre Gedankenwelt eines verrückten Zahnarztes, die nicht nur beim Design und den Feinden komplett von seiner Profession bestimmt wird. Ohne generell zu viel zu verraten, da das Spiel viel Reiz aus seinen Welten zieht: Psychonauts 2 gibt nicht nur hier psychischen Krankheiten ein buchstäblich spielerisches Antlitz (Stichwort entsprechende Endgegner wie einer riesigen Casino-Krake, die u.a. mit Spielkarten angreift), driftet aber nie in wirklich ernste Bereiche ab und verliert ebenso wenig den Respekt vor den mentalen Krankheiten vieler Menschen. Wohlwollend könnte man gar konstatieren, dass es den Machern gelingt, gerade jungen Menschen näherzubringen, wie wichtig geistige Gesundheit eigentlich ist.

Abseits dieses Feingefühls ist es einfach eine Freude zu sehen, wie kreativ die Macher mit jedem ihrer Konzepte umgegangen sind, sich lineare, mit etwas freieren (Hub-)Gebieten abwechseln und alle Figuren um Raz einem schnell ans Herz wachsen. Egal ob unsere Klassenkameraden, die Agenten, die Familie von Raz oder so manch alter Bekannter aus Teil 1, sie alle erobern jedes Spielerherz mit ihren kleinen Macken und liebevollen Eigenheiten, die auch die sehr gute (englische) Vertonung plus stimmiger (deutscher) Untertitel bestens zur Geltung bringt. Das ist einfach Familienunterhaltung allererster Güte!

Spielerisch gestaltet sich das Abenteuer meist so, dass wir mit Raz aus der Third-Person-Sicht unterwegs sind und zunehmend anspruchsvollere Parcours überwinden müssen. Dabei verwendet Raz Spezialfähigkeiten wie das Verschießen eines Feuerballs, Telekinese, das Balancieren auf einer Energiekugel, einen Psi-Schlag oder die Fähigkeit zur mentalen Verbindung, die wir alle via Menü jederzeit auf vier Buttons zur Schnellauswahl verteilen können, um für jede Situation die richtigen Fähigkeiten griffbereit zu haben. Mag der Einsatz der vielen Fähigkeiten etwas Einarbeitung erfordern, so gehen sie allesamt nach einiger Zeit (wie die gesamte Steuerung, also ebenso der Menüs) tadellos von der Hand und erlauben uns auch in den regelmäßigen Gefechten gegen Feinde wie beispielsweise die putzigen Gedankenzensoren mit ihren Stempeln optimale Gegenwehr.

Es wird aber nicht nur gehüpft, ausgewichen, geklettert oder gekämpft. Zu den Aufgaben unseres Psychonauten in spe gehört es etwa, die Gedanken von Personen, in deren Hirn er sich herumtreibt zu verändern und dafür etwa mittels entsprechender Fähigkeit verschiedene Begriffe wie Angst, Geld, Risiko oder Weisheit so miteinander zu verbinden, dass sich – wie bei einer Art Satzverbindung – ein neuer Sinn ergibt. Aufgelockert wird all das durch zahlreiche kreative Minispiele, deren Design immer wieder überrascht und zum Schmunzeln einlädt.

Sammelfans freuen sich dazu über Gegenstände, die in den (auch nachträglich besuchbaren) Gebieten versteckt sind und die es uns erlauben, unsere Skills nach eigenem Gusto weiterzuentwickeln oder Items wie Energieauffrischer zu kaufen. Der Schwierigkeitsgrad hält sich dabei stets in einem machbaren Bereich. Allerdings fallen zumindest einige Hüpf- und Actionpassagen im späteren Verlauf durchaus kniffliger aus, wobei äußerst faire Rücksetzpunkte (meist direkt am Ort des jeweiligen Missgeschicks) Frust verhindern. Das gilt im Besonderen für die Bosskämpfe, die sich mit der richtigen, gut auskuckbaren Taktik alle ohne allzu viel Stress bewältigen lassen. Wer aber wirklich gar keine Lust auf Herausforderungen hat, kann sich sogar mittels umfassender Einstellungsoptionen unbesiegbar machen oder den Fallschaden durch Abgründe regulieren.

Technisch gab es bei uns (wir spielten auf PS4) nichts zu beanstanden. Sowohl die Ladezeiten als die weitere Performance fielen makellos aus, obgleich man natürlich hinzufügen muss, dass Psychonauts 2 gerade in Sachen Texturen und Detailgrad nun wirklich nicht in der aktuellen Grafikliga spielt. Dies anzunehmen, wäre aber – neben der Erwartung eines modernerem Gameplays – genau eine der ungünstigen Voraussetzungen, vor denen wir zu Beginn dieses Tests gewarnt haben. Psychonauts 2 ist spielerisch eben eher eine Hommage an Action-Adventures mit starkem Jump&Run-Einschlag und zieht seine Qualität daraus, alle seine Facetten zwischen Action, Erkunden, Sammeln, Story und kleineren Rätseln über die gesamte Spielzeit interessant und witzig zu halten. Schon allein Details wie das Design von Raz, wenn er sich etwa ins Gehirn einer Maus einklinkt und wir ihn mit deren Augen sehen, sind die Anschaffung dieses herrlich nostalgischen Titels komplett wert.

Fazit

Ein durchwegs kreatives Action-Adventure mit Humor und Spielwitz, das in jeder Hinsicht das Herz am rechten Fleck hat.

Psychonauts 2 • Double Fine Productions • Action-Adventures • PS4/Xbox One/PC

Abb. © Xbox Game Studios

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