„Mensch+“

von Frederik Pohl

Die Faszination für den Planeten Mars in der Science Fiction ist ungebrochen und zieht sich von H. G. Wells über Ray Bradbury bis hin zu Georg Klein und Andy Weir. Eines der ungewöhnlichsten und besten Werke aus diesem Themenkreis wurde soeben als E-Book neu veröffentlicht: Frederik Pohls humanistischer Roman „Mensch+“ (im Shop), in dem ein Cyborg den Sprung zum Nachbarplaneten schafft – aber dafür seine Menschlichkeit weitgehend hinter sich lassen muss.

Roger Torroway ist bereits ein Held, bevor er auf dem Mars ankommt. Als eine russische Merkur-Mission steuerlos auf die Erde zustürzte, konnte er sie kurz vor dem Verglühen stabilisieren und die Besatzung retten. Doch das ist schon einige Jahre her, und nun geht es ihm so wie vielen in seiner Position: Er ist übertrainiert, unterbeschäftigt und ziemlich unzufrieden mit den weiteren Aussichten – beruflich wie privat, denn auch seine Ehe mit der schönen Dorrie hat schon bessere Zeiten gesehen.

Doch dann passiert bei der Vorbereitung der ersten bemannten Mars-Mission ein folgenschwerer Unfall. Torroway, der eigentlich bloß als Ersatz vorgesehen ist, rutscht plötzlich in die Rolle des ersten Menschen, der für ein Leben auf dem roten Planeten vorbereitet wird. Aber es geht um mehr als eine wissenschaftliche Exkursion. Der Globus wird von etlichen Krisen geschüttelt, die sich nicht in den Griff bekommen lassen, weshalb Prognosen von einer ernsthaften Gefährdung der Menschheit ausgehen. US-Präsident Fitz-James Deshantine sieht daher nur eine Lösung: eine dauerhafte Kolonie auf dem roten Planeten, in deren Mittelpunkt ein Mensch steht, dessen Körper an marsianische Verhältnisse angepasst wurde.

Torroway lässt sich auf das Verfahren ein – und wird buchstäblich in Stücke geschnitten. Zahlreiche Körperteile werden durch leistungsfähigere Alternativen ersetzt. Neue Augen, künstliche Haut und flügelähnliche Transplantate zur Energiegewinnung aus Sonnenlicht machen ihn einerseits zu einem Monstrum, andererseits zu einem überlegenen Lebewesen, das über erstaunliche Kräfte verfügt. Doch die Entwicklung fördert auch einen unheilvollen Isolationsprozess. Die Beziehung zu Dorrie leidet, zumal sich die lebenslustige Frau auf eine Affäre mit einem von Torroways Arbeitskollegen eingelassen hat. Noch demoralisierender für den Astronauten ist, dass er chirurgisch seiner Männlichkeit beraubt wird, da diese auf dem Mars nur im Weg wäre. Torroway stürzt in eine tiefe Krise. Und merkt nicht, wie seine Identität von Tag zu Tag schwindet.

Frederik Pohl (1919–2013) hat sich in die Geschichte der Science Fiction mit einigen glänzenden Erzählungen und drei Spitzenromanen eingeschrieben. In „Eine Handvoll Venus und ehrbare Kaufleute“ (zusammen mit Cyril M. Kornbluth, im Shop) sind Menschen nur noch Konsumenten, die von Werbeagenturen und Konzernen rabiat drangsaliert werden, während die „Gateway-Trilogie“ (im Shop) von dem ungewöhnlichen Artefakt einer außerirdischen Kultur handelt, das der Menschheit den Flug zu den Sternen ermöglicht – allerdings mit hohem Risiko. „Mensch+“ schließlich, erstmals 1976 veröffentlicht und im selben Jahr mit dem renommierten Nebula Award ausgezeichnet, beschreibt ein Individuum, das sich in einer globalen Krisensituation politisch und medizinisch manipulieren lässt, um ein als „alternativlos“ begriffenes Ziel zu erfüllen. Konsequenzen spielen dabei keine Rolle. Dass bei dem Umwandlungsprozess zur Rettung der Gattung nicht mehr viel von Torroways Menschlichkeit übrigbleibt, macht die hintergründige Ironie des Romans aus, der sich insgesamt weit mehr für die stückweise Entfremdung seiner Hauptfigur von sich selbst als für eine Abenteuergeschichte interessiert.

Doch auch wenn der Mars bei Pohl letztlich als Chiffre genutzt wird, hat er die Landung auf dem roten Planeten überzeugend und realistisch gestaltet. Und natürlich gerät Torroway bei dem Versuch, sich in der ungewohnten Umgebung zurechtzufinden, noch einmal in Gefahr, deren Ursache bezeichnenderweise von seiner Umwandlung herrührt. Dass am Ende von „Mensch+“ zudem eine kluge Pointe steht, die selbst die Manipulateure zumindest teilweise zu Manipulierten macht, versteht sich bei einem systemkritischen Roman wie diesem fast von selbst.

 

Frederik Pohl

Mensch +

Die Grenze der Menschlichkeit

Die Menschheit steht kurz davor, sich in einem globalen Krieg zu vernichten – und die Erde mit den Abgrund zu reißen. Einzige Hoffnung auf das Überleben der Menschheit ist das Marskolonisten-Programm. Aber um auf dem unwirtlichen Nachbarplaneten ohne Hilfsmittel zu überleben, müssen die ersten Siedler auf wesentliche Teile ihres Menschseins verzichten. Roger Torroway ist das erste erfolgreiche Produkt des Mensch +-Programms: Von Medizinern seiner Männlichkeit beraubt und ausgestattet mit einer ganzen Reihe neuer Sinnesorgane hat er äußerlich nur noch wenig mit seinen Mitmenschen gemein. Aber innerlich ist er nach wie vor ein Mann – und genau hier liegt sein Dilemma …

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