19. September 2018

Wir sind nicht allein

Eine Leseprobe aus Nicholas Sansbury Smiths spektakulärem Invasionsabenteuer „Orbs“

Lesezeit: 12 min.

Wir schreiben das Jahr 2061, und die Erde ist langsam aber sicher zu einem unbewohnbaren Planeten geworden. Die letzte Hoffnung der Menschheit liegt in der Übersiedelung auf den Mars. In Vorbereitung auf die Mission lässt sich die Wissenschaftlerin Sophie Winston mit ihrem Team in ein Biosphären-Habitat in den Rocky Mountains einschließen. Als sich die Türen des Habitats jedoch wieder öffnen, erwartet Sophie und ihr Team eine böse Überraschung.

 

Unheimliche Aliens, eine großartige Heldin und ein atemberaubendes Abenteuer – Nicholas Sansbury Smith hat mit seinem Invasionsroman „Orbs“ (im Shop) ein Science-Fiction-Epos geschrieben, das sich kein Independence Day-Fan entgehen lassen sollte. Der Roman ist seit dem 10.09.2018 im Handel erhältlich, und für Neugierige gibt es hier das erste Kapitel zum Reinschmökern.

 

1

JAHR: 2061

ORT: Irgendwo über dem Ödland von Colorado

 

Sophie erwachte vom Dröhnen der Rotorblätter. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und reckte den Hals, um aus dem ovalen Fenster zu sehen. Während sie die Dünen und das endlose sandige Ödland betrachtete, wich die Müdigkeit allmählich von ihr. Wenn die Landschaft nicht von hellbraunen Farbtönen beherrscht worden wäre, hätte sie gedacht, sie flöge über das Meer.

»Wie weit draußen sind wir?«, rief sie durch den Lärm der Rotoren.

»Wir brauchen noch mindestens eine Stunde bis zur Anlage. Sie sollten weiterschlafen, Ma’am; die Landschaft verändert sich in nächster Zeit nicht«, sagte der Pilot, ohne den Blick von den Instrumenten zu wenden.

Sophie hatte keine Ahnung, wo sich die Anlage befand, und sie würde sicher nicht danach fragen. Sie band ihr langes, blondes Haar zu einem Pferdeschwanz, bevor sie ihr Headset zurechtrückte. Bei den zunehmenden Turbulenzen und den Vibrationen der Rotorblätter konnte sie unmöglich wieder einschlafen.

Sie lehnte sich auf dem Sitz zurück und konzentrierte sich auf den Ausblick. Die Dünen erstreckten sich bis ans Ende ihres Blickfelds, und ein purpurroter Horizont zerschnitt das Panorama in zwei Hälften. Sie kniff die Augen zusammen und stellte sich vor, sie sähe durch das dicke Glas eines Visiers auf die raue Landschaft des Mars. Es war eine Fantasie, der sie sich täglich hingab. Sie war verstörend realistisch, so klar, dass sie manchmal am liebsten die Hand ausgestreckt hätte, um den Sand des Roten Planeten zu berühren.

Sophie blinzelte und kehrte in die Wirklichkeit zurück. Sie war noch immer auf der Erde, wo bei den Sonnenstürmen von 2055 mehr als 15 Prozent der Oberfläche versengt worden waren. Wegen der Strahlung waren die betroffenen Gebiete seitdem unbewohnbar. Wissenschaftler hatten jahrelang behauptet, ein Sonnensturm könne keine Zerstörungen solchen Ausmaßes anrichten, und ein koronaler Massenauswurf könne die Erdatmosphäre nicht durchdringen. Aber irgendetwas war bei den Stürmen von 2055 anders gewesen – unnatürlich. Jetzt starb der Planet, und die Wissenschaft konnte nichts dagegen ausrichten.

Nicht dass es nicht versucht worden wäre. Jahrzehntelang war China weltweit führend bei der Ausbeutung der Erde nach Edelmetallen gewesen. Nachdem internationale Gespräche gescheitert waren, hatte New Tech Corporation, die mächtigste private Wissenschafts- und Sicherheitsfirma, die Angelegenheit selbst in die Hand genommen. Sie heuerte heimlich Söldner an, um fünf Elektromagnetische Puls-Waffen an strategischen Orten im Land auszulösen. Chinas Hunger nach Ressourcen wurde unverzüglich gestillt, indem man das Land zurück in die Steinzeit schickte.

Leider hatten die EMPs das Unvermeidliche nur hinausgezögert. Die Weltuntergangsuhr tickte immer noch, und die Zeit der Menschheit auf der Erde ging dem Ende entgegen. Deshalb versammelten sich die Mächtigen hinter verschlossenen Türen, wie sie es immer getan hatten, und beschlossen für die Massen, dass es Zeit war, ein Schiff zu besteigen. Die Menschheit befand sich offiziell auf dem Weg ins All, und diese Mission wurde von niemand anderem als New Tech Corporation angeführt.

Sophie hätte lügen und ihrem Team sagen können, sie sei überrascht, dass sie für die erste Phase der Versuchsmission ausgewählt worden waren, aber niemand hätte ihr geglaubt. Das war nicht der erste Auftrag, den NTC ihnen gegeben hatte. Vor zwei Jahren waren sie über einen Monat lang in einer Unterwasser-Biosphäre vor der Küste Puerto Ricos eingeschlossen gewesen. Die gesammelten Daten waren von dem Technik- und Wissenschaftsgiganten dazu verwendet worden, ein bemanntes Unterwasserfahrzeug zu konstruieren, das bei einer Europa-Mission zum Einsatz kommen sollte.

Sie waren das beste Team aus der Privatwirtschaft auf der ganzen Welt; sechs Monate in einer Biosphäre tief in irgendeinem Berg sollten kein Problem darstellen. Aber Sophie konnte nicht bestreiten, dass sie ein wenig eingerostet waren. Seit Puerto Rico hatten sie nicht mehr zusammengearbeitet. Nach dem Erfolg des Projekts hatten alle unter ihrem Kommando Angebote von Technikfirmen überall erhalten und schnell neue Arbeit gefunden.

Sophie vertrieb ihre Bedenken mit einem langen Schnaufen. Schon bald würde sie ihr Team treffen, und wahrscheinlich hätten sie sich schon nach wenigen Tagen wieder aufeinander eingestellt.

Plötzlich rauschte ihr Headset, und eine laute Stimme ertönte. Sophies Fingernägel kratzten über das kalte Metall, als sie die Armlehnen umklammerte.

»Halo eins, hier spricht Black Echo, bitte kommen. Over.«

»Black Echo, hier Halo eins, ich höre. Over.«

»Halo eins, ein heftiger Sandsturm zieht in Ihre Richtung. Over.«

»Verstanden.«

Sophie beobachtete den Piloten, während sie versuchte, ruhig zu atmen. Sie hasste es zu fliegen, vor allem mit dem Hubschrauber. Angesichts der ständigen Wetterumschwünge im Ödland gab es keine sicheren Reisen. Sandstürme bildeten sich wie aus dem Nichts und verursachten zahlreiche Abstürze. Viele Besatzungen wurden nie gefunden, wahrscheinlich weil sie unter dem Sand und Staub, die ihr Schicksal besiegelt hatten, begraben lagen.

Sie wollte nicht so enden. Nicht jetzt. Sie hatte zu hart gearbeitet, um sich von einem Sandsturm von ihrer Bestimmung abbringen zu lassen. Sie hatte eine Mission.

Erschrocken löste sie ihren Sicherheitsgurt, kletterte ins Cockpit und ließ sich auf den leeren Kopilotensitz fallen.

»Was machen Sie da, Ma’am?«

»Sie brauchen einen Kopiloten, wenn Sie dem Sturm ausweichen wollen. Und da ich hier sonst niemanden sehe, bin ich das wohl.«

Die Datenbrille des Piloten strahlte ein rotes Glühen aus, während er überlegte. Statt mit ihr zu streiten, fragte er: »Können Sie ein Radar lesen?«

Sophie biss sich auf die Lippe und betrachtete die Instrumente. »Das krieg ich schon hin, Captain«, sagte sie zuversichtlich.

Der Pilot begegnete ihrem Lächeln mit einem listigen Grinsen. »Wenn Sie es sagen, Ma’am. Behalten Sie einfach den Bildschirm im Auge.« Er zeigte auf ein transparentes Hologramm der Landschaft. »Sehen Sie das Echozeichen am Rand, das direkt auf uns zukommt?« Sie sah auf das Hologramm und nickte. »Das ist der Sandsturm und anscheinend ein großer. Wenn wir auch nur in die Nähe kommen, sind wir erledigt. Sie sollten sich lieber anschnallen.«

Sophie griff nach dem Gurt und warf dem Piloten einen kurzen Blick zu. »Ich muss zur Anlage, Captain. Ein Absturz kommt nicht infrage. Betrachten Sie das als Befehl.« Sie wusste, dass es ihr nicht zustand, einem NTC-Soldaten Befehle zu erteilen, aber sie dachte, ihre Forschheit könne ihn motivieren, ein wenig schneller und sicherer zu fliegen. Sie beobachtete, wie sich das Grinsen auf seinem Gesicht auflöste, als der Pilot über Funk sprach.

»Black Echo, hier spricht Halo eins. Bitte kommen. Over.«

Statisches Rauschen drang aus dem Funkgerät. Der Pilot fluchte leise, bevor er das Mikro erneut zum Mund hob. Sophie sah, wie sich seine Lippen beim Sprechen verzogen. »Black Echo, hier Halo eins. Bitte kommen. Over.«

Es folgte ein weiteres Knistern. Er knallte das Mikro zurück auf das Armaturenbrett. »Offenbar hat der Sturm die Funkverbindung unterbrochen. Wir sind auf uns gestellt.«

»Dann sollten Sie sich konzentrieren, Captain«, entgegnete Sophie.

Sie wandte sich dem rot blinkenden Punkt auf dem Bildschirm zu. Mit dem Zeigefinger vergrößerte sie die Ansicht, dann überschlug sie die Entfernung.

»Da vorne«, sagte der Pilot unvermittelt.

Durch das Panzerglas sah sie am Horizont eine braune Wolke wirbeln, die langsam den purpurroten Sonnenuntergang verschluckte. Bei dem Anblick lief ihr ein Schauder über den Rücken.

Der Pilot warf ihr einen Blick zu. »Ich hoffe, Ihr Gurt sitzt straff, Ma’am.«

Sophie ließ den Sturm nicht aus den Augen. »Bringen Sie uns einfach sicher zur Anlage. Eine Menge Leute hoffen, dass ich unbeschadet ankomme.«

Der Pilot grinste erneut, und seine Lippen zuckten, als wollte er etwas entgegnen, aber dann wandte er sich mit seiner rot leuchtenden Brille dem Sturm zu. Er packte fest den Steuerknüppel und zitterte vor Anstrengung, als er versuchte, ihn ruhig zu halten.

»Können Sie über den Sturm hinwegfliegen?«, fragte Sophie besorgt.

»Unmöglich, Ma’am. Unsere einzige Chance ist auszuweichen, aber es sieht nicht so aus, als würden wir das schaffen.«

»Irgendwas müssen wir doch machen können. Warum drehen wir nicht um?«

Der Pilot löste kurz den Blick von dem näher kommenden Sturm. »Ma’am, der Sturm schießt mit über fünfhundert Stundenkilometern auf uns zu. Selbst wenn wir es versuchen würden, könnten wir ihm nicht entkommen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als mittendurch zu fliegen und zu versuchen, ihn zu überstehen.«

Sophie starrte nach vorn und beobachtete, wie die braunen Partikel auf sie zurasten. Sie blinzelte, als die ersten Sand- und Staubpartikel gegen die gepanzerte Windschutzscheibe schlugen.

Ich bin nicht von so weit hergekommen, um in einem verdammten Sandsturm zu sterben, dachte sie und zog den Gurt vor ihrer Brust straff.

Bevor sie einen weiteren Gedanken fassen konnte, hatte der Sturm sie erreicht und wirbelte Staub und Sand von allen Seiten gegen den Hubschrauber. Das Klirren von aufschlagenden Steinen hallte durch das Innere ihres metallenen Grabs. Die Blätter ächzten protestierend, als der Rotor sie mühsam durch den Wind trieb.

»Festhalten«, brüllte der Pilot. Er riss am Steuerknüppel und beförderte den Hubschrauber weiter ins Innere des Sturms.

Sophie schrie auf, als ein Stein von der Größe eines Baseballs gegen die Windschutzscheibe knallte und sich ein Spinnennetz aus Rissen ausbreitete.

»Die hält«, sagte der Pilot wenig überzeugend. »Die Scheibe wurde konstruiert, um einem Geschoss vom Kaliber fünfzig aus kurzer Distanz standzuhalten.«

»Hoffentlich haben die Ingenieure gute Arbeit geleistet.«

Sophie traute vielen Ingenieuren nicht, vor allem denen nicht, die ihren Lebensunterhalt damit verdienten, Produkte für den Krieg zu testen. Sie wusste besser als alle anderen, dass Werkstücke unter Laborbedingungen oft gänzlich anderen Belastungen standhielten als im echten Leben. Firmen wie NTC verdienten jedes Jahr Milliarden mit der Entwicklung von mangelhaften Produkten. Es war eine rein wirtschaftliche Frage, das hatte sie schon in jungen Jahren begriffen. Anfällige Produkte mussten ersetzt werden, was den Umsatz erhöhte. Qualität gehörte der Vergangenheit an, und Garantien waren ausgestorben.

Sophie begutachtete den Riss und hoffte, die Windschutzscheibe gehörte nicht zu den Billigprodukten von NTC. Sie mochte es nicht, wenn mit ihrem Leben gespielt wurde.

»Wie weit noch?«, schrie sie.

»Sehen Sie auf dem Radar nach!«, brüllte der Pilot zurück.

Bevor sie sich dem Monitor zuwenden konnte, sah sie etwas durch die Scheibe. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte festzustellen, was es war. »Was zum …«, murmelte sie leise. Der Gegenstand wurde vom Wind herumgewirbelt und schoss auf sie zu.

»Vorsicht!«

Sophie wurde zur Seite geworfen, und ihr Magen drehte sich fast um, als der Pilot den Steuerknüppel scharf nach rechts riss. Es war zu spät. Eine Sekunde später prallte das Trümmerstück gegen die Windschutzscheibe und versperrte ihnen die Sicht. Der Pilot fluchte auf Spanisch. Sophie verstand jedes Wort.

»Holen Sie es runter!«

»Das ist kein Auto. Wir haben keine Scheibenwischer.«

Der Pilot schob seine Brille auf den Helm hoch, um das Metallteil auf der Windschutzscheibe besser erkennen zu können, und Sophie sah zum ersten Mal sein Gesicht. Sie hatte noch nie in solche kristallblaue Augen geblickt. Er konnte nicht älter als neunzehn sein.

Sie schicken mich mit einem Rekruten los?

»Sieht aus wie ein Straßenschild«, rief er und zog sich die Brille wieder über die Augen.

Sie versuchte, die verwitterten weißen Buchstaben auf dem grünen Metall zu entziffern. »D-E-N-V-E…« Sophie zögerte. War das wirklich möglich?

»Denver«, rief sie durch den Lärm. »Scheiße, da steht ›Denver‹ drauf.«

Der Pilot kicherte. »Meine Freundin ist da aufgewachsen. Bevor der Sonnensturm es verbrannt hat.«

»Ich finde die Situation nicht besonders witzig, Captain. Wir müssen irgendwie das Schild …« Der Hubschrauber wackelte heftig, als weitere Trümmerteile gegen das Metallchassis prallten.

»Warten Sie, ich habe eine Idee!« Langsam zog der Pilot den Steuerknüppel nach oben, dann rammte er ihn zum Boden. Das Schild rutschte mit einem Schaben von der Scheibe und wurde von den Titanblättern des Rotors zu Konfetti zerrissen.

Sophie blieb keine Zeit, sich zu freuen. Eine weitere Ladung Schutt trommelte gegen das Exoskelett des Hubschraubers und verursachte melonengroße Beulen an der Innenseite der Tür.

Der Pilot versuchte, den Hubschrauber gerade zu halten, und umklammerte die Steuerung so fest, dass seine Knöchel aussahen, als würden sie jeden Moment explodieren. »Viel mehr hält er nicht aus. Sehen Sie noch mal aufs Radar!«, rief er.

In der Mitte der Konsole blinkte der Radarschirm, und die roten Flecken wurden von statischem Rauschen überdeckt. »Der Sturm stört anscheinend die Übertragung«, vermutete Sophie.

Ein ohrenbetäubendes Kreischen unterbrach sie, als die Rotorblätter sich durch eine Staubwolke fraßen. Ihr Metallkäfig knirschte und ächzte. Sie befanden sich jetzt im heftigsten Teil des Sturms.

Zwei baseballgroße Steine schmetterten gegen die Windschutzscheibe, und weitere Risse breiteten sich zu allen Seiten aus.

»Nur noch ein Stück, mein Kleiner«, flehte der Pilot.

Sophie beobachtete die Risse und versuchte, sie mit purer Willenskraft daran zu hindern, größer zu werden. Aber ihre Gebete blieben ungehört, und ein weiterer kleiner Stein traf die Scheibe. Sie hielt den Atem an und hörte, wie die Windschutzscheibe Zentimeter um Zentimeter zersprang. Selbst durch das Tosen des Sturms hörte sie das Acrylglas splittern. Es war ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass nur eine dünne Scheibe, die in einer NTC-Fabrik gegossen worden war, zwischen ihr und dem Sturm stand. Sie sah schon vor sich, wie das Glas nachgab und der braune Staub in den Hubschrauber drang und ihr die Haut vom Leib schmirgelte.

»Das Radar«, rief der Pilot und riss Sophie aus ihrer Trance.

Das Hologramm funktionierte wieder, und das rote Echozeichen, das den Sturm verkörperte, kroch über das transparente Bild. »Sieht aus, als wären wir fast durch!«, verkündete sie, während sie zum Rand ihres Sitzes rutschte, um besser sehen zu können.

»Gott sei Dank. Lang halten wir das nicht mehr durch«, sagte der Pilot. Seine rote Brille neigte sich zum Armaturenbrett, wo er die Druckanzeigen ablas. »Der Hydraulikdruck sinkt von Sekunde zu Sekunde.«

Sophie wandte den Blick nicht vom Radar. Der Hubschrauber schien den östlichen Rand des Sturms erreicht zu haben, nur noch einen Fingerbreit von der Sicherheit entfernt.

Das Ächzen der Rotorblätter lenkte Sophies Aufmerksamkeit wieder auf die Windschutzscheibe. Der braune Staub löste sich allmählich auf. In der Ferne glaubte sie, schon den Nachthimmel durchscheinen zu sehen, aber es war schwer zu beurteilen, weil die dunklen Farben miteinander verschwammen.

»Halo eins, hier spricht Black Echo, hören Sie mich? Over.«

Ein einladendes Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Piloten aus, als er nach dem Mikrofon griff. »Wir sind wieder da! Black Echo, hier Halo eins. Over.«

»Verstanden. Schön, Ihre Stimme zu hören, Halo eins. Wir dachten, wir hätten Sie im Sturm verloren. Over.«

Sophie ignorierte das Gespräch und beobachtete, wie der Sturm sich langsam legte.

»Black Echo, geht mir genauso. Vorbereitung zur Landung. Over.«

»Verstanden, Halo eins, wir setzen schon mal Kaffee für Sie auf. Over.«

Die Geräusche des Sturms verklangen, und Stille erfüllte das Cockpit. Sophie sackte auf ihrem Sitz zusammen, ohne die metallenen Armlehnen loszulassen. Erleichterung überspülte sie wie eine kalte Dusche nach einem langen Lauf. In den Tagen nach dem Sonnensturm, als sie mit dem Rest ihres Teams aus dem Schutzraum gestiegen war, nur um zu sehen, wie Rauchwolken über den Horizont krochen und Flammen aus den Städten überall in den Vereinigten Staaten am Himmel leckten, hatte sie ähnlich empfunden. Es war ein Gefühl, das sie nie vergessen würde. Und jetzt spürte sie es wieder auf der Haut.

Es war seltsam, dass sie in einem Moment dem Tod ins Auge sehen und im nächsten in den nächtlichen Sternenhimmel blicken konnte. Auf gewisse Weise ließ sie das die Wissenschaft noch mehr schätzen. Es war eine Möglichkeit für sie, ihr Schicksal zu kontrollieren, von einem Experiment im Labor bis zu einem Artikel über Quantenphysik.

Sie wusste, was manche Leute sagen würden: »Gott hat sie vor dem Sturm gerettet. Gott wollte, dass sie überlebt, damit sie die Menschheit retten kann.« Aber ihrer Meinung nach war das alles Schwachsinn. Sie hatte nicht durch Gottes Hand, sondern durch eine Kombination von Glück und Teamwork überlebt.

Sophie lächelte. »Gut gemacht, Captain.«

»Danke, Ma’am. Das war der schlimmste Sturm, durch den ich je geflogen bin. Dachte nicht, dass ich es schaffe.«

»Wie lang noch bis zur Landung?«

Er sah auf die Anzeigetafel. »In fünfzehn Minuten sollten wir am Boden sein.«

Mit einem knappen Nicken wandte sich Sophie wieder dem Nachthimmel zu. Die Sprünge in der Windschutzscheibe waren nur noch eine schwache Erinnerung, die den fantastischen Ausblick nicht trüben konnte – einen Ausblick ähnlich dem, den sie hoffentlich bald vom Mars aus genießen würde.

 

Nicholas Sansbury Smith: „Orbs“ ∙ Roman ∙ Aus dem Englischen von Marcel Häußler ∙ Wilhelm Heyne Verlag, München 2018 ∙ 400 Seiten ∙ Preis des E-Books € 8,99 (im Shop)

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.