29. Februar 2020

Festival-Androiden

Genre auf der Berlinale

Lesezeit: 3 min.

Auch wenn Carlo Chatrian, der neue Leiter der Berlinale, nicht nur ein ausgewiesener Cineast ist, sondern auch immer wieder betont hat, dass er ein Faible für Genre-Filme hat, war nicht zu erwarten, dass sich das Festival plötzlich zur Fundgrube für Genre-Freunde entwickeln würde. Schaut man jedoch etwas genauer hin, lassen sich interessante Filme entdecken, die zwar nicht auf offensichtliche Weise Genre-Muster bedienen, dafür aber mit viel Einfallsreichtum phantastisches behaupten.

In der neuen Nebensektion Encounters etwa war „The Trouble With Being Born“ zu sehen, in dem die Österreicherin Sandra Wollner von einem Vater erzählt, dessen Tochter gestorben ist und durch eine Androiden ersetzt wurde. Mit starrem Gesicht nimmt dieses Wesen namens Elli die Bedürfnisse des Vaters hin, die oft fast inzestuös anmuten. Später wird sie weggehen, bei einer alten Frau landen, auch für diese ein Spiegel für deren Emotionen sein. In einer unbestimmten Zukunft spielt der Film, die so aussieht wie unsere, Science-Fiction als reine Behauptung also.

So wie in dem koreanischen Film „Time to Hunt“, der klassische Gangster-Motive, ein paar Jahre in die Zukunft verlegt. Eine Gruppe junger Möchtegerngangster steht im Mittelpunkt, angetrieben durch eine desolate wirtschaftliche Lage, die Korea an den Rand eines Bürgerkriegs gebracht haben.

Auch einer der stilistisch eindrucksvollsten Filme des Festivals spielt mit der Frage, wie die Zukunft aussehen könnte, wenn wir Menschen die Erde weiter so nachlässig behandeln. Für ihre essayistische Dokumentation „FREM“ filmte Viera Čákanyová in der Antarktis, mit einer Drohnenkamera, deren schwerelose Bilder so suchend wirken, als wären sie der Blick einem organischen Wesens. Oder einer künstlichen Intelligenz, eine Lesart, die durch die Tonspur angedeutet wird, auf der sich digitale Geräusche mit einer Art künstlichen Atem abwechseln. Der Blick der Kamera streift nun über atemberaubende Landschaften, beobachtet vereinzelte Lebewesen, Tiere vor allem, aber auch den ein oder anderen Menschen. Die Frage die am Ende steht ist klar: Würde dies für ein außerirdisches Wesen einen Unterschied machen?


„FREM“. Abb. © Hypermarket Film

Im Gegensatz zu anderen Festivals fristet die Virtual Reality auf der Berlinale noch ein stiefmütterliches Dasein. Eine paar Arbeiten waren jedoch zu sehen, die nicht zuletzt zeigten, dass die Kameratechnik sich langsam verbessert, es inzwischen auch mit kleinsten Kameras möglich ist, deutlich schärfere Bilder aufzunehmen als noch vor wenigen Jahren. Das ermöglicht es die VR-Technik für dokumentarische Filme zu verwenden, die den Zuschauer in Gegenden führen, die sonst meist nicht zugänglich sind: Ein italienisches Gefängnis. Dort drehte Milad Tangshir den Kurzfilm „VR Free“ der das Leben der Häftlinge zeigt, ihnen aber auch selbst ermöglichte, via VR einen Moment der Freiheit zu erleben. Erst sieht man einen Häftling mit VR-Brille, dann das, was der Häftling sieht, tanzende in einem Club etwa oder Fische in Korallenriffen. Sieht man dann das Glück des Häftlings, bekommt der Begriff des immersiven Erlebens einen ganz neuen Klang.

Ähnlich auch wie bei dem Kurzfilm „Los“, des Schweizer Duos Sandro Zollinger und Roman Vital, die eine Kurzgeschichte von Klaus Merz in eine hypnotische Reise in Sinneswelten verwandeln. Beginnt die 25minütige Reise noch in einem Café, bei einer Lesung, fließen die Orte bald immer surrealer ineinander, findet sich der Zuschauer bald in zum Leben erwachten Gemälden wieder, sieht den Sternenhimmel in Zeitraffer über sich dahinziehen und beendet seine Reise in innere und äußere Welten hoch oben in den Schweizer Bergen. Dieses Maß an künstlerischer Originalität und Qualität ist im VR Bereich selten, Schade nur, dass wie meist nur wenige Menschen Gelegenheit haben werden, diesen oder andere VR-Filme auch zu sehen.

Große Abb. ganz oben: „The Trouble With Being Born“.

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