7. April 2024

Heimkino-Highlights im April 2024

Neues und Altes jenseits des großen Saals

Lesezeit: 7 min.

Jeden Monat die gleiche quälende Frage angesichts eines Bergs von Neu-Veröffentlichungen: „Was lohnt sich?“ – regelmäßige Hinweise der Redaktion sollen das Leben zumindest ein wenig leichter machen!

 

1. Operation Ganymed (1977)

Bei wem? ‎ Filmjuwelen Als was? Blu-ray, DVD Wann? 21.03.2024

Worum geht’s? Jahre nach dem Start kehrt eines von drei Raumschiffen der ersten Jupitermission zur Erde zurück. Längst hat man die Schiffe abgeschrieben, niemand erwartet sie noch zurück. Doch die drei Amerikaner, ein Europäer und ein Russe (Horst Frank, Dieter Laser, Jürgen Prochnow, Claus Theo Gärtner, Uwe Friedrichsen) versuchen, trotzdem Funkkontakt aufzunehmen, was aber nicht gelingt. Sie landen schließlich in der Wüste, nahe der US-Pazifikküste, wo sie einen langen Marsch zur Zivilisation beginnen. Doch gibt es diese überhaupt noch? Mehrere Anzeichen deuten auf einen Krieg. Wer hat ihn begonnen? Die Russen? Die Amerikaner? Misstrauen und Entbehrungen zersetzen den Zusammenhalt der Gruppe, die verzweifelt versucht, ihre Ordnung aufrechtzuerhalten …

Prognose: Wow! Wow! Und noch mal: wow! Ich hatte mich ja erst neulich gefragt, wieso Deutschland keine guten Genreproduktionen mehr hinkriegt – schließlich war das vor Jahrzehnten ja mal ganz anders und wie zum Beweis kommt nun eine restaurierte Fassung des Rainer-Erler-Knallers „Operation Ganymed“ daher. Ein Fernsehfilm, produziert für das ZDF! Und was für einer! Man möchte kaum glauben, was mal möglich war! Nach einem kurzen Prolog fächert Erler eine existenzialistische, immer aussichtsloser erscheinende Odyssee auf, deren schwitzig-schmuddelige, von Linsenreflexionen durchtränkten Bilder den beschwerlichen Weg der Protagonisten, die zwischen durchhalten und aufgeben schwanken, so richtig nachfühlbar machen. Erler nimmt sich zwei Stunden Zeit für eine bitterböse Abrechnung mit einer Gesellschaft, die weit mehr von einem Hang zu Megalomanie und zur Ruhmsucht als von wissenschaftlicher Neugierde angetrieben wird. Das ist nicht unbedingt im konventionellen Sinn unterhaltsam, aber sehr gut besetzt, psychologisch stimmig, dramaturgisch gelungen und wartet mit – immer noch – beeindruckenden Spezialeffekten auf. Letzteres wirkt noch beeindruckender, wenn man anschließend Erler in den Bonusmaterialien lauscht, der von der Entstehung seines Low-Budget-Films erzählt. Apropos: Im Gegensatz zu den alten DVD-Versionen gibt’s hier Extras: 32-seitiges Digital-Booklet, Audiokommentar, zwei Features mit Erler und ein Interview mit dem 2020 verstorbenen Dieter Laser, der 2009, im Alter von 67 Jahren, mit dem niederländischen Sicko-Schocker „The Human Centipede“ überraschend zum internationalen Star werden sollte.

Operation Ganymed Deutschland 1977 Regie: Rainer ErlerDarsteller: Horst Frank, Uwe Friedrichsen, Claus Theo Gärtner, Dieter Laser, Jürgen Prochnow

 

2. River – The Timeloop Hotel (2023)

Bei wem? Busch Media Group Als was? Mediabook (2 Blu-rays) Wann? 04.04.2024

Worum geht’s? Die Hotelangestellte Mikoto staunt nicht schlecht, als sie sich plötzlich am kleinen Fluss hinter der alten Herberge wieder findet. Immer und immer wieder! Mikoto, ihre Arbeitskollegen und die illustre Schar an Hotelgästen scheinen in einer Zeitschleife gefangen, die sie sekundengenau nach zwei Minuten wieder an ihre Ausgangspositionen zurücksetzt. Während einige Hotelgäste schnell dabei sind, den Verstand zu verlieren, suchen andere nach einem Ausweg …

Prognose: Zweiter Film von Film- und Theaterregisseur Junta Jamaguchi der 2020 mit „Beyond The Infinite Two Minutes die Herzen der Festivalsbesucher weltweit im Sturm eroberte. Jamaguchi ist auch hier wieder mit seiner Theatergruppe Europa Kiku am Start und das Drehbuch stammt erneut von Makoto Ueda, der ein Faible für Zeitreisegeschichten hat (außerdem noch: „Summer Time Machine Blues“, 2005; „The Tatami Galaxy“, 2010; „Tatami Time Machine Blues, 2022). Zunächst möchte man meinen, dass es sich bei „River“ um einen herkömmlichen Versuch handelt, einen Erfolg zu wiederholen: Während es beim Vorgänger zwei Minuten in die Zukunft ging, geht’s hier halt zwei Minuten in die Vergangenheit und wie es sich für eine Fortsetzung gehört, war mehr Geld im Spiel – das Geschehen spielt im pittoresken Dorf Kibune in den nördlichen Bergen Kyotos, zwar meistens in einem Hotel, das Dorf wird aber sehr gut ins Geschehen mit eingebunden, sprich: auf visueller Ebene ist deutlich größerer Abwechslungsreichtum angesagt als beim spartanischen Vorgänger.

Doch während der Vorgänger ein One-Shot-Film war, in einer kontinuierlichen Aufnahme, ohne Schnitte, umgesetzt wurde, ist „River“ in kleine One-Shot-Segmente von je zwei Minuten unterteilt und anders als zuvor stehen hier die vom schwer sympathischen Ensemble toll dargestellten Charaktere weitaus stärker im Vordergrund. Allen voran Riko Fujitani als Mikoto, das Herz des Films, die das irre, zum Teil chaotische Geschehen angenehm erdet. „River“ ist nicht unbedingt more of the same, sondern eher ein deutlich emotionaleres, gelegentlich leicht an der Romcom grenzendes Pendant, welches, auch wenn das Konzept nun natürlich nicht mehr so frisch wirkt wie einst, dank einem ideenreichen Drehbuch, das einen perfekten Rhythmus findet und den Darstellern Raum zum Glänzen gibt, erneut wahnsinnig viel Charme versprüht – allerdings hätte man sich die Erklärung für das Mysterium im Finale gerne sparen können.


Original-Filmposter

Das Mediabook kommt mit einem dieser gezeichneten Fan-Cover daher, die rätselhafterweise in letzter Zeit in Mediabookhausen irre populär sind. In diesem Fall wird Manga-Ästhetik bemüht, was angesichts des Films keinen so rechten Sinn macht. Gut, es gab in dem Bereich schon schlimmeres, aber das originale, poetische Postermotiv wäre wesentlich passender und schöner gewesen. Ein recht informatives Booklet informiert über die Hintergründe des Films, an Boni finden sich ein Interview mit dem Regisseur und eine 75-minütige (!) Behind-The-Scenes-Doku, die wunderbar vermittelt, dass der leichte, freundliche, warmherzige Vibe des Films nicht von ungefähr kommt – offenbar hatten die Jungs und Mädels ziemlich viel Spaß bei der Produktion. Des Weiteren macht das Making-of noch zusätzlich übergroße Lust auf einen Urlaub im außerweltlich schönen Kibune.

River – The Timeloop Hotel • Japan 2023 • Regie: Junta Jamaguchi • Darsteller: Riko Fujitani, Manami Honjô, Gôta Ishida, Yoshimasa Kondô, Shiori Kubo

 

3. Jim Ripple’s Roboter & Kosmische Reise (1935/1936)

Bei wem? Ostalgica Als was? Blu-ray Wann? 05.04.2024

Worum geht’s? Ingenieur Jim Ripple erfindet Roboter, die von Saxophonen und Funksignalen gesteuert werden. Für die Kapitalisten ist
dies die „Lösung des proletarischen Problems“, sie erschaffen ein Heer emotionsloser Kampfmaschinen … In „Kosmische Reise“ geht es um einen Konkurenzkampf zweier Wissenschaftler um die erste bemannte Reise zum Mond.

Prognose: Ich kann dazu leider nichts sagen, außer, dass es sich bei „Jim Ripple’s Roboter“ um die Verfilmung eines ukrainischen Sci-Fi-Romans von 1929, geschrieben vom dortigen Jules Verne, handelt und hier, wie es öfter im sowjetischen Sci-Fi-Kino der Fall war, Genremotive mit Klassenkampf verbunden werden. Des Weiteren sollen beide Filme für ihre Zeit unheimlich aufwändig gewesen sein. Schätze, dass sich die Disc auf jeden Fall lohnt, derart frühe Sci-Fi ist eigentlich immer reizvoll, zumal Russland in Sachen Science-Fiction ja schon immer einiges zu bieten hatte.

Jim Ripple’s Roboter/Kosmische Reise Russland 1935/1936 • Regie: Aleksandr Andrijewski, Wassili Schurawljow • Darsteller: „Jim Ripple’s Roboter“: S.M. Vecheslov, V.P. Gardin, M.G. Volgina, A.C. Chekulaeva. „Kosmische Reise“: Sergei Komarow, Xenija Moskalenko, Wiktor Gaponenko, Nikolai Feokstikow

 

4. Class of 1999 Part II (1994)

Bei wem? WMM /Cargo Records Als was? Blu-ray Wann? 19.04.2024

Worum geht’s? In der Zukunft wird die Jugend mit besonders einfühlsamer Pädagogik auf Vordermann gebracht: Lehrer John Bolen ist ein Cyborg, der aufmüpfige Teenager mit Knochenbrüchen oder Kugeln diszipliniert! In Monroeville hat er nun einen neuen Job als Aushilfslehrer angenommen – gerade richtig, denn Punk Santos terrorisiert Kollegin Jenna, die gegen Santos in einem Mordfall aussagen will …

Prognose: Leider nur für die-hard fans des Actionfilms geeignet: Fortsetzung von Mark L. Lesters halbsatirischer, ungemein vergnüglicher Action-Dystopie „Die Klasse von 1999“ (wiederum eine Sci-Fi-Variante von „Die Klasse von 1984“ desselben Regisseurs). Das Sequel stammt nicht von Lester, sondern von Spiro Razatos, was das Resultat umso enttäuschender macht. Razatos ist wohl einer der besten Second-Unit-Action-Regisseure der letzten 30 Jahre und hatte im Laufe seiner Karriere sowohl Videothekenware à la PM Entertainment als auch Big-Budget-Hollywood-Produktionen wie „Fast & Furious Five“ oder „Death Race“ mit tollen Actionszenen ausgestattet, mit seinen eigenen Regie-Projekten allerdings eher Pech. Warum? Kein Plan. Hier gibt’s jedenfalls definitiv zu wenig Action, das Finale kommt zwar knallig daher, aber der Weg bis dahin ist lang und macht aufgrund des selbst für diese Art Film arg dämlichen Drehbuchs nicht allzu viel Spaß. Schade auch um die guten Darsteller – der vor allem für die „Kickboxer“-Fortsetzungen bekannte Sasha Mitchell als eiskalter, natürlich Kampfsport-bewährter, Aushilfslehrer schlägt sich (haha…) gut und Nick Cassavetes (der Sohn des großen John) ist wie immer ein solides Nebenrollen-Gesicht.

Class of 1999 Part II USA 1994 • Regie: Spiro Razatos • Darsteller: Sasha Mitchell, Caitlin Dulany, Nick Cassavetes, Gregory West, Rick Hill, Jack Knight, Diego Serrano

 


„Infiniti“

und was gibt’s im TV & Internet?

Star Trek: Discovery, Staffel 5 – ab 04.04.2024, Paramount+: Die letzte Staffel der beliebten „Star Trek“-Serie.

• Parasyte: The Grey, Staffel 1 – ab 05.04.2024, Netflix: Südkoreanischer Realfilmableger des japanischen Manga-Franchise.

• Colony, Staffel 3 – ab 10.04.2024, Disney+: Free-TV-Premiere der dritten Season der Sci-Fi-Serie von „Lost“-Mastermind Carlton Cuse und Ryan Condal („House of the Dragon“).

• Blood Free – ab 10.04.2024, Disney+: Südkoreanische Serie um einen dubiosen Fleischersatz von einem dubiosen Konzern, der den Menschen tierische Produkte abgewöhnen soll, damit sie die nächste Evolutionsstufe erklimmen. Logisch, dass da so einiges nicht mit rechten Dingen zugeht, sonst hätten wir keine 10 Episoden.

• Iwájú , Staffel 1 – ab 10.04.2024, Disney+: Afrikanische Animationsserie über die junge Tola und ihren bester Freund Kole, die in einem futuristischen Lagos allerlei Abenteuer erleben …

• The Fortress ab 12.04.2024, ARD Mediathek und um 23:50 Uhr in der ARD (4 Folgen hintereinander, am 13.04.2024 dann ab 00:35 Uhr die restlichen drei Folgen): Im Jahr 2037 hat sich in Europa das Chaos ausgebreitet. Norwegen kann dank Abschottung mittels Mauer und Stacheldraht trotzdem ganz wunderbar leben. Doch dann breitet sich eine Pandemie im Land aus …

• Star Trek: Lower Decks, Staffel 3 – ab 13.04.2024, Comedy Central: Free-TV-Premiere der dritten Staffel der jetzt nicht soooo lustigen „Star Trek“-Parodie.

• Infiniti – ab 14.04.2024, ZDF Neo: Eine französische Astronautin und ein kasachischer Polizist wollen einen mysteriösen Todesfall aufklären: Auf der Erde wird die Leiche eines Astronauten gefunden, der eigentlich auf der ISS sein sollte …

• Young Sheldon, Staffel 7 – ab 15.04.2024, Pro 7: Die letzte Staffel der Serie um die Abenteuer des jungen Sheldon Cooper („The Big Bang Theory“).

• Harley Quinn, Staffel 4 – ab 17.04.2024, WB Comedy: Die vierte Staffel der ziemlich gelungene Animationsfilmserie über die Abenteuer der durchgeknallten Ex-Freundin des Batman-Bösewichts Joker.

Abb. ganz oben aus „River – The Timeloop Hotel“, Busch Media Group

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