13. März 2024

„Das Signal“ – Mystery-Quark zum Fremdschämen

Mal wieder Dilettantenstadl aus Germany

Lesezeit: 3 min.

Was, oh was, ist nur passiert? Es wurde in Deutschland mal richtig guter Genrestoff produziert – auch abseits der allseits bekannten Vorzeigetitel „Metropolis“ (1927) und „Das Cabinet des Dr. Caligari“. „Welt am Draht“ (1973) von Fassbinder etwa, „Die Zärtlichkeit der Wölfe“ (1973) von Ulli Lommel, „Nosferatu – Phantom der Nacht“ (1979) von Werner Herzog, die Filme von Rainer Erler, Roland Klick, Rolf Olsen. Ja, selbst in Schmierlappen-Exploitation waren wir einst ganz groß und haben’s so richtig krachen lassen: Man kann heute kaum glauben, dass Filme wie „Magdalena – vom Teufel besessen“ (1974) große Genrehits made in Germany waren – so wildes Zeugs wurde einst in die Säle gepumpt.

Doch seit Jahrzehnten: Brachland. Und seit Netflix scheint der Ofen völlig aus zu sein. Im Sommer letztes Jahr erst hat „Paradise für Fremdscham gesorgt, nun möchte man angesichts von „Das Signal“ in die Tischkante beißen und fragt sich mal wieder: Guckt sich das vor Veröffentlichung eigentlich wirklich niemand an oder ist mittlerweile einfach alles egal?

Florian David Fitz spielt jedenfalls Sven, einen Geschichtslehrer, der in Baseballcaps und Klamotten aus einem Guido-Horn-Fanshop rumläuft. Svens kleine Tochter heißt Carlotta (Yuna Bennett) und ist voll süß und superklug und gehörlos und kann, wenn sie ihr Hörgerät abnimmt, auch nicht mehr sprechen (?). Die natürlich ebenfalls superkluge Ehefrau Paula (Peri Baumeister) forscht mit Hadi (Hadi Khanjanpour) auf der ISS nach irgendwas, um die Gehörgänge der Tochter zu reparieren oder nach irgendwas übers ewige Leben, so ganz waren sich die vier Drehbuchautoren da wohl nicht einig oder es ist während diverser geistiger Aussetzer (mir ist während „Das Signal“ erstmals aufgefallen, was für schöne Tapeten ich doch eigentlich hab!) an mir vorübergegangen.

Paula hat aber nicht nur einen großen Forschungsdrang, sondern ist eine Ex-Drogenabhängige mit Wahrnehmungsstörungen, was sie aber trotzdem nicht dran hindert ins All zu fliegen (und offenbar beim Auswahlverfahren keine Rolle gespielt hat). Merkwürdig übrigens ebenso, dass Svens Frau im Jahr 2024 ein Kassettendiktiergerät benutzt und später, bei einer Verschwörungstheoretikerin (Katharina Thalbach), in einem mit allerlei Tech zugestopfen Geheimversteck, im Hintergrund mehrere Stapel VHS-Kassetten zu sehen sind. Aber das nur so am Rande. Die Mission wurde jedenfalls von einer indischen Milliardärin initiiert, die ihr Geld mit Mikrokrediten gemacht hatte und derart Guru-mäßig durch die Szenerie schwebt, dass nach 30 Sekunden klar ist, dass hinter so voll Weisheit und der Güte in ihrem Blick nur ein pechschwarzer Abgrund lauern kann.

Eines Tages steht der Heimflug von Paula an, aber das Flugzeug verschwindet plötzlich vom Radar und kurze Zeit wird klar, dass das Flugzeug abgestürzt ist und es wohl keine Überlebende gibt, worauf die Kripo gegen Sven ermittelt, der kurz zuvor noch eine rätselhafte Nachricht von seiner Frau erhalten hatte …

Mystery bedeutet hier: Schauspieler, die ständig die Augen weit aufreißen und besorgt, ängstlich oder ins Leere schauen und ihre papierenen Dialoge („Jede Trauer, jeder Schmerz, jeder Verlust bei jedem Mensch ist anders. Es gibt nur eine Sache, in der wir gleich sind. Wir alle haben ein Preisschild.“) in bedeutungsschwanger gedämpfter Lautstärke vortragen. Und, dass genau EINE Idee mit einer Reihe von wirren Handlungssträngen und willkürlichen Sinnlos-Rückblenden (vier Erwachsene nehmen auf einem Rummelplatz LSD) aufgepumpt wird. Das einzig Gute, was sich über „Das Signal“ sagen lässt, dass man sich mit vier Folgen begnügt hat, allerdings fühlen sich die vier Stunden an wie vierzig. Es ergibt kaum was irgendeinen Sinn, es ist fast nichts nachvollziehbar, aber dafür fiedelt einem der Soundtrack permanent in die Ohrmuschel, was „dramatisch“, „spannend“ oder „traurig“ sein soll.

Was, oh was, ist nur passiert?

Das Signal • Deutschland 2024 • Regie: Sebastian Hilger, Philipp Leinemann • Darsteller: Peri Baumeister, Florian David Fitz, Yuna Bennett, Anja Knauer, Uwe Preuss • auf Netflix

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