Heimkino-Highlights im August 2023
Neues und Altes jenseits des großen Saals
Jeden Monat die gleiche quälende Frage angesichts eines Bergs von Neu-Veröffentlichungen: „Was lohnt sich?“ – regelmäßige Hinweise der Redaktion sollen das Leben zumindest ein wenig leichter machen!
1. Die Teufelswolke von Monteville (1958)
Bei wem? Anolis Als was? Mediabook (Blu-ray, & DVD), Blu-ray Wann? 18.08.2023
Worum geht’s? In den Schweizer Alpen verschwinden immer wieder Menschen, ohne eine Spur zu hinterlassen; zur selben Zeit werden unerklärliche radioaktive Wolken in der Gegend um das Städtchen Trollenberg registriert. Als aus dem inzwischen entstandenen radioaktiven Nebel heraus einäugige, telepathische Monster Jagd auf die Menschen der Gegend machen, rettet sich eine kleine Gruppe, unter ihnen der Journalist Philip Truscott, die Schwestern Anne und Sarah Pilgrim und UN-Ermittler Alan Brooks, in das Observatorium von Professor Crevett, um sich von hier aus verzweifelt zur Wehr zu setzen. Sie stellen fest, dass die Monster auf Hitze reagieren und vertreiben sie mit Hilfe von Feuer. Zur Zerstörung fordern sie die Hilfe von Bombern an, die die Monster mit Brandbomben töten.
Prognose: Britische Science-Fiction, die das gleiche Problem hat wie die tollen „Quatermass“-Filme aus dem gleichen Zeitraum. Gut besetzt, gutes Drehbuch von Hammer-Film-Legende Jimmy Sangster, und die Regie holt aus dem sichtbar knappen Budget das Maximum raus, was sich in ein paar sehr atmosphärischen Szenen manifestiert. ABER: Das Ganze funktioniert nur, solang von der Bedrohung wenig sichtbar ist. Leider lässt der Film dank selbst für 1958 arg unbeholfener Special-Effekte vor allem im letzten Drittel völlig die Hosen runter, was durch die Trash-Brille gesehen zwar recht amüsant ist, sich aber halt mit den tatsächlich gelungenen Teilen des Films beißt. Trotzdem: Sollte man gesehen haben, zumal „Die Teufelswolke von Montewille“ eine der Inspirationsquellen zum Klassiker „The Fog – Nebel des Grauens“ (1980) von John Carpenter war, der sich mit einem Audiokommentar die Ehre gibt.
Die Teufelswolke von Montewille • The Trollenberg Terror, Großbritannien 1958 • Regie: Quentin Lawrence • Darsteller: Forrest Tucker, Laurence Payne, Jennifer Jayne, Janet Munro, Warren Mitchell, Frederick Schiller
2. Zero Population Growth – Die Erde stirbt (1972)
Bei wem? Soulfood Als was? (Blu-ray & DVD), DVD, Blu-ray Wann? 18.08.2023
Worum geht’s? Im 21. Jahrhundert hat der Mensch die Umwelt zerstört. Faune und Flora sind fast vollständig verschwunden, die Meere verseucht und der Aufenthalt im Freien ist wegen der Luftverschmutzung nur noch mit Hilfe von Atemschutzmasken möglich. Überbevölkerung kennzeichnet den Planeten. Um die damit verbundenen Probleme zu lösen, beschließt die Weltregierung ein Geburtenverbot für die nächsten 30 Jahre. Frauen, die bereits schwanger sind, müssen abtreiben. Verstöße gegen den Erlass werden mit der Todesstrafe geahndet. Um Ehepaaren dennoch die Illusion eines geordneten und glücklichen Familienlebens vorzugaukeln, können in speziellen Kaufhäusern, so genannten Baby Shops, sprechende Kinderpuppen käuflich erworben werden.
Russ McNeil und seine Ehefrau Carol können und wollen sich mit dieser Scheinwelt nicht abfinden, sie zeugen schließlich ein Kind. Da beide sich der ständigen Gefahr bewusst sind, dass das Kind möglicherweise entdeckt wird, versteckt McNeil in der Kanalisation direkt unterhalb des Hinrichtungsplatzes ein Schlauchboot, mit dem sie fliehen wollen. Das Kind wird von ihren Nachbarn entdeckt und ruft bei diesen Neidgefühle hervor. Sie wollen das Kind mit ihnen teilen. Als McNeil sich nicht darauf einlässt, werden sie von den Nachbarn denunziert und zum Tode verurteilt …
Prognose: Nahezu unbekannte Dystopie, die in Deutschland keine Kinoauswertung spendiert bekam und stattdessen einige Jahre nach Veröffentlichung im Fernsehen versenkt wurde. Zu Recht? Nein. „Zero Population Growth“ hinterlässt einen ähnlich zweischneidigen Eindruck wie die Teufelswolke: Der Film fächert ein Endzeitszenario auf, das – leider – mittlerweile gar nicht mal so dystopisch, sondern verblüffend aktuell und dementsprechend schaurig wirkt. Leider aber verliert sich das angenehm ruhig erzählte Geschehen zusehends in Sentimentalitäten und kommt einem schlussendlich ein wenig wie ein Plädoyer von Abtreibungsgegnern vor. Trotzdem: Allein weil „Zero Population Growth“ vor Augen führt, welch visionäre Kraft dem Science-Fiction-Film über die Jahrzehnte abhanden gekommen ist, sollte man den schon schauen.
Zero Population Growth • USA/Dänemark 1972 • Regie: Michael Campus • Darsteller: Oliver Reed, Geraldine Chaplin, Don Gordon, Diane Cliento, David Merkham, Sheila Reid, Aubrey Woods
3. Vampire Girl vs. Frankenstein Girl (2009)
Bei wem? Cinestrange Extreme Als was? Mediabook (Blu-ray & DVD) Wann? 28.08.2023
Worum geht’s? Am Valentinstag kommt die Austauschschülerin Monami nach der Schule zu Jugon und übergibt ihm ein kleines Valentinsgeschenk. Jugon isst das Schokoladenbonbon und muss feststellen, dass es mit Blut gefüllt ist. Kurz darauf geht es ihm immer schlechter: alles dreht sich, er kann kaum noch gehen und plötzlich hat er ein Verlangen … nach Blut. Am nächsten Tag klärt Monami ihn dann auf: das Blut im Bonbon war ihr eigenes, er ist damit nun ein halber Vampir, da sie auch einer ist, und um ein vollwertiger Vampir zu werden, müsse er nur noch ein wenig mehr Blut von ihr trinken, damit sie beide gemeinsam und glücklich leben können. Doch bevor es dazu kommt, stört ihre Mitschülerin Keiko, die ebenfalls ein Auge auf Jugon warf, die beiden – zweimal verhindert sie so das anstehende Ritual. Beim zweiten Mal fällt sie jedoch vom Dach der Schule und ist tot. Glücklicherweise experimentiert ihr Vater an der Schule gerade mit Toten, die er wieder zum Leben erwecken will. Als ihm das bei Keiko gelingt, schwört diese Rache …
Prognose: Was für Fans: Teil der damaligen Welle an angeblich „typisch japanischen“ Indie-Splatterkomödien, die in Wahrheit aber vor allem auf ein westliches Publikum zugeschnitten waren. Nach dem Motto. „Wenn ihr uns alle schon für Schulmädchen-fixierte Superweirdos haltet, dann geben wir euch halt, was ihr wollt und verdienen dabei noch!“. Und so wird hier so ziemlich jedes Japan-Klischee bis ins Absurde aufgeblasen, wobei man aber ebenso die eigenen Landsleute ein bisschen veräppelt, allerdings dürften das wohl eher Gags sein, die wohl nur so richtig zünden, wenn man mit Japan etwas vertrauter ist.
So mutet es zum Beispiel erstmal wahnsinnig geschmacklos an, dass sich maßlos über das Ritzen, eigentlich ein todernstes Thema, lustig gemacht, an der Schule eine Highschool-Student Wrist Cut Ralley veranstaltet wird. Aber wenn man weiß, dass das Ritzen in Japan sonderbarerweise eine Weile lang zum hippen Modetrend wurde, ist die gnadenlose Veralberung schon wieder konsequent. Das Gleiche betrifft eine Mädchengang mit schwarz angemalten Gesichten, gigantischen Afros und grotesk aufgepumpten Lippen, was in der Vergangenheit bei westlichen Zuschauern für Rassismus-Vorwürfe gegenüber den Filmemachern gesorgt hatte, allerdings natürlich ganz anders gemeint war: Hier wird sich gezielt über die Ganguro-Subkultur lustig gemacht. Dabei handelt es – grob umrissen – um einen Modetrend, der etwa Mitte der 1990er-Jahre aufgekommen ist, sich gegen übliche japanische Schönheitsideale (bleiche Haut, dunkle Haar, dezentes Makeup) richtete und diverse Auswüchse hatte, zu denen eine ausgesprochene Fixierung auf die Afro-Amerikanische-Kultur gehört; kurz: junge Japaner die gerne schwarz sein wollen, weil’s cool ist (ein bisschen vergleichbar mit verwöhnten deutschen Wohlstandsjugendlichen, die von „Ghetto“ und „Gangsta“ reden und sich dann zum üppigen Mittagsmahl bei Mama an den Tisch setzen). Aber auch wenn man Bescheid weiß: „Vampire Girl vs. Frankenstein Girl“ ist so oder so nichts für Feingeister: Hyperblutig, hyperschrill, eine einzige Abfolge an grotesken Momenten. Muss man mögen.
Vampire Girl vs. Frankenstein Girl • Japan 2009 • Regie: Yoshihiro Nishimura, Naoyuki Tomomatsu • Darsteller: Yukie Kawamura, Takumi Saitô, Eri Otoguru, Kanji Tsuda, Eihi Shiina
… und was gibt’s im TV & Internet?
• Strange Planet, Staffel 1 – ab 09.08.2023, AppleTV+: Webcomicadaption um kleine blaue Wesen, die auf der Erde landen und versuchen das Wesen des Menschen zu erkunden. Das schaut super aus und wird bestimmt was, zumal Dan Harmon (der Schöpfer von „Rick & Morty“) Co-Showrunner an Bord ist.
• Moving, Staffel 1 – ab 09.08.2023, Disney+: Südkoreanische Webtoonverfilmung um drei Teenager, die Superkräfte entdecken.
• Arcadia, Staffel 1 – ab 18.08.2023, One: Belgisch-niederländische Serie, in der sich alles mal wieder um eine finstere Zukunft dreht, in der ein Punktesystem über das Leben der Bürger entscheidet. Wer einen hohen Bürger-Score hat, dem geht’s gut im Refugium Arcadia, der Rest muss außerhalb ums Überleben kämpfen. Na ja, kennen wir mittlerweile alles zu Genüge, oder?
• Invasion, Staffel 2 – ab 23.08.2023, Apple TV+: Oh wundersame Streamingwelt: Die Alieninvasions-Serie mochte eigentlich niemand so wirklich, verlängert wird die Show aber dennoch.
Abb. ganz oben: „Vampire Girl vs. Frankenstein Girl“, Cinestrange Extreme
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