24. Februar 2019 1 Likes

Mehr Gummimonster braucht die Welt!

Dreimal Oldschool-Godzilla-Action in HD!

Lesezeit: 7 min.

Das Problem bei einem Text über alte Filme, in denen Stuntmen in Gummikostümen Miniaturstädte kaputt hauen ist, dass man sich vom ersten Buchstaben an ausmalen kann, welche Reaktionen das Geschriebene garantiert einfährt. Die Fans gehen mit den getätigten Beobachtungen mehr oder weniger d’accord und der ganze, große Rest wird spätestens beim Anblick der unten verlinkten Trailer zum Schluss kommen, dass die mühsam fabrizierten Sätze wohl in einem Anfall totaler geistiger Umnachtung entstanden sein müssen, wobei die Ablehnung vor allem aus einem eingeschlagenen ästhetischen Irrweg resultiert, der hier kurz erläutert werden soll, vielleicht lässt sich der ein oder andere ja doch noch bekehren.

Es steht dabei weniger die ewige Frage im Raum, was besser ist, handgemachte Effektarbeit oder computergenerierte. Es ist vielmehr die Wucht, mit der das Blockbuster-Kino in den letzten Jahrzehnten nicht nur das pulsierende New Hollywood verschlungen, sondern spätestens mit der zunehmenden Nutzung von „Computer Generated Imagery“ (CGI) der kommerziellen Filmproduktion eine allgegenwärtige Einheitsästhetik oktroyiert hat, die das sinnliche Empfinden hintergeht. Oder, um zum eigentlichen Thema zu kommen: Der aus dem Rechner stammende Godzilla in Gareth Edwards „Godzilla“-Update von 2014 vermittelt, wenn man mal ehrlich ist, keineswegs eine perfektere Illusion als der Monster-Darsteller im Original von 1954; bei Letzterem ist sofort die Verkleidung ersichtlich, bei Ersterem aber eben die Herkunft aus dem Rechner, lediglich die ästhetische Repräsentation ist zeitgemäßer. Und die wird mit ihrem Anspruch – paradoxerweise von jeglicher Haptik befreiten – „Realismus“ abzubilden, einen Anspruch, den die japanischen Varianten nie hatten, meist als „besser“ empfunden, dabei handelt es sich lediglich um eine alternative Herangehensweise.

Und wer das verinnerlicht, wird die Vorzüge älterer Produktionen ebenso zu schätzen wissen, gerade bei den Godzilla-Filmen, welche mit ihren Gummikostümen und ihren Miniaturstädten auf oftmals sehr verspielte Weise eine eigene kleine Welt (die sich zudem jederzeit so anfühlt, als ob man sie tatsächlich anfassen könnte!) auffächern, die zwar ganz klar kein Stück weit realistisch ist, aber es eben auch nicht sein will. Wie hieß es bei Nicolas Mahlers neulich erschienener Hommage „Das Ritual“ so schön aus dem Mund des effektebastelnden Protagonisten: „Um Realismus hab ich mich nie gekümmert. Warum sollte man die Dinge so darstellen, wie sie sind?“ – zumal die Frage nach der Realität gerade in dieser Ecke des cineastischen Universums eh obsolet ist: Es handelt sich schließlich um pure Fantasie, warum dürfen die Filme also nicht auch bunt, verträumt, verrückt, fantastisch sein?

Womit wir bei den Neu- beziehungsweise Wiederveröffentlichungen von Anolis wären, die drei Filmen aus ihrem umfangreichen Kaijū-Programm erstmals HD-Abtastungen spendiert haben, was den herrlich bunten Ungeheuer-Abenteuern natürlich besonders zu Gute kommt. Etwas schade ist, dass die zahlreichen Extras wohl den jeweiligen Pendants aus der auf DVD erhältlichen „Kaijū Classics“-Serie vorbehalten bleiben werden, außer Trailer findet sich in der Bonus-Abteilung schlichtweg nichts, dafür aber sind die Blu-rays zu einem weitaus humaneren Preis erhältlich.


„Frankensteins Höllenbrut“

Um ein Stirnrunzeln zu vermeiden: Das die im Folgenden genannten Filme allesamt den Namen „Frankenstein“ im Titel tragen, ist lediglich eine dieser so typischen Entscheidungen deutscher Verleiher der damaligen Zeit. Da „Frankenstein – Der Schrecken mit dem Affengesicht“ von „Godzilla“-Schöpfer Ishirō Honda 1965 hierzulande die Kinokassen zum rattern brachte, wurde kurzerhand beschlossen auf allerlei Godzilla-, Gamera- oder King-Kong-Filme ein Frankenstein-Etikett draufzukleben.

Um mit den schwächsten Kandidaten anzufangen: In „Frankensteins Höllenbrut“ dreht sich alles um außerirdische Käfer, die sich menschlicher Körper bemächtigt haben um unter einem etwas eigenwilligen Vorwand („Meine Mitarbeiter und ich wollen den Menschen begreiflich machen, was Frieden ist. Und wer das sabotiert ist unser Feind!“) die Erde zu übernehmen. Zu diesem Zweck schlagen sie Quartier im Gebäude eines Vergnügungsparks auf und rufen die Weltraumonster Gigan und King Ghidorah zur Unterstützung herbei. Da kann Godzilla natürlich nicht tatenlos zusehen und macht sich mit Kumpel Anguirus auf in die Schlacht. Der schlicht gestrickte Comiczeichner Gengo und seine kampfsportgestählte Freundin Tomoko geraten zwischen die Fronten …


„Frankenstein und die Ungeheuer aus dem Meer“

Der Film des fünfmaligen Godzilla-Regisseurs Jun Fukuda entstand zu einer Zeit als das Franchise am taumeln war, was ein deutlich reduziertes Budget und damit auch recyclte Szenen und Musik zur Folge hatte – natürlich nicht gerade schön! Ein weiterer, in Kritiken häufig zu Recht bemängelter Stolperstein ist, dass die Monsterkeilerei im Finale unverhältnismäßig lange ausgedehnt wird. Dass sich der 12. Beitrag zur „Godzilla“-Reihe doch noch über die Runden rettet, kann man dem ordentlichen Drehbuch zuschreiben, das mit seinem Helden, der in eine groß angelegte Verschwörung stolpert, deren sinistre Drahtzieher sich hinter einem Wirtschaftsunternehmen verbergen, durchaus ein wenig an die Paranoia-Thriller der 1970er-Jahre erinnert. Dazu gönnt die Geschichte ihrer Hauptfigur überraschend viel Exposition und wartet mit einer nicht nur für die Serie, sondern auch generell für das Kino der 1970er-Jahre eher ungewöhnlichen Frauenfigur auf: So entpuppt sich Gengos Freundin Tomoko weder als weiblicher Anhang noch als der typische Kleine-Jungen-Traum einer sexy Kampfamazone, sondern als eigenständiger Charakter mit deutlich mehr Bodenhaftung als ihr männliches Gegenüber. Ebenso fein: Obwohl sich der Film einen Ausflug in Richtung sonderbarer Albernheit (Godzilla und Anguirus unterhaltsam sich via Sprechblasen!) leistet, bleibt der Grundton verhältnismäßig düster: Keine Kinderdarsteller, kein infantiler Humor und wenn die Viecher aufeinander losgehen, spritzt sogar Blut!


„Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster“

„Frankensteins Höllenbrut“ mag in seiner Gesamtheit vielleicht gescheitert sein, aber er ist auf interessante Art und Weise gescheitert. Trotz deutlicher Defizite jedenfalls sehenswert! (Höchst erfreulich übrigens die deutsche Synchronisation, die hinter dem Mikro alles versammelt, was damals Rang und Namen hatte, egal ob Thomas Danneberg oder Gerd Martienzen, es wimmelt nur so vor bekannten Stimmen!)

„Höllenbrut“-Regisseur Jun Fukuda war sechs Jahre zuvor für „Frankenstein und die Ungeheuer aus dem Meer“ verantwortlich, einer von zwei Godzilla-Filmen, die sich in der malerischen Szenerie einer Pazifik-Insel abspielen. Das heißt, ursprünglich war das Projekt als King-Kong-Abenteuer geplant, wurde dann aber wegen lizenzrechtlichen Problemen umgemodelt. Der Plot, der munter genre hopping betreibt (von Science-Fiction- und Katastrophen- zum Abenteuer- und Fantasyfilm), lässt sich als Zusammenfassung kaum adäquat vermitteln, deswegen sei nur gesagt, dass neben Godzilla die mindestens ebenso kultigen, toll designeten Kreaturen Mothra und Ebirah auftauchen und außerdem eine Geheimorganisation mit Namen „Roter Bambus“ eine größere Rolle spielt, die sich Ebirah mit selbstproduzierten gelben Saft vom Leib hält, der ins Meer gespritzt wird. Der siebte Film um den Monster-Superstar darf getrost zu den Highlights gezählt werden: Eine farbenprächtige, superunterhaltsame Genre-Mixtur, in der es viel zu sehen und noch mehr zu staunen gibt, womit nicht unbedingt nur die großen Kloppereien gemeint sind, in einer der schönsten Szenen lässt sich Godzilla in grauer Felskulisse zu einem Nickerchen nieder! Ein wirklich zauberhaftes Werk, das ganz viel Liebe verdient!


„Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster“

Bei „Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster“ kann man getrost von einem der kontroversesten Godzilla-Filme aller Zeiten sprechen. Das herrlich irre Werk wird von Leuten wie Amerikas einstigem Kritikerpapst Roger Ebert geliebt, anderseits aber selbst vom eigenen Produzenten, Tomoyuki Tanaka (der bis Mitte der 1990er alle Godzilla-Filme betreute), gehasst! Inhaltlich dreht sich’s um ein durch Industrieabfälle entstandenes Monster mit dem Namen „Hedorah“, das mit ätzendem Schlamm und toxischen Gasen die Menschheit bedroht. Der kleine Ken und sein Vater Dr. Yano erkennen die Gefahr rechtzeitig, Yano findet heraus, dass das Monster mittels Elektrizität besiegt werden könnte, dennoch ist der Kampf eine Nummer zu groß für die Menschlein, weswegen Godzilla zur Hilfe eilt …

Film Nummer elf entstand zu einer Zeit, in der das Produktionsstudio Toho nach einem neuen Thema für sein Aushängeschild suchte, um konkurrenzfähig zu bleiben. Auf dem Regiestuhl nahm Yoshimitsu Bano, der vormals unter anderem als Regieassistent bei Akira Kurosawa tätig war, Platz und konnte sich über eine freie Bahn freuen, da Tanaka zu dieser Zeit im Krankenhaus lag. Bano inszenierte den wohl ungewöhnlichsten Beitrag überhaupt, der im Kern zwar erneut von Monstern handelt, die sich gegenseitig platt machen, bei eingefleischten Fans allerdings mit exzentrischen Einfällen wie Trick-Sequenzen, pseudowissenschaftlichen Exkursen, einem fliegenden Godzilla (!) und einem experimentellen Soundtrack, der zwischen Psychedelic Rock und Avantgarde Jazz pendelt, für ordentlich Verwirrung gesorgt hat und Banos gerade angefangene Regie-Karriere auf einen Schlag wieder beendete. Ein schräges Kleinod, dem man allein schon wegen seiner Eigensinnigkeit nicht ernsthaft böse sein kann, das es aber ebenso schwer macht, emotional anzudocken, da keine echten Sympathieträger angeboten werden, weil die menschlichen Figuren hier in einer beobachtenden Position am Rande des Geschehens stehen.

Frankensteins Höllenbrut (Japan 1972) • Regie: Jun Fukuda • Darsteller: Hiroshi Ishikawa, Yuriko Hishimi, Minoru Takashima, Toshiaki Nishizawa, Zan Fushita, Kunio Murai, Gen Shimizu

Frankenstein und die Ungeheuer aus dem Meer (Japan 1966) • Regie: Jun Fukuda • Darsteller: Akira Takarada, Kumi Mizuno, Chôtarô Tôgin, Hideo Sunazuka, Tôru Ibuki, Akihiko Hirata, Jun Tazaki, Tôru Watanabe, Ikio Sawamura

Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster (Japan 1971) • Regie: Yoshimitsu Banno • Darsteller: Akira Yamauchi, Toshie Kimura, Hiroyuki Kawase, Toshio Shiba, Keiko Mari, Yoshio Yoshida, Haruo Suzuki, Yoshio Katsube

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