Eine Post-Trump-Zeitreise

In letzter Zeit erschienen einige umfangreiche, sehr schöne Artikel über Science-Fiction-Autor William Gibson (im Shop), der die Zukunftsliteratur der Gegenwart wohl stärker prägte als sonst jemand seit Philip K. Dick. Dass sich der amerikanische „New Yorker“ und der britische „Guardian“ gerade wieder verstärkt mit dem gefeierten Cyberpunk-Pionier und Zukunftspropheten beschäftigen, hat natürlich damit zu tun, dass am 21. Januar die englischsprachige Erstausgabe von William Gibsons neuem Roman „Agency“ veröffentlicht wird.

„Agency“ hätte eigentlich schon wesentlich früher erscheinen sollen, doch der Wahlsieg von Donald Trump, den Gibson für unmöglich gehalten hatte und der den Visionär sechs Monate lang aus der Bahn warf, kam dazwischen. Der 1948 geborene, seit Langem im Kanada lebende Gibson ließ auch danach noch mehrere Deadlines platzen, um seine Geschichte der App-Flüsterin und Beta-Testerin Verity sowie der künstlichen Intelligenz Eunice an eine Post-Trump-Welt anzupassen. So wurde aus einem neuen eigenständigen Roman des „Neuromancer“-Genies ein Sequel zu Gibsons Buch „Peripherie“ von 2014, das nicht nur „Im Herzen des Imperiums“-Autorin Arkady Martine hoch in Ehren hält, wie sie im Interview sagt, und das die „Westworld“-Macher für Amazon in eine Fernsehserie verwandeln sollen. Zu Wilf Nethertons alternativer Zeitlinie des futuristisch-postapokalyptischen Londons aus „Peripherie“, die digital mit der Vergangenheit korrespondiert, gesellt sich in „Agency“ das San Francisco einer Gegenwart, in der Hillary Clinton 2016 die Wahl gewonnen hat.

„Peripherie“ erschien auf Deutsch zunächst als Hardcover bei Tropen und kürzlich als Paperback bei Knaur. Behalten wir hoffnungsvoll die Vorschauen im Auge. Wir mussten schließlich bereits lange genug auf den neuen Gibson warten …

Einen Auszug aus „Agency“ kann man hier hören.

William Gibson: Agency • Penguin Random House, New York 2020 • 495 Seiten • Hardcover: $ 28 • Sprache: Englisch