5. August 2019 3 Likes

Heimkino-Highlights im August

Neues und Altes jenseits des großen Saals

Lesezeit: 7 min.

Jeden Monat die gleiche quälende Frage angesichts eines Bergs von Neu-Veröffentlichungen: „Was lohnt sich?“ – regelmäßige Hinweise der Redaktion sollen das Leben zumindestens ein wenig leichter machen!

 

1. Nacht der Gejagten (1980)

Bei wem? Wicked Vision Als was? Mediabook Wann? 30.08.2019

Worum geht’s? Als Robert übers Land fährt, rennt ihm eine junge, verwirrte Frau vors Auto. Er nimmt sie mit, erfährt ihren Namen, Elizabeth, und realisiert, dass die unbekannte Schönheit offenbar nicht in der Lage ist, sich länger als an ein paar Minuten an etwas zu erinnern. Als Robert am nächsten Tag zur Arbeit geht, bricht der dubiose Dr. Francis bei ihm ein und bringt Elizabeth dazu, wieder in eine Art Privatklinik zurückzukehren, aus der sie ausgebrochen ist. In dieser Klinik werden die Opfer einer mysteriösen, durch eine Umweltkatastrophe ausgelösten Krankheit behandelt, die einen langsam, aber stetig fortschreitenden Gedächtnisverlust mit sich bringt und die Menschen in lebende Tote verwandelt. Doch Robert findet heraus, wo sich Elizabeth befindet und will sie unbedingt retten …


„Nacht der Gejagten“

Prognose: Man kann über ihn sagen, was man will, für die einen sind seine Filme Kunst, für die anderen Trash, aber der 2010 verstorbene französische Regisseur und Schriftsteller Jean Rollin, der vor langer Zeit gemeinsam mit dem Autor dieser Zeilen mal in einer Stuttgarter Wienerwald-Filiale saß und sich zu Recht wunderte, mit was für einem Saufraß die Deutschen sich so zufrieden geben, hatte das geschafft, wovon so viele Künstler ihr Leben lang träumen: einen komplett eigenständigen Stil. Allerdings stand genau dieser der ganz großen Karriere immer ein wenig im Weg. Auch wenn viele seiner Film von Vampiren, Mädels und nackten Vampirmädels bevölkert sind und ihm das einen Weltruhm der speziellen Art eingebracht hat, bewegte sich der Auteur mit seinem langsamen Erzähltempo, seiner Dialogarmut, den lyrischen Bildern und der oftmals melancholischen Atmosphäre mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen allen Stühlen – wenig hilfreich war auch, dass der eigenwillige Zelluloidmaestro mit den schmalen bis kaum vorhandenen Budgets selbst zur Hochphase des Exploitation-Kinos auf allzu explizite Szenen verzichtete, der Splatter und der Sex, der sich bei ihm findet, wurde ihm fast immer von Außen aufgedrängt und wirkt tatsächlich auch immer wie ein Fremdkörper. Rollin war durch und durch Künstler und dabei stilvoll bis zur Haarspitze. Wo Rollin draufsteht, ist garantiert Rollin drin.

Das gilt ebenso für „Nacht der Gejagten“, der zwar eine der wenigen Ausnahmeerscheinungen im rollinschen Köchelverzeichnis darstellt – Vampire sind weit und breit nicht zu sehen, mit seiner schwer greifbaren, im üblich schlafwandlerischen Tempo durchgezogenen Mischung aus Thriller, dystopischer Science-Fiction und der regelrecht spürbaren Begeisterung für Hauptdarstellerin Brigitte Lahaie –, aber irgendwie doch wieder typisch für ihn ist und mit seinen kalten, klinische Bildern ohne großes Effekte-Tralala eine ganz wunderbare Endzeit-Atmosphäre evoziert. Natürlich, der in gerade mal neun Tagen mit einem Mikro-Budget gedrehte Film ist alles andere als perfekt, unter anderem wirken die mal wieder aufgezwungenen Sexszenen fehl am Platz, aber die großartigen Bilder und die tollen Darsteller haben aus dem einstigen Flop im Laufe der Jahre völlig zu Recht einen kleinen Kultfilm werden lassen.

Nacht der Gejagten • Frankeich 1980 • Regie: Jean Rollin • Darsteller: Brigitte Lahaie, Vincent Gardére, Dominique Journet, Bernard Papineau, Rachel Mhas, Cathy Stewart

 


„Monster Busters“

2. Monster Busters (1987)

Bei wem? Wicked Vision Als was? Mediabook (Blu-ray & Bonus-DVD), VHS-Edition (Blu-ray & DVD in Verpackung, die in einer VHS nachempfunden ist) Wann? 30.08.2019

Worum geht’s? Alle 100 Jahre findet in einer Vollmondnacht der Kampf zwischen Gut und Böse statt und nun ist es wieder soweit. Graf Dracula kehrt zurück und hat die Mumie, Frankensteins Monster, den Wolfsmenschen und den Schrecken vom Amazonas im Schlepptau. Die Gruselbande will ein Amulett vernichten, das Allmacht verspricht und mit dessen Hilfe man das Böse für immer besiegen kann. Doch die Böswatz-Truppe hat nicht mit der „Monster Squad“ gerechnet, eine Gruppe Kids, die sich mit Knoblauchpizza, selbst gebastelten Silberpatronen und einer extra Portion Coolness in die Schlacht stürzen …

Prognose: Regisseur und Drehbuchautor Fred Dekker verkörpert für mich Himmel und Hölle auf zwei Beinen. Auf der einen Seite hat der Mann Totalschaden wie „Robocop 3“ (1993) oder jüngst „The Predator“ (2018) auf der Liste, auf der anderen Seite zeichnete sich Dekker für eine der liebevollsten und vergnüglichsten Sci-Fi-/Horror-Hommagen aller Zeiten („Night of the Creeps“, 1986) verantwortlich und auch für seinen Film „Monster Squad“ kann man ihm kaum böse sein, obwohl das Ganze über die Grundidee nicht hinauskommt, sondern primär von der Faszination lebt, die Monster auf kleine Jungs eben so ausüben. Das ist inhaltlich natürlich extrem dünn, aber auch so charmant, so kurzweilig und so liebevoll umgesetzt, dass man sich kaum wundert, dass bei in den letzten Jahren erfolgten Wiederaufführungen in den USA vor den Kinos kilometerlange Schlangen gesichtet wurden. Außerdem handelt es sich um einen der wenigen Filme, bei denen Remake-Pläne dank massiver Fanproteste fallen gelassen wurden! Kurz: Was für Menschen mit Sonnenschein im Herzen!

Monster Busters • USA 1987 • Regie: Fred Dekker • Darsteller: Andrew Gower, Robby Kiger, Stephen Macht, Duncan Regehr, Tom Noonan, Brent Chalem, Ryan Lambert

 


„Danny’s Doomsday“

3. Danny’s Doomsday (2014)

Bei wem? Fokus Media Als was? Mediabook (Blu-ray, DVD) (bereits als VOD erhältlich) Wann? 30.08.2019

Worum geht’s? Dank des Klimawandels entsteht eine neue Rasse fleischfressender Monster, die bald auch den kleinen dänischen Vorort erreichen, in dem Danny und sein wenig geliebter Bruder William zu Hause sind, die sich vor den Angreifern im Keller verbarrikadieren und von nun an lernen müssen, miteinander auszukommen …

Prognose: „Danny’s Doomsday“ ist ein weiteres Beispiel für die fragwürdigen Auswüchse der seit einigen Jahren grassierenden Mediabook-Welle. Mal abgesehen davon, dass man über den Sinn und Unsinn dieses Formats ohnehin vortrefflich streiten kann: Ein Film wie „Danny’s Doomsday“ benötigt nun wirklich kein 30€ teures Release, zudem an Extras lediglich ein Booklet, ein Trailer und eine Behind-the-Scenes-Featurette an Bord sind. Der dänische mit Horror- und Science-Fiction-Elementen gewürzte Familienfilm ist dabei nicht grundverkehrt und rauscht angenehm fluffig an einem vorbei, aber das ist halt auch der Punkt: Nette, belanglose Unterhaltung, nichts, was man nicht zuvor schon irgendwo mal gesehen hat – eine 9,99€-Disc hätte auch gereicht.

Danny’s Doomsday • Dänemark 2014 • Regie: Martin Barnewitz • Darsteller: William Jøhnk Nielsen, Thomas Garvey, Peter Gantzler, Emilie Werner Semmelroth, Lars Mikkelsen, Camilla Bendix

 


„The Bad Man“

4. The Bad Man (2018)

Bei wem? Illusion Unltd. films Als was? Mediabook (Blu-ray, 2 DVDs, 1 CD) Wann? 30.08.2019

Worum geht’s? Einer dieser Film, auf die man sich am besten komplett unvorbereitet einlassen sollte, deswegen jetzt mal nur ganz kurz: Mary und PJ kommen dank Erbschaft in den Besitz eines alten Hotels. Eines Tages steht ein seltsamer Fremder namens Lawrence unangemeldet vor der Tür, dem die beiden aus Freundlichkeit ein Zimmer anbieten. Großer Fehler! Denn Lawrence ist in Wirklichkeit ein Clown, ein böööööser Clown …

Prognose: Indie-Regisseur Scott Schirmer sorgt seit 2012 mit ungewöhnlichen und zum Teil ganz schön ungemütlichen Horrorfilmen wie „Found – Mein Bruder ist ein Serienkiller“ für Freude, die, und hier liegt ein Unterschied zum größten Teil der niedrigbudgetierten Genrefilmer, sich nicht auf das Widerkäufen des Immergleichen beschränken, sondern durch Experimentierfreudigkeit und erfreuliche Kompromisslosigkeit auftrumpfen. „The Bad Man“ kann man am besten aus Mischung aus Home-Invasion-Thriller, Torture Porn und Fetish-Erotik umschreiben, welche im letzten Drittel in eine schrill-derbe Satire gleitet, die sich anfühlt wie eine perverse Randepisode aus dem „Mad Max“-Universum.

Schirmers Semidystopie zeigt eine Gesellschaft außer Rand und Band, führt, in sicherlich übersteigerter, aber ungeheuer intensiver Form vor, wohin der nahezu ungebremste Kapitalismus, wohin eine Zeit, in der Menschen oftmals nur noch als Bausteine betrachtet werden, die man beliebig manipulieren und hin- und herschieben kann (Stichwort: „Human Resources“), führen könnte. Das ist in der Ausführung nicht gerade subtil, aber dank einem wahrlich furchtlosen Darsteller-Trio und einer wohlüberlegten, effizienten Regie dermaßen eindringlich, dass unsere Sittenwächter erst nach Kürzungen von satten 21 Minuten (!!!) das FSK-18-Siegel zückten (obwohl Schirmer lediglich an einer einzigen Stelle explizit wird!). Man kann „The Bad Man“ lieben oder hassen, vergessen wird man ihn so schnell nicht mehr und ehrlich, gegen Lawrence ist Kings Pennywise ‚ne Pussy!

Die ungeschnittene Fassung kommt im – ungeprüften – Mediabook (vorrangig über einschlägige Mailorder erhältlich), das allerdings in einem steilen Kontrast zur oben erwähnten Edition von „Danny’s Doom“ steht: Außer dem Film finden sich: Zwei Audiokommentare mit Schirmer und den beiden Hauptdarstellern Ellie Church und Jason Crowe, eine Spur mit dem isolierten Soundtrack und Audiokommentar von Komponist Justin Burning, Deleted Scenes, eine „Behind the Scenes“-Featurette, Teaser, Trailer, ein Bonusfilm auf DVD („Plank Face“, ebenfalls von Schirmer, ebenfalls sehenswert) und der komplette, wirklich exzellente Score auf CD. Abgerundet wird das Paket mit einem 48seitigen Booklet, an dem auch der Autor dieser Zeilen maßgeblich beteiligt war. Eine wirklich runde Sache also – Abenteuerlustige, die nicht gleich verschreckt sind, wenn’s mal quer liegt, sollten unbedingt zugreifen.

The Bad Man • USA 2018 • Regie: Scott Schirmer • Darsteller: Ellie Church, Arthur Cullipher, Jason Crowe, Dave Parker, Alyss Winkler, Kevin Roach, Brian Papandrea, David Hancock

 


„The Terror: Infamy“

… und was gibt’s im TV & Internet?

• She-Ra and the Princesses of Power, Staffel 3 – seit 02.08.2019, Netflix: Die letztjährige Reaktivierung der bekannten 1980er-Kinderzimmerheldin entpuppte sich als überraschend sympathisches Unterfangen, das sich über viel Liebe von Kritik wie Publikum freuen durfte. Dritte Runde also kein Wunder.

• The Terror: Infamy – ab 16.08.2019, Amazon Prime: Die Anthologie-Serie verschlägt’s in der zweiten Staffel in den zweiten Weltkrieg: Eine übersinnliche Macht hat’s auf eine Gruppe amerikanischer und japanischer Kriegsgefangener abgesehen …

Großes Bild ganz oben: „Nacht der Gejagten“, Wicked Vision

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