16. Oktober 2022 1 Likes

Heimkino-Highlights im Oktober 2022

Neues und Altes jenseits des großen Saals

Lesezeit: 7 min.

Jeden Monat die gleiche quälende Frage angesichts eines Bergs von Neu-Veröffentlichungen: „Was lohnt sich?“ – regelmäßige Hinweise der Redaktion sollen das Leben zumindestens ein wenig leichter machen!

 

1. 2046 (2004)

Bei wem? Plaion Pictures Als was? Mediabook (DVD, Blu-ray, Ultra HD Blu-ray ) Wann? 13.10.2022

Worum geht’s? Hongkong, 1966: Der Schriftsteller Chow schreibt in seinem Hotelzimmer an einem Science-Fiction-Roman. Je weiter er seine fiktive, in der Zukunft spielenden Liebesgeschichte vorantreibt, desto tiefer taucht er auch in einen Strudel von Erinnerungen an eigene Liebesaffären ein. Vor seinem inneren Auge treten die drei Frauen noch einmal auf, die für ihn wichtig waren. Jede hat ihre unauslöschliche Spur in seiner Seele hinterlassen, doch vor allem die Gedanken an seine einzige wirkliche, unerfüllt gebliebene Liebe verfolgen ihn. In seinem Kopf entsteht ein geheimnisvoller, faszinierend schillernder Bilderreigen, ein Sog aus schönen und traurigen Gefühlen, geheimen Sehnsüchten und wilden Leidenschaften. Und bald wird klar, dass Phantasie und sehnsuchtsvolle Erinnerungen untrennbar miteinander verbunden sind …

Prognose: Bei Wong Kar-Wai verhält er sich ein wenig so wie mit Terence Malick. Einst als großartiger Filmemacher mit eigener Handschrift gestartet (ewig gut: „As Tears Go By“, 1988; „Days of Being Wild“, 1990; „Chungking Express“, 1994; „Fallen Angels“, 1995) verirrte sich Wong mit der Zeit in immer prätentiösere Gefilde beziehungsweise schlich sich spätestens mit „In the Mood for Love“ (2000) eine gewisse Selbstgefälligkeit ein. Dass sich im Westen Feuilleton wie Kunstkino-Publikum (beide Parteien lassen das asiatische Kino ansonsten ganz gerne link liegen beziehungsweise akzeptieren Kino aus Asien nur, wenn westliche Sensibilitäten bedient werden) drauf einigten, dass der passionierte Sonnenbrillenträger ein ganz, ganz, ganz großer Künstler ist, bekräftigte Wong offenbar darin, auch wirklich nur noch ganz, ganz, ganz große Kunst abliefern zu wollen.


„2046“

Und so wurde „2046“, eine Art Fortsetzung zu „In the Mood for Love“, ein Mammutprojekt mit fünf Jahren Produktionszeit, das in Cannes buchstäblich in allerletzter Sekunde Premiere hatte, da der Regisseur bis kurz vor der Aufführung noch mit dem Schnitt beschäftigt war (nach der Premiere wurde erneut Hand angelegt). Natürlich ist das Ergebnis wunderschön anzuschauen, allerdings ist so ziemlich jeder Film, bei dem Christopher Doyle hinter der Kamera stand, wunderschön anzuschauen. Das kann aber leider nicht über den Umstand hinwegtäuschen, dass „2046“ ein Film ist, der seine Charaktere wie Schachfiguren von Station zu Station schiebt, ein Film, der von Emotionen handelt, diese aber nur behauptet, und vor allem ein Film, der eine Welt auffächert, die dermaßen erstarrt ist, dass eine Nebendarstellerin, Zhang Ziyi, die ihrer Rollen etwas zuviel Leben einhaucht, seltsam fehl am Platz wirkt. Natürlich, eingefleischte Fans werden mir wahrscheinlich energisch widersprechen und haben die mit Sicherheit wieder lohnenswerten Special Edition von Plaion schon lange vorbestellt, aber alle anderen werden beim Abspann an einen Ochsen vor dem Scheunentor denken und mit den Schultern zucken.

2046 China/Deutschland/Frankreich/Hongkong 2004 • Regie: Wong Kar-Wai • Darsteller: Tony Leung Chiu-Wai, Gong Li, Faye Wong, Takuya Kimura, Zang Ziyi, Carina Lau

 


„Meine Stiefmutter ist ein Alien“

2. Meine Stiefmutter ist ein Alien (1988)

Bei wem? Justbridge Entertainment Als was? Blu-ray Wann? 14.10.2022

Worum geht’s? Einen Lichtstrahl bis in eine andere Galaxis schießen, das ist das erklärte Ziel des Wissenschaftlers Steven Mills, der schon seit einiger Zeit verwitwet ist und so für seine Tochter allein sorgen muss. Als ihm das Experiment gelingt, hat das ungewöhnliche Folgen, denn Außerirdische schicken eine Botin auf den Planeten: die schöne Celeste. Die hat zwar vom Menschsein keine Ahnung, aber wenigstens hat sie noch ein Alien in der Handtasche, dass ihr die wichtigsten Sachen erklärt. Celeste macht sich an Steven heran, der vollkommen hin und weg ist…

Prognose: Im Grunde kein großer Wurf. Ähnliche fish-out-of-water-Plots gab’s in den 1980er-Jahren zuhauf (etwa „Crocodile Dundee“ oder der 80er-Jahre-TV-Kult „Alf“) und nicht jeder Gag sitzt. Aber: „Meine Stiefmutter ist ein Alien“ fliegt eben auch in angenehm schlanken 90 Minuten an einem vorbei und hat zudem mit der atemberaubenden Kim Basinger, die Sexikone der 80er-Jahre, ein Ass im Ärmel, das hier eindrucksvoll komödiantisches Talent beweist. Soll heißen: Kohle für ein Mediabook (gibt’s seit Dezember 2021) würde ich auf keinen Fall rüberwachsen lassen, aber der Zehner für die Single-Disc hier passt. Einfach ein okayer Stoff für stinkfaule Sonntagnachmittage.

Meine Stiefmutter ist ein Alien USA 1988 • Regie: Richard Benjamin • Darsteller: Dan Aykroyd, Kim Basinger, Jon Lovitz, Alyson Hannigan, Joseph Maher, Seth Green, Ann Prentiss

 


„Triggered: Dein Countdown läuft!“

3. Triggered: Dein Countdown läuft! (2020)

Bei wem? Nameless Media Als was? Mediabook (DVD & Blu-ray), VOD Wann? 06.10.2022

Worum geht’s? Neun Highschool-Freunde treffen sich fünf Jahre nach ihrem Abschluss zu einem Camping-Wochenende im Wald wieder. Als die Gruppe mitten in der Nacht aufwacht, wird sie von einem alten Lehrer begrüßt, der jedem seiner ehemaligen Schüler einen explosiven Brustgurt mit Countdown-Timer angelegt hat, der explodiert, sobald die individuelle Zeit abgelaufen ist. Es gibt jedoch einen Weg, sein Zeitkonto aufzubessern: Je mehr Freunde du tötest, umso länger darfst du leben …

Prognose: Death Games ist ja prinzipiell ein dankbares Genre: Die simplen Settings erlauben ohne allzu große dramaturgische Kraftanstrengungen maximale Intensität und mit etwas Cleverness lässt sich noch genug Sozialkritik unterbringen, um eine ordentliche Ladung Guts & Gore zu rechtfertigen. Große Regisseure haben Meisterwerke wie Battle Royale (2000) gedreht, weniger große immer noch sehr unterhaltsame Filme wie „Running Man“ (1987) oder „Toxic Insects“ (2016) und selbst auf eine Serienstaffel ausgewalzt klappt so was noch halbwegs (Squid Game, seit 2021). Es gibt aber leider auch Titel wie „Die Todeskandidaten“ (2007), „Belko Experiment“ (2016) oder so einige Teile der endlosen „Saw“-Serie, die es noch nicht mal schaffen, selbst die allerschlichtesten Gelüste nach möglichst rabiatem Gemetzel so richtig zu befriedigen und dazu gehört auch „Triggered“, der aus dem filmtechnisch eher exotischen Südafrika kommt, was sich aber leider nicht bemerkbar macht – es könnte genauso gut sein, wir uns im Nationalpark Kellerwald-Ederseen befinden. Die Protagonisten latschen jedenfalls den ganzen Film durch einen Forst, der in der Hoffnung, dass die Zuschauer nicht merken, dass die Protagonisten permanent durch genau ein Set laufen, extra penetrant ausgeleuchtet wird. Aber auch sonst ist Sparflamme angesagt: Zum leichten Schmunzeln regen höchsten die Gameboy-mäßigen Anzeigen der Brustgurte an, die meiste Zeit werden von mäßig bis gar nicht talentierten Schauspielern uninteressante, zwischenmenschliche Probleme – gerne brüllend – ausgefochten. Es dauert nicht lange, bis man regelrecht herbeisehnt, dass die Brustgurte endlich explodieren und zwar ALLE.

Triggered: Dein Countdown läuft! • Südafrika 2020 • Regie: Alastair Orr • Darsteller: Reine Swart, Sean Cameron Michael, Liesl Ahlers, Suraya Rose Santos, Steven John Wart

 


„Dead End Drive-In / Crabs - die Zukunft sind wir“

4. Dead End Drive-In (1986)

Bei wem? Excess Als was? Mediabook (DVD & Blu-ray) Wann? 17.10.2022

Worum geht’s? Die Weltwirtschaft liegt am Boden, die Umwelt ist vergiftet und der gesellschaftliche Zusammenhalt gänzlich zusammengebrochen. Die Zukunftsaussichten sind düster und der Stärkere gewinnt. In dieser Welt versucht Jimmy seinen Schwarm mit einem Besuch im Autokino zu beeindrucken. Mit einem geliehenen Wagen machen es sich die beiden bequem und merken nicht, dass sie eigentlich in einer perfiden Variante eines Jugendstraflagers gelandet sind. Aus diesem gibt es kein Entkommen, regelmäßige Filmvorstellungen sollen die Gemüter beruhigen. Doch Jimmy gibt nicht auf und sagt dem System endgültig den Kampf an …

Prognose: Ach wie schön – erst in der letzten Rubrik hatte ich „Hell Comes To Frogtown abgefeiert und schon lässt das gleiche Label einen weiteren Science-Fiction-Geheimtip auf die Meute los, der auf eine 1974 veröffentlichte Kultgeschichte des Schriftstellers Peter Carey basiert. „Dead End Drive-In“ nutzt sein äußerst zugespitztes Setup, um universelle Teenager-Ängste zu verhandeln – Ängste vor Entindividualisierung, Vereinahmung durch Gesellschaft und Staat – und kennt darauf nur eine Antwort: Freiheit! Man muss ausbrechen, radikal, sowohl aus seinem inneren, wie auch aus seinem äußeren Gefängnis, das Morgen kann dann nur besser werden und selbst wenn es das nicht wird: Alles ist besser als in Gefangenschaft zu sterben. Das mag sich jetzt vielleicht etwas schwülstig anhören, kommt aber aufrichtig und ehrlich daher, dürfte einer der wenigen Filme dieser Ära sein, die sich dem Thema Rassismus widmen und ist gespickt mit prägnanten Charakteren, toll gestalteten Sets und herrlich subversivem Humor: So lässt Regisseur Brian Trenchard-Smith im Autokino-Straflager gleich zwei seiner eigenen Filme laufen – verbunden mit der Message, dass man doch seine Zeit nicht mit Filme gucken vergeuden, sondern lieber nach draußen gehen soll!

Das Mediabook kommt mit einer Reihe Extras (Booklet mit einem Text von mir, Audiokommentar von Prof. Dr. Marcus Stiglegger & Dr. Kai Naumann, zwei Interviews mit dem Trenchard-Smith etc.) daher, was sehr lobenswert ist, da gerade solche „kleinen“, selbst in Fankreisen nicht ganz so bekannten Filme gerne vernachlässigt werden.

Dead End Drive-In Australien 1986 • Regie: Brian Trenchard-Smith • Darsteller: Ned Manning, Natalie McCurry, Peter Withford, Wilbur Wilde, Brett Climo, Dave Gibson

 


„Another Monday“

und was gibt’s im TV & Internet?

The Walking Dead, Staffel 11 – ab 03.10.2022, 7Fun: Weitere Folgen der letzten Staffel des Zombie-Dauerbrenners.

Another Monday, Staffel 1 – ab 11.10.2022, ZDF Neo: Mysteryserie aus Deutschland, um drei Protagonisten, die herausfinden müssen, wieso sie in einer Zeitschleife gefangen sind. Hier gibt’s die Review von Michael Meyns.

Rick & Morty, Staffel 6 – ab 17.10.2022, Warner TV Comedy: Darf sich als geguckt betrachten.

Abb. ganz oben: „Dead End Drive-In / Crabs - die Zukunft sind wir“, Excess

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