Making Records: Home Recordings c. 1890-1920
Allererste Audioaufnahmen – als die Zukunft begann
Angesichts des alltäglichen Sprachnachrichten-Terrors wünscht man sich die Zeit fast schon wieder zurück: Sprachaufnahmen waren Ende des 19. Jahrhunderts noch was ganz Besonderes, zeitlich sehr, sehr stark begrenzt und auch nicht überall und jederzeit mal eben so auf Knopfdruck umsetz- und verschickbar. 34 der einst mit Phonographenzylinder angefertigten Resultate kann man sich jetzt dank der Compilation „Making Records c. 1890-1920“, veröffentlicht vom britischen Label Death Is Not The End, anhören.
Es handelt sich um eine Sammlung von DIY-Heimaufnahmen, die aus den frühen Jahren der weit verbreiteten Phonographietechnologie zwischen dem späten 19. und dem frühen 20. Jahrhundert stammen. Die Aufnahmen kommen aus der Sammlung von David Giovannoni, die an der University of California aufbewahrt wird.
Und Giovannoni meint dazu:
Phonographenzylinder kamen Ende der 1890er Jahre zum ersten Mal in die Wohnzimmer und blieben dort, bis sie in den 1920ern durch neuere Technologien verdrängt wurden. Sie holten professionelle Entertainer zu uns nach Hause und ließen uns ihre Auftritte nach Belieben erleben. Sie gaben uns auch die Möglichkeit, Aufnahmen zu machen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit konnten wir akustische Selfies, Audio-Schnappschüsse mit Freunden und auditive Porträts von geliebten Menschen machen. Unsere Phonographen haben die Geräusche des Alltags eingefangen, sowohl alberne als auch ernste: das Schreien des Babys, Johnnys frechen Witz, Omas Lieblingslied, wie nur sie es singen konnte, unsere Briefe an geliebte Menschen in fremden Ländern oder 100 Jahre in der Zukunft. Bei uns zu Hause sprachen wir unabhängig von kommerziellen Bedenken oder den Erwartungen der Ethnographen. Unsere Phonographen lauschten, wer wir waren und was wir wertschätzten, ohne Einmischung oder Kritik.
Das kommt dem Alter entsprechend verrauscht und verknackst daher und klingt teilweise schön spooky, teilweise denkt man aber: Im Prinzip genauso blöd wie Sprachnachrichten.
Hier kann man sich alles anhören, zum „Name Your Price“-Tarif runterladen oder auf Kassette kaufen.
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