14. August 2017 1 Likes

Es ächzt im Gebälk

Hat das Antlitz seines Vaters vergessen: „Der Dunkle Turm“

Lesezeit: 3 min.

Wie macht man aus fast 6.000 Buchseiten 90 Minuten Kino? Stephen Kings Groß-Epos um die Suche von Revolverheld Roland nach dem Dunklen Turm, jene fortlaufende „neverending story“, die im Zentrum von Kings Schaffen steht, umfasst mittlerweile acht Romane, eine Kurzgeschichte sowie diverse Graphic Novels. Ein narratives Universum, ein Perpetuum Mobile, das sich nicht nur motivisch (selbst für King-Verhältnisse) unfassbar offen präsentiert (Fantasy, Horror, Odyssee, Western, historischer Roman, Gangsterfilm, Science-Fiction, alles drin), sondern auch nach allen Seiten durchlässig ist für Verweise auf das Gesamtwerk des Groß-Schriftstellers aus Maine, USA. King selbst bezeichnet den Dunklen Turm als seinen Jupiter, als größtes Gestirn seines Sonnensystems, der alle anderen Planeten in den Schatten stellt. Es ist ein beispielloses Fest der Fantasie, der Erzähllust und des literarischen Flows.

Da anscheinend kein King-Stoff unverfilmbar bleiben soll – allein in diesem Jahr erscheinen mit Es, Das Spiel und Mr. Mercedes drei weitere prominente Adaptionen, im nächsten Jahr wird J.J. Abrams mit Castle Rock ein intertextuelles TV-Experiment starten –, gibt es nun auch Rolands Geschichte in bewegten Bildern. Schon lange geistert die Dark Tower-Verfilmung durch die Produktionsbüros, zuletzt hieß es, Regisseur Ron Howard plane eine Kombination aus diversen Kinofilmen sowie einer TV-Serie, um der schieren Fülle an Quellmaterial gerecht zu werden. Die Realität sieht nun anders aus – gerade mal auf gute eineinhalb Stunden kommt das fertige Produkt des Dänen Nikolaj Arcel. Fortsetzungen in Kino und TV sind zwar geplant, aber nach dem Flop an den Kinokassen eher unwahrscheinlich.

Dabei ist Arcels Film weit von einem spektakulären Debakel entfernt. Im Gegenteil – wir haben es hier mit etwas erschreckend Unspektakulärem zu tun. Das Drehbuch-Team um Routinier Akiva Goldsman hat aus den Romanen eine sehr geradlinige Fantasy-Geschichte mit klar definierten Pro- und Antagonisten extrahiert, die sich kurz und knackig über die Leinwand ergießt. Mal gut besetzt – Idris Elba ist erwartungsgemäß perfekt als Roland – mal weniger gut – Matthew McConaughey spielt in seinem eigenen kleinen Film –, kompetent fotografiert, mit angemessenem Pomp orchestriert, amtlich action-choreographiert. Dass alles etwas gehetzt wird, dürfte wohl vor allem am Eingreifen des Studios liegen, das hier nach eher negativ bewerteten Test-Screenings eifrig den Rotstift zückte. Egal, es macht durchaus Spaß, ikonische Orte wie die Mohaine-Wüste oder Algul Siento und Gestalten wie die Taheen zu sehen und den berühmten Anfangssatz der Romanreihe im filmischen Kontext zu hören. Auch die Reduktion von Rolands fünfköpfigem Ka-Tet, seiner Schicksalsgemeinschaft, auf den Revolverheld und seinen nominellen Azubi Jake Chambers ergibt Sinn und sorgt für einige amüsante Terminator 2-Momente.

Doch was nützt das alles, wenn der Kontext fehlt? Wenn der durchschnittliche Kinozuschauer das Besondere dieser hier doch recht generisch wirkenden Landschaften und Kreaturen kaum nachvollziehen dürfte und sich einem erstaunlich 90er-Jahre-haften Fantasy-Produkt ausgesetzt sieht, das mehr als einmal den miefigen Dunst des Syfy-Channels versprüht? Es fehlt hier schlicht an Größe, an Scope, alles wirkt erstaunlich klein, eng und hermetisch. Auf dieser Ebene ist Der Dunkle Turm mithin also das genaue Gegenteil von Kings gigantischem, weiten, offenen Großroman. Wie zahlreiche King-Verfilmungen vor ihm kann man sich auch diesen Dark Tower durchaus ansehen, im Rahmen jenes besonderen Sub-Genres gehört er sogar zum oberen Durchschnitt, was jedoch angesichts von Bedeutung und Gestaltung des Quellmaterials das wohl fatalste Urteil sein dürfte.

„Der Dunkle Turm“ ist seit dem 10. August bei uns im Kino zu sehen.

Der Dunkle Turm • USA 2017 • Regie: Nikolaj Arcel • Darsteller: Idris Elba, Matthew McConaughey, Tom Taylor, Jackie Earle Haley, Abbey Lee, Dennis Haysbert

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