12. Februar 2018 3 Likes

Wasser als Herausforderung

„Shape of Water - Das Flüstern des Wassers“: Im Gespräch mit Production Designer Paul D. Austerberry

Lesezeit: 7 min.

Als Production Designer und Art Director hat Paul D. Austerberry Einfluss auf das Aussehen und das Ambiente vieler Hollywood-Filme – die großen Drehorte und Kulissen liegen dabei genauso in seiner Verantwortung wie ihre detailreiche, akkurate Ausstattung. Unter anderem wirkte der Kanadier an „Pompeii“, „Die drei Musketiere“, „Eclipse – Biss zum Abendrot“, „Death Race“, „30 Days of Night“, „Resident Evil: Apocalypse“ und „X-Men“ mit. Zuletzt half er dabei, Guillermo del Toros „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ Gestalt annehmen zu lassen, das für dreizehn Oscars nominiert wurde, als eines der ersten großen Filmhighlights des Jahres gefeiert wird und am Donnerstag in den deutschen Kinos anläuft. Im Interview spricht Austerberry über seine Karriere, die Zusammenarbeit mit Monstermeister del Toro und natürlich die Inszenierung von „Shape of Water - Das Flüstern des Wassers“.

 

Hallo Paul. Hast du dich schon im Kinderzimmer kreativ ausgetobt?

Mein Lieblingsspielzeug war immer Lego. Und das war die Zeit, als du größtenteils nur Sets aus Gebäudebausteinen hattest und deine eigene Vorstellungskraft nutzen musstest, um Dinge zu erschaffen, anstatt der Anleitung zu folgen und ein bestimmtes Objekt oder eine bestimmte Konstruktion zu bauen. Ich habe während meiner gesamten Schulzeit Kunst studiert, und meine Mutter war eine Grafikerin, es war also ein ziemlich kreativer Haushalt.

Hattest du immer die besten Halloween-Kostüme?

Als Kind traurigerweise nicht, aber als ich Architektur studierte, hatten wir eine alljährliche Kostüm-Mottoparty, und die war gigantisch!!

Wie bist du beim Film gelandet?

Nach meinem Studium an der Universität arbeitete ich einige Jahre lang in einem Architekturbüro in Toronto, wo ich mich mit einer Reihe von Leuten anfreundete, die im Independent-Filmgeschäft tätig waren, das damals in den frühen 90ern in Toronto gerade erst abhob.

Du hast schon in vielen Genres gearbeitet: Historie, Superhelden, Horror, Postapokalypse. Was ist am schwierigsten?

Ich würde sagen, dass historische Filme am meisten fordern, da du im Vorfeld, für die Vorbereitung des Films, viel Recherche betreiben musst. Ein zeitgenössischer Film ist natürlich viel einfacher, da du oft existierende Locations für einen Dreh nutzen kannst, ohne sie groß zu verändern, während bei einem historischen Film viele moderne Elemente verborgen oder passende Dinge aus der jeweiligen Periode der Vergangenheit nachgebaut werden müssen. Ich mag es, wenn Filme ein paar düstere Elemente haben. Ich weiß noch, als ich einer der beiden Art Directors des ersten „X-Men“-Films war, und irgendwie war ich für die Sets aller „Guten“ verantwortlich und ein wenig neidisch auf meinen Kollegen, der sich um die Sets der „Bösen“ kümmerte. Das einzige Problem mit der Apokalypse besteht wiederum darin, dass für gewöhnlich bei Nacht gedreht wird und es keine Elektrizität gibt, weshalb es immer schwierig ist, Erklärungen für die Beleuchtung zu finden, die der Kameramann braucht.

Bist du ein Kontrollfreak, während ein Set entsteht, und hat das auch Einfluss auf dein Privatleben?

Ich würde mich selbst nicht als Kontrollfreak bezeichnen. Wenn möglich, mache ich gerne den ersten Durchlauf eines Entwurfes, bevor ich ihn dem Set-Designer oder dem Konstrukteur zum Entwickeln gebe, doch als Designer musst du lernen zu delegieren, sonst wirst du nicht rechtzeitig fertig. Filmemachen ist Teamarbeit, deshalb musst du derjenige sein, der die Entwürfe lenkt und das beste aus deinem Design-Team herausholt. Mein Privatleben ist entspannter, aber ich entwerfe oder baue ständig Dinge für mein Zuhause oder das meiner Freunde.

Hat die Wichtigkeit von Computer-Effekten deine Arbeit verändert?

Computer-Effekte in Filmen erlauben es uns jetzt, größere Welten zu erschaffen. Früher plante man solche Shots viel strenger, wohingegen Regisseure heute beim Dreh wesentlich freier sind und oft denken, dass sie etwas in der Post-Production hinbiegen. Das hat Vor- und Nachteile. Ich bevorzuge es, wenn alles genau geplant ist und wir uns schon ausdenken können, was in der Post ergänzt wird; doch heutzutage läuft es immer öfter so ab, dass hinterher viel hinzugefügt wird und der Production Designer da schon nicht länger am Film arbeitet. Ich versuche während der Post-Production-Phase mit der Visual-Effects-Abteilung in Kontakt zu bleiben, um dabei zu helfen, das Design zu steuern, jedoch klappt das nicht immer, was meines Erachtens nach problematisch sein kann.

Du hast an vielen Adaptionen gearbeitet. Ist es leichter, wenn ein bereits existierendes Franchise eine klare visuelle Linie für einen Film vorgibt?

Wenn man bei den Entwürfen ein Franchise oder auch einen Comic als Grundlage hat, kann das äußerst hilfreich sein, weil hier häufig schon ein spezieller „Look“ erschaffen wurde. Das hilft als Guide zu den Locations oder Set-Designs, die wir suchen. Natürlich müssen wir alle darin übereinstimmen, dass uns das Aussehen des Quellmaterials gefällt und wir es emulieren wollen.

Viele Filme von Regisseur Paul W. S. Anderson tragen deine Handschrift. Wie wertvoll ist so eine kreative Langzeitbeziehung?

Es ist genial, wenn du mit einem Regisseur eine solche Beziehung entwickelt hast, denn dann existiert ein hohes Level an Vertrauen und gegenseitigem Verständnis dafür, was man design-technisch sehen will. Mit Paul Anderson zu arbeiten macht außerdem immer Spaß, da er darauf steht, große visuelle Sets zu erschaffen, und er dann auch jeden Zentimeter dieser Sets auf Film bannt, den man ihm gibt. Er will es sogar immer noch größer!! 

Wie war die Zusammenarbeit mit Guillermo del Toro, dem Meister der Monster und Details, an „Shape of Water“?

Mit Guillermo del Toro zu arbeiten, war eine großartige Erfahrung, weil er visuell so detailliert ist. Seine Drehbücher sind unglaublich anschaulich und bildhaft, und das ist nur der Anfang. Er gibt dir visuelle Referenzen aus Filmen, die er liebt, und Fotos, und er fertigt natürlich auch liebend gerne Skizzen an. Wie man sich vielleicht vorstellen kann, liegt ihm das Art Department um Szenenbildner und Maskenbildner ungeheuer am Herzen. Sicher, seine Monster sind seine absoluten Favoriten, doch während der Pre-Production besuchte er das Art Department, sobald er ankam, und kehrte häufig am späten Nachmittag zu uns zurück, um die Fortschritte zu begutachten, die wir gemacht haben. Es war ziemlich stressig, ihm voraus zu bleiben, aber er weiß das, was wir tun, immer zu schätzen. Es ist wundervoll, für jemanden zu arbeiten, der das Entwerfen und Designen versteht. Er hat uns stets gepusht, unser Bestes zu geben.

Del Toro arbeitet für frühe Entwürfe gern mit Guy Davis zusammen, einem Veteranen der Hellboy-Comics. Was bringt jemand wie er in deinen Bereich beim Film?

Guy ist ein fantastisches Talent mit vielen, äußerst kreativen Idee. Er unterhält eine großartige, enge Beziehung mit Guillermo und versteht ihn und seine Entwurfsideen. Guy hat einen lockeren Stil und kann sehr schnell verschiedene Optionen zeichnen, was gut für Guillermo ist, der gerne verschiedene Designstudien hat, aus denen er auswählen kann.

Wie lange haben du und dein Team gebraucht, um die Welt von „Shape of Water“ entstehen zu lassen?

Im Herbst 2015 lag mir eine frühe Version des Drehbuchs vor. Ich bereitete seit acht Wochen „Pacific Rim 2“ mit Gullermo vor, als er sich entschied, dass er wirklich „Shape of Water“ verfolgen will, das sein Herzensprojekt war. Wir hatten kein großes Budget für den Film, darum mussten wir warten, bis Guillermos TV-Serie „The Strain“ (im Shop) im Sommer 2016 in eine Auszeit ging, sodass wir den prinzipiell freien Platz in Büro und Studio nutzen konnten. Am Ende waren es zehn Wochen Vorbereitung vor dem ersten Drehtag. Ich hatte bereits auf eigene Rechnung ein paar 3D-Designstudien des Laboratorium-Sets erstellt, doch mein Art Director und mein Design-Team fingen mit gerade mal acht Wochen Vorbereitung an.

Was hat bei der Arbeit an „Shape of Water“ den meisten Aufwand gemacht?

Einige der Einheiten, die das Geschöpf beherbergen, waren am schwierigsten herzustellen. Den rollenden Tank zu produzieren, dauerte zwei Monate, weshalb wir mit dem Design bereits begannen, als wir noch für mehrere Wochen gar kein Büro hatten. Sobald wir damit anfingen, das Laboratorium zu bauen, stellten sich die ganzen verrückten Stahlrohre als weit komplizierter heraus, als ich mir ausgerechnet hatte.

Ist Wasser eine besonders kritische Komponente für einen Production Designer und seine Crew?

Ja, in den Set-Designs Wasser zu erlauben, war eine spezielle Herausforderung. Wir drehten ein paar Szenen „dry-for-wet“ [red. Anm.: trocken als nass], indem wir die Schauspieler und Objekte an Drähten schweben ließen und mit Rauch, Projektionen oder gekräuseltem Licht arbeiteten, um mithilfe von ein paar digitalen Spezialeffekten das Gefühl zu erwecken, unter Wasser zu sein. Dennoch mussten wir für die Badezimmer-Szene am Set von Elisas Wohnung mit einer Menge Wasser klarkommen. Einiges davon bekamen wir außerhalb mit kleinen Wannen und SPFX-Ausrüstung für Kameratricks hin, doch wir mussten auch einen separaten Tank bauen, um das Badezimmer-Set vollständig unter Wasser zu setzen. Die größte Sorge ist, dass das Wasser ganz leicht verunreinigt werden kann und dann zu trüb wird, um genug für das Drehen der Szene zu sehen. Wir mussten alle Materialen und Malmethoden genau überprüfen, bevor wir das Set fluteten. Wir haben die Wände des Sets aus Aluminium gebaut und Automobilspachtelmasse anstelle von Holz und Gips genommen, die wir sonst verwenden. Jede Farbe war ein Lack, damit sie sich nicht sofort abpellt.

Bist du geknickt, wenn die aufwendigen Sets und „Welten“, die du zum Leben erweckt hast, zerlegt werden und verschwinden?

Früher war ich ziemlich traurig und ein wenig verstimmt, wenn ich sah, wie schnell die Sets zerstört wurden, doch im Laufe der Jahre begreifst du, dass das immer passieren wird und dass deine Bilder und Ideen für alle Ewigkeit auf der Kinoleinwand und dem Fernsehbildschirm leben. Ich behalte allerdings immer ein kleines Andenken von den Filmen, an denen ich arbeite.

Danke für diesen Einblick in deine Arbeit.

Gern geschehen!

„Shape of Water - Das Flüstern des Wassers“ startet am 15. Februar in den deutschen Kinos.

Alle Abb. © 2018 Twentieth Century Fox

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