25. Juli 2018 1 Likes

Lost On Mars

Ubisofts zweite „Far Cry 5“-Erweiterung dreht ordentlich am Alternative-Setting-Rad

Lesezeit: 5 min.

Folgendes Szenario: Ein Typ fährt mit seinem Truck durch die amerikanische Hinterlandprärie nach Hause, als er plötzlich einen Anruf von einem ziemlich durchgeknallten, ihm aber bestens bekannten Dude erhält. Der erinnert ihn daran, dass er ihm doch eigentlich noch einen Gefallen unter Freunden schuldig wäre und ehe sich unser Heimfahrer versieht, wird er in bester Akte X-Manier von einem weißen Licht gen Himmel gezogen.

Besagten Dude trifft er dann – Überraschung – in Persona in einer Weltraumstation auf dem Mars wieder, wobei dieser nur noch seinen Kopf buchstäblich beisammen hat und zusammen mit einer KI namens Anne zu Protokoll gibt, dass man seinen Körper wieder zusammensetzen und ein fieses Alienvolk davon abhalten müsse, eine drohende Invasion auf die Erde zu starten. Warum man der unbekannten Anne eigentlich vertrauen sollte, weiß man zwar nicht wirklich, aber wenn man schon mal eine weibliche KI trifft, der man dann auch noch den Hof machen kann, indem man ihr zur vollen Leistungsstärke verhilft – wer mag das schon hinterfragen?

Dieses wunderbar klischeehafte und über die gesamte Spielzeit mit sehr viel Selbstironie zusammengesponnene Szenario bildet das Storygerüst von Lost On Mars, dem zweiten separat erhältlichen Zusatzkapitel zum Shooter Far Cry 5, der im Frühling diesen Jahres für PS4, Xbox One und PC erschien und mit Sci-Fi eigentlich ungefähr so viel am Hut hat wie Donald Trump mit nachvollziehbarer Politik.

Trump ist in doppelter Hinsicht ein gutes Stichwort, denn im Hauptspiel Far Cry 5 ging es in das fiktive Hope County im realen US-Bundesstaat Montana, wo Trump sicherlich viele Fans haben dürfte (und worauf das Game sogar anspielt). Ob die echten Einwohner Montanas allerdings ähnlich schräg drauf sind wie Sektenführer Joseph Seed, der zusammen mit seinen drei Geschwistern in Hope County eine ganze Armee schießwütiger Fanatiker um sich geschart hat, um einen brutalen Gottesstaat im Staate zu errichten, darf dann doch getrost bezweifelt werden.

Als junger Deputy, der Seed und seinen Anhängern das Handwerk legen will, nimmt man (wie für die Far Cry-Reihe üblich) innerhalb einer großen offenen Spielwelt zahlreiche Story-, Zusatz- und sonstige Missionen an, um die eigenen Fähigkeiten via Talentbaum weiterzuentwickeln, das eigene Waffenarsenal auszubauen und Kilometergeld beim Abklappern der Worldmap zu sammeln.

Kurz gesagt: Far Cry 5 überzeugte (ähnlich wie seine ebenfalls eher generischen Vorgänger) als ausschweifender, lebendiger, gut spielbarer und bei der Action flott inszenierter Open-World-Shooter mit Multiplayer-Optionen und launigem Arcade-Spielmodi; enttäuschte aber mit einem schlecht integrierten Storytelling, ausgelutschten Klischeefiguren (Stichwort waffenverliebte Hillbillys als religiöse Fanatiker) und insgesamt wenigen Gameplay-Innovationen.

Dass Ubisoft aber bei Far Cry ein gutes Händchen hat, gerade mithilfe der zusätzlichen (kostenpflichtigen) Erweiterungen zu den Hauptspielen nicht einfach nur 0815-Nachschlag abzuliefern, wurde spätestens mit dem Far Cry 3-DLC Blood Dragon offensichtlich. Denn Blood Dragon hatte neben der Spielmechanik und einigen rudimentären Parallelen mit dem Hauptspiel story- wie settingtechnisch nichts mehr zu tun und verstieg sich in eine höllisch stillsichere und bis ins Detail liebvolle Hommage an die B-Movie-Kultur der 80er, die viele Spieler bis heute als das bisher beste Far Cry überhaupt einstufen.

In diese Kerbe schlägt ebenfalls das am 17. Juli erschienene Lost On Mars mit seinem bereits geschilderten Sci-Fi-Setting, das auf die erste Erweiterung Hours of Darkness folgt, die einen Wechsel hin zum Vietnamkrieg vornahm. Bei den beiden oben genannten Typen in Lost On Mars handelt es sich um Nick Rhy (der Fahrer und gleichzeitig die einzige spielbare Figur) und Hurk (der Typ ohne Körper), die beide im Hauptspiel als NPCs an der Seite des Deputy agierten.

Speziell Hurk fiel schon dort als völlig bescheuerter wie komplett selbstbezogener Kerl auf, den außer seinen Sprüche (und seinen Raketenwerfer) eigentlich nichts positiv auszeichnet. Nick hingegen durfte sich als Inhaber eines Flugplatzes und Familienvater etwas besser in Szene setzen, darf allerdings ebenfalls in die Kategorie „sympathische Flachpfeife“ eingeordnet werden.

Während Hurk uns in Lost On Mars als Roboter-NPC begleitet und neben seinen Sprüchen mit leichterer Feuerkraft die Gegner malträtiert, sind wir dagegen in Ego-Sicht als Nick im Raumanzug unterwegs und dürfen uns dabei neben mehreren verschiedenen Laserwaffen zwischen Gun und Sniper-Gewehr noch auf einige andere Gadgets wie einen Schwerkraftgürtel freuen, mit dem wir auf dem roten Planeten zumindest zeitweise durch die Lüfte schweben können.

Die Weltkarte ist dabei entsprechend des kleineren DLC-Preises von 10 Euro und des Spielzeitumfangs von gut 5-6 Stunden nicht annähernd so groß wie beim Hauptspiel und bietet weder soviel Abwechslung noch ähnlich viele Zusatzaufgaben. Mit unseren zwei Trotteln sind wir auf der Suche nach Hurks überall verstreuten Körperteilen und wichtigen Energiezellen, mit denen wir verschiedene Anlagen auf der Planetenoberfläche wieder zum Laufen und so Annes Leistungspegel bis maximal 100 Prozent bringen.

Dem im Weg steht besagtes Alienvolk, das sich am besten als gigantische Krabbenwesen umschreiben lässt. Während wir uns über die Planetenoberfläche bewegen, mit freigeschalteten Anlagen unser Arsenal erweitern und uns an der flüssigen Spielbarkeit erfreuen, greifen uns die Krabbenwesen bevorzugt aus der Luft oder frisch aus dem Boden hervorgekrochen an.

Größere Endbosse gibt es – bis auf das eher durchschnittliche Finale – nur in Form von 15 größeren Krabbenköniginnen, die sich allerdings alle gleich spielen. Überhaupt ist das bezogen auf das Gameplay wohl der größte Kritikpunkt an Lost On Mars: die wenigen Feindklassen unterscheiden sich nur marginal und wiederholen sich zu oft. Hier hätten zumindest 1-2 weitere Klassen schon gereicht, um das Gameplay angemessen aufzufrischen.

Dennoch haben es sich die Entwickler nicht nehmen lassen, mit ein paar skurrilen, eher traumartigen Zwischenstationen für Abwechslung zu sorgen. Wenn wir in diesen Szenen mehrfach in das Setting das Hauptspiels (also Montana) zurückkehren und dort von Monstern verfolgt durch einen Parcour hetzen oder unsere Angreifer in ausgelegte Sprengfallen locken, setzt der DLC angenehm frische Zusatzakzente.

Technisch gibt es bis auf die eher detailarmen Texturen nichts wirklich zu meckern. Die guten (auch deutschen) Sprecher versorgen die Figuren dazu mit dem nötigen „Charme“, der Soundtrack untermalt das Geschehen besonders in den Duellen mit den Königinnen (Stichwort 80er Hardrock) mehr als akkurat und die für ein Open World-Game fast schon obligatorischen KI-Merkwürdigkeiten speziell im Gegnerverhalten stören nur am Rande.

Fazit

Wer vielleicht schon länger mit Far Cry 5 geliebäugelt, sich aber dann doch noch nicht zum Kauf durchringen konnte, erhält mit Lost On Mars, der zweiten von insgesamt drei geplanten Zusatzerweiterungen des Hauptspiels, ein weiteres Argument für den Kauf.

Der abgedrehte Humor dieses Sci-Fi-Ausflugs auf den roten Planeten unterhält zum kleinen Preis von 10 Euro (wobei das Hauptspiel allerdings zwingende Voraussetzung zum Spielen ist) und bietet mit seinem eigenwilligen Humor, einer zeitweise angenehm aufgelockerten Shooter-Mechanik und einer zwar nicht brillanten aber ordentlich designten offenen Welt genug Anreize, um sich auf absurde Missionen wie die Suche nach Körperteilen zu machen.

Wer trotzdem noch nicht ganz überzeugt sein sollte: die letzte, auch demnächst erscheinende Erweiterung trägt den vielversprechenden Titel Dead Living Zombies. Im Kontext der alternativen DLCs innerhalb der Far Cry-Historie sicher auch nicht gerade das schlechteste Vorzeichen.

Far Cry 5: Lost On Mars (DLC/Erweiterung) • Ubisoft • Shooter

Abb. © Ubisoft

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