8. September 2018 2 Likes

Rebellin gegen den Roboter-Wahn

Netflix’ Animationsfilm „Next Gen“ alias „Das Mädchen und ihr Roboter“

Lesezeit: 3 min.

Angeblich hat Netflix für die internationalen Vertriebsrechte am chinesisch-amerikanischen Animationsfilm „Next Gen“, auf Deutsch „Das Mädchen und ihr Roboter – Die nächste Generation“, in Cannes satte 30 Millionen Dollar hingeblättert. Beim Film handelt es sich sogar um eine Comic-Adaption, basiert er doch auf dem chinesischen Webcomic „7723“ von Wang Nima (dessen Alter Ego mit Maske im Film übrigens als Late-Night-Show-Host auftaucht). Ob der Streaming-Gigant, der unter Aufgebot exklusiver Titel verstärkt auf den Filmmarkt vordringt, mit dem Science-Fiction-Streifen über eine ungewöhnliche Freundschaft Pixar und DreamWorks das Fürchten lehren kann?

Erzählt wird die Geschichte der jungen rebellischen Mai, die seit dem Verlust ihres Vaters durch die Hölle geht. Auch, weil ihre Mutter, wie der Rest der Menschheit, total besessen von Robotern ist. Roboter und Drohnen sind überall, machen alles. Sie fahren Auto, putzen einem die Zähne und kämmen einem die Haare, unterrichten die Kids in der Schule, erledigen die Jobs von Polizei und Post – selbst Kaffeebehälter, Gartentore, Werbewurfsendungen und Nudelbecher sind Roboter! Mai ist also eher wenig begeistert, als ihr der riesige Roboter 7723 aus der Forschungseinrichtung des Marktführers für Robotik nach Hause folgt. Ihre ablehnende Haltung ändert sich, sobald Mai herausfindet, dass unter der knuffig-abgerundeten Hülle und der naiven, sanften Art von 7723 ein krasser Kampfroboter mit einem fetten Waffensystem steckt, mit dessen Hilfe Mai ihre Wut auf die Welt, auf Fußball-Rowdys und auf den Roboter-Wahn ausleben kann. Doch natürlich sorgt ihr anarchistische Verhalten für Ärger, und natürlich hat Justin Pin, das Gesicht hinter dem Roboter-Hype, ein finsteres Geheimnis und einen noch viel finstereren Plan, den nur Mai und ihr neuer Freund durchkreuzen können …

Die Regisseure Kevin R. Adams und Joe Ksander kennen sich mit Animationsfilmkunst aus. Nicht nur, dass sie den SF-KurzfilmGear“ (in dem 2014 schon einiges von „Das Mädchen und ihr Roboter“ steckte) oder den „Turtles“-Happen „We Strike Hard & Fade Into The Night“ auf die Beine stellten. Darüber hinaus arbeitete Adams als Animationskünstler und Layouter an Disney-Filmen wie „Ein Königreich für ein Lama“ oder „Tarzan 2“, Ksander wiederum als Animator an „Transformers 4“ und „Cowboys & Aliens“ sowie als Animations Supervisor an „X-Men: Erste Entscheidung“. Trotz ihrer Erfahrung mit dem modernen Trickfilm und der Qualität ihres eigenen Streifens in Sachen Animation und Soundtrack, stolpert „Das Mädchen und ihr Roboter“ am Ende nicht nur über seinen sperrigen deutschen Titel.

Mit über anderthalb Stunden geriet ihr Werk zu lang, was dann passenderweise erst recht für den erstaunlich harten Endkampf gilt, der irgendwo zwischen „Transformers“ und „Terminator“ liegt. Überhaupt geht es im Film, in dem es viel und laut kracht, ganz schön brutal zu, selbst wenn meistens ‚nur’ Roboter zu schaden kommen. An mehr als einer Stelle tun sich die Macher zudem keinen Gefallen damit, dass sie immer mal wieder ziemlich merkwürdige moralische Botschaften aussenden. Sicher ist es erfrischend, dass ein hochwertig gemachter Animationsfilm nicht sklavisch der familienfreundlichen Disney-Etikette folgt, aber sagen wir’s mal so: pädagogisch ist dieser Animationsfilm, der sicher auch junge Zuschauer haben wird, zwischendurch etwas fragwürdig. Schade, denn schon ganz am Anfang, wenn das erste Mal Punk Rock geschmettert wird und bestehende Erwartungen durchkreuzt werden, hat man große Hoffnungen. Dafür punktet die chinesisch-amerikanische Co-Produktion mit Blick auf den Zeitgeist damit, wie sie den Update-Irrsinn und den Personen-Kult der Technik-Welt hinterfragt.

„Das Mädchen und ihr Roboter“ ist kein übler Animationsfilm, jedoch auch keiner für die Liste der 25 besten Trickfilme seit dem Jahrtausendwechsel – die Spezialisten bei Disney und DreamWorks können heute Nacht jedenfalls weiterhin ruhig schlafen.

Bilder: Netflix

Das Mädchen und ihr Roboter • Regie: Kevin R. Adams, Joe Ksander • Drehbuch: Kevin R. Adams, Joe Ksander, Wang Nima, Ryan W. Smith • Laufzeit: 105 Min.

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