Hubots erobern die Welt
„Real Humans“ – TV made in Schweden
Breaking Bad war 2013 nicht die einzige von Fans und Kritikern besungene Serien-Perle im Programm von ARTE, das immer für Überraschungen gut ist. Als weiteres anspruchsvolles TV-Highlight entpuppte sich im vergangenen Jahr die erste Season von Real Humans, einer Science-Fiction-Serie, die im Januar 2012 auf dem schwedischen Sender SVT 1 debütierte und mittlerweile in über 50 Länder verkauft wurde.
Was aber begeistert sowohl skandinavische wie deutsche und französische oder südkoreanische Zuschauer?
Vermutlich liegt es an der permanenten Wanderung durchs Uncanny Valley – den unangenehmen Wahrnehmungsbereich also, in dem ein Roboter so menschlich wirkt, dass er auch als Mensch durchgehen könnte. Genau das ist flächendeckend der Fall in Real Humans, das in einem alternativen Schweden spielt, in dem menschlich wirkende Roboter – so genannte Hubots - in alle Bereiche des Lebens vorgedrungen sind. Sie arbeiten als Haushaltshilfen oder als Altenpfleger, in Fabriken und in Lagern. Doch auch auf der finsteren Seite des Alltags sind sie anzutreffen, zum Beispiel in zwielichtigen Clubs, wo sie als Sexobjekte herhalten müssen, um wirklich jedes Bedürfnis der Menschen zu befriedigen.
Aber nicht alle sind von den künstlichen Intelligenzen mit der fortschrittlichen menschlichen Verpackung und dem täuschend echten Verhalten begeistert, die Arbeitsplätze wegnehmen und teilweise von Frauen schon als die besseren Männer angesehen werden. Es gibt einigen Widerstand gegen die Hubots, und manch einer befürchtet sogar, dass die Androiden in naher Zukunft die Welt übernehmen könnten, wenn niemand ihrer Ausbreitung einen Riegel vorschiebt. Und dann sind da ja noch die umprogrammierten Androiden mit einem freien Willen, da der Hubot-Entwickler David Eischer seinen im Sterben liegenden Sohn Leo mit Roboter-Technologie das Leben rettete und fast wie ein Cyber-Frankenstein so den freien Willen zu den Hubots trug …
Die Serie von Lars Lundström, der eigenen Aussagen zufolge nie ein glühender SF-Fan war und erst vom Bild eines japanischen Roboters zu Real Humans inspiriert wurde, vereint viele Handlungsstränge, derweil Lundström und sein Team den Soap-Anspruch der ersten Staffeln von Desperate Housewives genauso bedienen wollen wir die Genres Drama, Thriller, Mystery und natürlich Science Fiction. TV-Erfolge wie True Blood hätten Lundström darüber hinaus gezeigt, dass Serien die veränderte Welt, in der sie spielen, nicht groß erklären müssen, was ihm schon früh vom Erfolg von Real Humans überzeugt hätte, wie der Schwede in einem Interview sagt – und womit er zweifelsohne Recht hat. Alle Handlungsfäden seiner Serie ergeben zusammen aktiv und ohne Erklärungsschwierigkeiten ein stimmiges Bild des Lebens mit Androiden als Teil der Gesellschaft, bei dem wirklich jeder mit einbezogen wird – selbst Teenager und Erwachsene mit sexueller Neugierde oder einsame alte Menschen, die sich mit ihrem Hubot anfreunden.
Das vielseitige, realistische Mosaik der Hubot-Welt ist jederzeit greifbar, was den Erfolg von Real Humans erklären dürfte. Da spielt es dann auch so gut wie keine Rolle, dass das Erzähltempo und die Stilmittel der Inszenierung eine für uns ungewohnte Handschrift haben und hier und da mal etwas träge und langatmig wirken können. Außerdem rücken die Macher lokale schwedische Besonderheiten bewusst nicht zu sehr in den Vordergrund, um dem internationalen Verständnis keine Steine in den Weg zu legen.
Eine andere Erklärung für den weltweiten Erfolg der ersten Staffel dürfte die Optik sein: Die Make-Up-Effekte, mit denen die puppenhafte Grenze zwischen Menschen und Hubots aufgezeigt wird, sorgt wahrlich für einiges Unbehagen beim Anblick der künstlichen Menschen, die nicht blinzeln, sich nicht kratzen, keinerlei Tells haben und deren andersartige Bewegungsabläufe mit Hilfe eines beratenden Pantomime-Künstlers genauestens definiert wurden. Die allgemeine Ästhetik der nördlichen SF-Serie, deren Folgen jeweils eine Stunde dauern, ist dagegen so spröde wie die der besten Skandinavien-Thriller oder der britischen Krimis. Kalt und grau ist dieses Paralleluniversum im Norden Europas – ein gefälliger Kontrast zum überfilterten CSI Miami und anderen amerikanischen Serienprodukten, die sich bunt und grell auf den hiesigen Programmplätzen breit gemacht haben. Es dürfte interessant sein, wie das »Remake« der Serie in den USA aussehen wird, an dem bereits seit einiger Zeit gearbeitet wird.
Der Konflikt zwischen Menschen und immer menschlicher werdenden und wirkenden Androiden ist seit Philip K. Dicks Träumen Androiden von elektrischen Schafen? und Ridley Scotts Verfilmung als Blade Runner ein dauerhaft faszinierender Teil der Science Fiction. Real Humans steht in der Tradition dieses Klassikers und bringt auch noch Asimovs Robotergesetze mit ein – und behandelt das immer plausibler werdende Topic so facettenreich und realistisch wie nur möglich, während die Serie gleichzeitig der Frage nachspürt, was es denn nun tatsächlich bedeutet, ein Mensch zu sein.
Real Humans • Darsteller: Leif Andrée, Johan Paulsen, Sten Elfström, Andreas Wilson, Marie Robertson, Thomas W. Gabrielsson
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