3. Juli 2019 2 Likes

Die Zukunft findet im Schwabenländle statt!

Ein Rückblick auf Morgen: Next Frontiers – Applied Fiction Days in Stuttgart

Lesezeit: 3 min.

Zwischen dem 27. und dem 29.06. konnte man in der schwäbischen Metropole Stuttgart einen ausgiebigen Blick in die Zukunft werfen, denn es wurde erstmalig zum Zukunftskongress und Zukunftsfestival „Next Frontiers – Applied Fiction Days“ geladen.

Nach einer Eröffnungsveranstaltung brachte am Tag darauf der Kongress Wissenschaftler und Experten aus der Wirtschaft mit Science-Fiction-Autoren ins Gespräch. Das Ziel war eine gegenseitig Beeinflussung, denn oftmals wurde von der Literatur (und anderen Künsten) schon Jahre vorweg geträumt, was später dank der Wissenschaft Realität wurde, ebenso greifen Schriftsteller häufig aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen auf – die Veranstaltung hatte zum Ziel für diesen Transfer zum Impulsgeber zu werden.

Ob das geglückt ist, kann an dieser Stelle nicht ausreichend beantwortet werden, Bestseller-Autor Andreas Eschbach erwiderte beispielsweise auf die Frage, ob er denn aus dem Gespräch mit dem Architekten Andreas Hofer über die „Lebensräume der Zukunft“ was mitgenommen habe, ausweichend, dass man das in ein paar Jahren sehen wird und auch Hofer mühte sich etwas mit einer Antwort ab. Das grundsätzliche Problem war aber: Der Kongresstag war mit – auf drei Räume verteilten – 23 Vorträgen und Gesprächen viel zu voll, um sich nur annährend einen vollumfänglichen Eindruck zu verschaffen. Erschwerend kam noch dazu, dass die Veranstalter leider die Gelegenheit versäumten, das stark akademisch angehauchte und zudem extrem vielfältige – von Langzeitraumflügen über künstliche Intelligenz bis hin zu zukünftige Bezahlmöglichkeiten wurde ein breite Palette an Themen abgedeckt – Event auch entsprechend aufzubereiten. Das heißt, wie im universitären Rahmen üblich, kleine Anreißer zu den einzelnen Programmpunkten zu veröffentlichen. Natürlich, bei Titeln wie „Wie Star Trek die Welt verändert hat“ kann man sich denken, was einen erwartet, aber von „Futopolis“, eine mit Ökostrom betriebene datenschutzkompatible Antwort auf Facebook, dürften bisher noch nicht allzu viele Menschen gehört haben, ein paar Infokrümel wären da wünschenswert gewesen. Jedenfalls machte sich auf diese Weise das permanente Gefühl breit etwas zu verpassen, es wäre also sehr wünschenswert wenn die Macher, falls es eine Nachfolgeveranstaltung gibt, da nachjustieren.


Andreas Brandhorst, Prof. Dr. Armin Grunwald, Jean Michel Troung (von links)

Zudem war zwar angekündigt wurde, dass die Ergebnisse des Kongresses auf dem Festival am dritten Tag präsentiert werden, aber hier war der unmittelbare Zusammenhang nicht immer klar: So wurden zwar einerseits Themen wie „NSA“ tatsächlich in entsprechend modifizierter Form wieder aufgegriffen, anderseits wurde der Vortrag „Wie Star Trek die Welt verändert hat“ schlichtweg wiederholt, zudem gab es komplett neue thematische Schwerpunkte, so fügte etwa Heyne-Lektor Sascha Mamczak in seinem Vortrag „Auf der Vulkaninsel – Was die Science-Fiction meint, wenn sie von Zukunft spricht“ den bereits beiden bekannten Varianten, wie die Science-Fiction in die Welt hineinwirkt, eine dritte Variante hinzu, Science-Fiction als Resonanzraum, der sich zum Dialog anbietet.

Als etwas irritierende Idee entpuppte sich der Umstand, dass das Festival parallel zur diesjährigen, auf dem gleichen Gelände stattfindenden, Comic Con Stuttgart veranstaltet wurde. Hierbei handelt es sich um ein seit 2016 stattfindende Event nach amerikanischem Vorbild, eine Art Popkultur-Kaufhaus, in dem Interessierte sich nicht nur mit allerhand Waren (von Comics über Samuraischwertern bis hin zu Jason-Masken) eindecken, sondern ebenso für viel, viel Geld Autogramme und Fotos von abgehalfterten Alt- und arroganten Jungstars liegenlassen konnten. Dieses Jahr waren erstmalig auch Influenzer (für die etwas Älteren unter uns: Das sind junge Menschen, die berühmt sind, weil sie Videoclips über irgendwas im Internet veröffentlichen), was besonders in einem Fall für einen verblüffend großen, kaum noch enden wollenden, Andrang sorgte.

Der Knackpunkt ist: Klar, der Eintrittspreis für das „Next Frontiers“-Festival war im Ticketpreis für die Comic Con enthalten und natürlich schielte man mit Vorträgen wie „Viel Zitieren Du musst – Mythen und Mutationen des Star-Wars-Universum“ vom immer lohnenswerten Dr. Andreas Rauscher auf die Con-Besucher, aber hat wirklich jemand geglaubt, dass sich allzu viele Menschen Power-Point-Vorträge oder gemütliche Gesprächsrunden reinziehen, wenn der Hulk Autogramme gibt oder Youtube-Knaben Umarmungen verteilen?

Jedenfalls bewegte sich das Interesse im überschaubaren Rahmen, was ausgesprochen schade ist, denn das Event als solches, was sowohl die grundlegende Idee, als auch die Auswahl der Gäste und der Themen angeht, ist eine feine Sache, für Stuttgart eine Bereicherung und könnte für jeden Science-Fiction-Fan zum potentiellen Pflichttermin werden.

Großes Bild ganz oben: Heyne-Lektor Sascha Mamczak

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