3. Oktober 2019

Run & Gun in Damned City

Konamis „Rogue Corpse“ kann als jüngster Ableger der legendären „Contra“-Reihe nicht an frühere Zeiten anknüpfen

Lesezeit: 6 min.

Komplette Neustarts mussten schon für so manche Marke alter Schule herhalten, um sie für eine neue Generation attraktiv zu machen und möglichst viele Altfans dennoch mit abzuholen. Dieses Ziel verfolgt nun auch das neue Contra aus dem Hause Konami, wobei bereits die Reaktionen nach den ersten Präsentationen eher verhalten ausfielen. Die zu 8- und 16-Bit-Zeiten hochpopuläre Ballerreihe, hierzulande gerade auch unter dem Namen Probotector bekannt, vereinte super schwieriges Shoot-and-Jump-Gameplay klassischer 2D-Bauart (genannt Run & Gun) für bis zu zwei Spieler mit seinerzeit schon trashigem Alien-War-Flair der 80er. Ein Konzept, das so Gamer mächtig ins Schwitzen brachte, bis sie (vielleicht) den Abspann erreichten.

Nach langjähriger Abstinenz dieses in Zeiten offener Spielwelten mittlerweile angestaubten Spielprinzips, brachte Konami in Kooperation mit Contra-Produzentenveteran Nobuya Nakazato, der vor allem für Contra III: The Alien Wars Kultstatus unter Fans besitzt, mit Rogue Corpse einen neuen Ableger an den Start. Der Ende September für PS4, Xbox One, PC und Switch erschienene Shooter schlägt im Vergleich zu seinen Vorgängern in mehrfacher Hinsicht eigene Pfade ein und setzt auf einen umfangreichen Koop-Modus, vier völlig abgedrehte Fighter-Charaktere, einen eigenwilligen Comiclook und sogar kleinere RPG-Elemente, was in Summe trotz klarer Anklänge an frühere Zeiten schon stilistisch mit der Serie bricht.

Spielerisch zeichnet sich Rogue Corpse durch seinen Mix aus verschiedenen Perspektiven aus, sodass wir zwar meist aus einer Top-Down-Sicht unseren zahlreichen Gegnern einheizen, jedoch oft in andere Ansichten wechseln. Gekämpft wird mittels einer Primär- sowie einer Zusatzwaffe, zwischen denen wir ebenso flink hin und her schalten können wie beim Einsatz individueller Spezialfähigkeiten oder vernichtender Bomben, die wir wie zahlreiche andere Items (u.a. sogar Ersatzgliedmaßen zur Verbesserung der eigenen Recken) in Kisten oder bei Feinden abgreifen können.

Jeder Krieger wird im Twin-Stick-Handling kontrolliert, was bedeutet, dass wir vorwiegend mit dem rechten Analogstick des Gamepads unsere Wummen manövrieren, während wir gleichzeitig mit dem linken wie gewohnt unsere Figur lenken. Einziger Haken neben der nicht immer ganz punktgenauen Steuerung: die zeitweise Überhitzung der Waffen, die uns zu einer kurzen Feuerpause bzw. zum flinken Umsatteln auf eine Alternative zwingt. Da ist es doch ein Trost, dass wir dank unendlicher Munition wie in den alten Contra-Ablegern nie viel taktieren und uns so voll auf die gerne auch in sehr begrenzten Gebieten auf uns einstürmenden Feindeshorden und deren Argumentationsverstärker konzentrieren können. Dazu gesellen sich kleinere Sprungpassagen und sogar Ausweichmanöver via Tastendruck, die allerdings im allgemeinen Dauerexplosionsgewitter von Rogue Corpse schnell wie die meisten der leider etwas halbgaren Spielelemente (wie z.B. Statusveränderungen unserer Figuren) schnell ins Hintertreffen geraten.

Den Einstieg bilden ein akzeptabeles Endzeit-Video mit Comicstandbildern, in denen die Hintergründe des Szenarios mit einer aus dem Boden schießenden Stadt namens Damned City umrissen und die Badass-Helden nach einem Prolog-Level näher vorgestellt werden. Im Portfolio dabei sind der prollige Muskelsöldner Kaiser, eine Kämpferin, deren Körper von einem Aliensymbionten bewohnt wird, ein übergelaufener Außerirdischer mit erstaunlich guten Manieren und ein Riesenpanda mit Gehirntransplantation – noch Fragen?

Ausgangspunkt aller Missionen ist ein Basislager als Hub-Areal, in dem wir eingesammelte Gegenstände craften, Waffen mit erballerter Ingame-Währung fast ausufernd modifizieren dürfen, unsere Recken für den nächsten Auftrag wählen oder uns bisherige Cutscenes nochmal zu Gemüte führen. Manche Aspekte wie das Modifizieren sind zu dick aufgetragen und teilweise unübersichtlich gestaltet, aber insgesamt ist das Lager nett gemacht; immerhin.

Das kann man vom Multiplayer leider nicht unbedingt behaupten. Ganz im Gegenteil. Als kleines Zuckerl darf man die Kampagne wahlweise mit bis zu drei Mitspielern online auch komplett gemeinsam bestreiten. Mit im Paket wäre ebenso ein lokaler Couch-Koop, um vor dem Fernseher gemeinschaftliches Zockerfeeling aufkommen zu lassen. Eigentlich. Denn die Macher haben sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen entschieden, diesen Modus erst von uns über 1-2 Stunden freispielen zu lassen.

Dass wir dann aber dennoch die Kampagne nicht zusammenspielen dürfen, sondern plumpe, prozedural generierte Erkundungsmissionen vorgesetzt bekommen, nach denen nur der Host der Sitzung tatsächlich den erbeuteten Loot behalten darf, grenzt schon an Frechheit. Liebe Entwickler, was soll der Blödsinn? Da retten auch weitere kompetitive wie kooperative Multiplayer-Modi für bis zu acht Spieler nichts mehr, die mittels teils witziger Spielregeln und eigenem Ranking durchaus Potenzial für launige Sessions bieten. Denn dort fehlt es online ohnehin häufig an genügend Interessenten und darüber hinaus gibt es nicht nur im Segment der Shooter-Blockbuster zig besser spielbare wie inszenierte Kollegen.

Aber zurück zur Kampagne und dem eigentlichen Spielablauf. Hat man sich im Hub durch die ganzen Implantationen, Waffenzusätze und mögliche Multiplayer-Räume durchgeklickt und einen Kämpfer gewählt, geht es nach kurzer Ladepause direkt in die Missionen. Die unterteilen sich in jeweils kleinere Räume, die wir zunächst von Feinden säubern müssen, ehe es weitergeht.

Wer will, kann sich zwar in den Gebieten nach versteckten Boni umsehen, sieht sich aber dabei mit einer der fiesesten Frustfallen des neuen Contra konfrontiert, nämlich einem Zeitlimit. Das läuft sogar im Pausenmodus unerbittlich weiter und wird in späteren Missionen selbst beim geringsten von drei möglichen Schwierigkeitsgraden zum handfesten Ärgernis. Wer sich bis zu den Endbossen durchgeknallt hat um dann von der abgelaufenen Uhr gestoppt und so zum Neustart gezwungen zu werden, beißt in Zeiten automatischer Checkpoints schnell ins Pad – völlig unnötig!

Allerdings sorgen schon die extrem maue Grafik, der banale Soundtrack und die oft absolut miese Kameraführung dafür, dass man sich wie in einem alten P3-Spiel fühlt. Damned City wirkt designtechnisch wie eine lieblose zusammengewürfelte Müllhalde, in der sich einzelne Gebäude, Treppen und natürlich rote Fässer viel zu oft wiederholen – vom repetitiven Ablauf der Kampagnen-Missionen ganz zu schweigen. Die passend dazu eher tumb anstürmenden Gegnerhorden zeichnen sich weder durch clevere KI oder variable Muster aus, sondern schlicht durch ihre Masse, die uns in den beengten Räumen und mangels wirklich flexibler Steuerung Energie oder gar Leben kosten.

Zusätzlich ist es leider nötig, Missionen mehrfach abzuschließen, um seine Kämpfer erst mittels höherer Level in die Lage zu versetzen, später angesiedelte Missionen überhaupt bestehen zu können. Ein weiteres Zeichen dafür, dass es die Macher mit den RPG-Elementen übertreiben, die ein Run & Gun wie Contra ohnehin nicht braucht und die im schlimmsten Fall die Action ausbremsen.

Nicht unerwähnt bleiben sollten aber dennoch die positiven Ansätze von Rogue Corpse wie etwa die sich unterschiedlich spielenden Kämpfer, deren einzelne Waffen- und Powersysteme zwischen Laser, zielsuchenden Raketen, Gatling Gun oder aufstellbaren Geschütztürmen kaum Wünsche offenlassen. Auch die imposanten wie angenehm fordernden Bossgegner lassen uns im positiven Sinne so manche Schweißperle herunterrinnen und das Retro-Flair früherer Sci-Fi-Trash-Movies fängt Rogue Corpse trotz altbackener Technik gut ein. Wer sich also in all die Facetten dieses Titels einarbeitet, auf kurzweilige Ballerei steht und vielleicht ein paar Kumpels für die Koop-Aspekte zusammenbringt, dürfte trotz aller Kritik soliden Spaß haben. Wer jedoch auf ein „echtes“ Contra im Stil der Originale Lust hat, greift lieber zu Blazing Chrome, das wir an dieser Stelle bereits vor einiger Zeit als perfekte Hommage in den Himmel gelobt haben.

Fazit

Trotz Neuanstrich technisch veraltete, inhaltlich leicht überladene und spielerisch durchschnittliche Contra-Neubelebung, die nur beinharten Run & Gun-Fans gefallen dürfte und der es am nötigen Feinschliff fehlt.

Contra: Rogue Corps • Konami • Shooter • PS4, Xbox One, PC, Switch

Abb. © Konami

 

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.