Meisterwerk
„Mass Effect 3“ – ein würdiger Abschluss der Trilogie
Mit der Mass Effect-Trilogie hat das Team des kanadischen Entwicklers Bioware ein Universum geschaffen, das man – so die Meinung mancher Kritiker – als das Star Wars der Spieleuniversen bezeichnen könnte. Die Abenteuer der wahlweise männlichen oder weiblichen Hauptfigur Commander Shepard und seinen/ihren teils menschlichen, teils außerirdischen Gefährten bilden mittlerweile die Grundlage für eine Handvoll Romane, Comicbände, einen Animefilm sowie unzählige, von den Millionen Fans weltweit produzierte und im Internet kursierende Videos, Kunstwerke und Kurzgeschichten. Der lang ersehnte dritte Teil des von Anfang an als Trilogie ausgelegten Science-Fiction-Epos erwies sich als enormer Erfolg: Laut dem Herausgeber Electronic Arts wurden am Tag der Veröffentlichung im März 2012 allein in den USA circa 890000 Exemplare innerhalb eines Tages verkauft und in den folgenden Tagen weltweit um die 3,5 Millionen Exemplare ausgeliefert.
Inhaltlich führt Mass Effect 3 die Trilogie zu einem würdigen, wenn auch bei vielen Fans umstrittenen Ende. Ein kurzer Blick auf die Vorgeschichte: In der Zukunft ist es der vereinten Menschheit möglich, dank der Technologie eines längst untergegangenen außerirdischen Volkes und der Nutzung der sogenannten Massenportale zu den entferntesten Regionen der Galaxis zu reisen. Sie stellt Kontakt zu anderen Spezies her und integriert sich schließlich in den Citadel-Rat, eine Allianz mehrerer außerirdischer Völker. Es könnte eine goldene Zukunft sein, doch dann bricht plötzlich eine Gefahr ungeahnten Ausmaßes über die galaktische Zivilisation herein. Die Reaper, ein hochentwickeltes und uraltes Volk von Maschinen, welches es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Galaxis alle 50.000 Jahre von jeglichem intelligentem Leben zu »reinigen«, planen ihren nächsten Angriff, um den laufenden Zyklus zu beenden.
Im ersten Teil konnte die Hauptfigur Commander Shepard, ein Soldat der Erdallianz, der als erster Mensch zu einem Agenten des Citadel-Rates ernannt worden war, mithilfe seiner bunt zusammengewürfelten Crew die Invasion im letzten Moment aufhalten. In Mass Effect 2 gelang es Shepard im Dienste der Geheimorganisation Cerberus dann, die geheimnisvollen Kollektoren zu besiegen und damit eine weitere Verschwörung der Reaper zu vereiteln. Dennoch wird schließlich zu Beginn des dritten Teils die Galaxis von den monströsen Maschinen überrannt und die gesamte Zivilisation droht im Chaos zu versinken. Shepard und seine Crew können im letzten Moment mit ihrem Schiff, der Normandy, von der Erde entkommen, müssen jedoch dabei zusehen, wie diese in die Hände der Reaper fällt. Damit die Zivilisation im Kampf ums Überleben eine Chance hat, beginnt Shepard mit dem ehrgeizigen Plan, sämtliche Völker der Milchstraße zu einer Allianz zusammenzuschmieden, was angesichts vieler kultureller und politischer Konflikte zwischen den einzelnen Spezies zunächst vollkommen unmöglich erscheint.
Als wäre das nicht schon kompliziert genug, gerät er auch seinem ehemaligen Arbeitgeber aus dem zweiten Teil, dem prohumanen und vollkommen skrupellosen Cerberus-Syndikat, in die Quere, welches die Gunst der Stunde zur Verwirklichung seiner undurchschaubaren Ziele nutzt. So reist der Commander ein drittes Mal quer durch die Galaxis, um Verbündete zu gewinnen, Ressourcen und Kriegsaktivposten wie Schiffe, Artefakte und Spezialeinheiten zu bergen und sich von einer Mission zur nächsten zu schlagen. Zwischendurch sollte sich der Spieler jedoch die Zeit nehmen, um entweder an Bord der Normandy oder beim Landgang auf der gewaltigen Raumstation Citadel das Gespräch mit seinen Mitstreitern und Verbündeten zu suchen, denn im Vergleich zu den ersten beiden Mass Effect-Teilen wurde auf die Ausweitung der Interaktionsmöglichkeiten und Dialoge mit den vielen verschiedenen Charakteren besonderer Wert gelegt. So verlassen manche Figuren ab und an ihren gewohnten Posten und unterhalten sich stattdessen mit anderen Crewmitgliedern, ein neues und zwischendurch sehr unterhaltsames Detail.
In der Charakterdarstellung und der Interaktion liegt – wie von Bioware gewohnt – eine der größten Stärken des Spiels, so war es schon im Laufe der vorangegangenen Teile dem Spieler möglich, zu den sehr unterschiedlichen, vielschichtigen und teilweise sehr charismatischen Figuren eine persönliche Beziehung aufzubauen. Durch viele Zwischensequenzen und spontane Dialoge erlaubt es der dritte Teil nun, diesen Beziehungen – sei es nun die optionale Affäre aus dem ersten Teil oder einfach nur die Freundschaft zu den alten Begleitern – noch mehr Tiefe zu verleihen.
Eine Besonderheit der Mass Effect-Reihe ist auch die Möglichkeit zur Einflussnahme des Spielers auf den Verlauf der Handlung. Wie bei seinem Vorgänger ließ sich auch beim dritten Teil der abgeschlossene Spielstand aus dem vorherigen laden, sodass die bisherigen Handlungen und Entscheidungen des Spielers Auswirkungen auf die folgenden Geschehnisse hatten. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass sich die Entwickler dazu entschieden haben, der Reihe ein Ende zu geben, welches scheinbar in keiner Weise dem Einfluss aller bisher getroffenen Entscheidungen unterliegt. So hat der Spieler am Ende zwischen drei Optionen zu wählen, welche jeweils auf ein allzu ähnliches Ende hinauslaufen. Unter der großen Fanszene des Spiels brach ein Sturm der Entrüstung aus, in Internetforen brachten Fans wiederholt ihre Enttäuschung zum Ausdruck, andere führten monatelange Diskussionen über die Interpretationsmöglichkeiten, die das Ende, welches mehr Fragen schuf als Antworten lieferte, zuließ. In einem kostenlosen DLC (Downloadable Content) lieferte Bioware schließlich einen Extended Cut, der zumindest ein paar Fragen klärte, dem Ende mehr Details und somit auch unterschiedlichere Varianten gab und einige logische Fehler ausbügelte.
Im Laufe der Monate nach der Veröffentlichung folgten zudem weitere, jedoch kostenpflichtige DLCs, womit Mass Effect 3 dem Beispiel seines Vorgängers folgte, der mit Erweiterungen wie dem Shadow-Broker-DLC Zusatzinhalte anbot, die zwar zentrale Inhalte des Hauptspiels enthalten, jedoch nicht mit dem Basisspiel mitgeliefert wurden – eine Form der Vermarktung, die von Anfang an auf starke Kritik stieß. Auch die Erweiterungen für Mass Effect 3 bieten teilweise Inhalte, die ursprünglich als fester Bestandteil des Spiels gedacht waren, etwa der DLC Aus der Asche, welcher Käufern der Premium-Edition gratis geliefert, Käufern der Standardausgabe hingegen kostenpflichtig angeboten wird und der nebst einer neuen Mission auch eine weitere Begleiterfigur enthält. Ebenso verhält es sich mit dem für die Hauptgeschichte zwar unbedeutenden, jedoch im Ansatz von Anfang an im Spiel platzierten Omega-DLC, in dem sich der Spieler für eine Sondermission zurück auf die von Cerberus besetzte Omega-Station begibt, um diese zusammen mit der gestürzten Anführerin des interstellaren Verbrechertums zurückzuerobern. In dem DLC Leviathan stürzt sich der Spieler in ein abwechslungsreiches Abenteuer, welches ihn auf die Spur der Reaper selbst führt und etwas Licht in das Mysterium ihrer Herkunft bringt.
Die für den kooperativen Multiplayermodus gedachten Erweiterungen hingegen standen allesamt kostenfrei zur Verfügung und erweiterten den Multiplayer über ein Jahr hinweg mit neuen Figuren und Items. Ein Multiplayer in Mass Effect? Wie ursprünglich bereits für den zweiten Teil geplant, wurde das Spiel im dritten Teil um einen kooperativen Multiplayer-Modus erweitert. Bis zu vier Spieler begeben sich auf eine gemeinsame Mission, auf der sie abwechselnd KI-gesteuerte Gegnerwellen überstehen, geheime Daten herunterladen oder eine Spionagesonde in die Exfiltrationszone exkortieren müssen, wobei der Mass Effect-Multiplayer ausdrücklich auf Teamplay setzt. Eine kleine Besonderheit des Spiels ist außerdem die Möglichkeit, mit Erfolgen aus dem Multiplayer die Gewinnchancen in der Singleplayer-Kampagne zu erhöhen. Zwar ist der Multiplayer in diesem Fall auf eine Spielvariante, nämlich die kooperative, begrenzt, doch durch die ständige Erweiterung, beispielsweise mit weiteren, freischaltbaren Figuren anderer Spezies, erfreut sich der Multiplayer in Mass Effect bei den Fans nach wie vor großer Beliebtheit.
Zusammengenommen hat Bioware der Trilogie inhaltlich einen ordentlichen Abschluss gegeben, der – trotz eines Endes mit vielen Fragezeichen und einer entweder toten oder als höhere Daseinsform wiedergeborenen Hauptfigur – die Abenteuer des Commander Shepard und seiner Freunde zu Ende führt. Aus technischer Sicht bleiben Makel zu nennen wie die durch die mittlerweile veraltete Unreal Engine 3 (welche bereits im ersten Teil verwendet wurde!) trotz verbesserter Texturen angestaubte Grafik, die Probleme im Charakterimport, welche auch durch mehrere Patches nicht vollständig behoben werden konnten, sowie die im Falle so vieler Spiele aus dem Hause EA praktizierte Unsitte, diese mit einer Sicherung zu versehen, die die Nutzung der Software nur im Online-Modus erlaubt. Verbesserungen finden sich dennoch, sei es die in der PC-Version wesentlich verbesserte Steuerung oder auch der nahtlose Übergang von Spiel in Videosequenz, dank denen sich das Gameplay insgesamt im Vergleich zu seinen Vorgängern wesentlich dynamischer gestaltet.
Die letzten, erst im März 2013 veröffentlichten Erweiterungen für den Single- und Multiplayer bilden einen Schlussstrich. Der Citadel-DLC für den Singleplayer, der, wie der Name sagt, auf der gewaltigen Raumstation selbst spielt, gibt dem Spieler unter anderem noch einmal die Möglichkeit, mit allen noch lebenden Gefährten aus der gesamten Trilogie eine Mission zu meistern, indem sie gemeinsam eine Verschwörung gegen Shepard selbst aufdecken. Für Bioware ist die Arbeit an Mass Effect 3 damit abgeschlossen, man wolle – so heißt es aus dem Entwicklerstudio – sich nun künftigen Projekten widmen. So befinde sich laut einer Ankündigung der Entwickler unter anderem auch ein vierter Teil der Reihe in einer frühen Entwicklungsphase, dieser werde jedoch nicht direkt an die Handlungen der ersten drei Teile anknüpfen.
Mass Effect 3 • Electronic Arts · Action-Rollenspiel · PC, Xbox 360, Playstation 3, Wii U
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