3. Juni 2020 3 Likes

Zwischen gestern und heute

Die BBC-Neuverfilmung von „The War of the Worlds“

Lesezeit: 3 min.

Der Zufall wollte es, dass 2019 gleich zwei Fernsehserien entstanden, die H.G. Wells Science-Fiction-Klassiker „The War of the Worlds“ adaptierten. Vielleicht war es aber auch kein Zufall, sondern ein unbestimmtes Gefühl der Bedrohung, der Möglichkeit, das unsere scheinbar stabile Zivilisation durch dieses oder jene Ereignis allzu leicht aus den Fugen gehoben werden könnte. Was läge da also näher, als eine Invasion von Außerirdischen als Metapher zu verwenden, so wie es vor 15 Jahren Steven Spielberg in seiner grandiosen „War of the Worlds“-Version machte. Als deutliche Reaktion auf die Terroranschläge des elften Septembers gedacht, vor allem aber auf das Gefühl weiter Teile der amerikanischen Öffentlichkeit, dem Terror eigenen Terror in Form militärischer Gewalt entgegenzusetzen, machte sich Spielberg den finalen Dreh des Romans auf kongeniale Weise zu Eigen: Nicht Waffengewalt besiegt die Aliens, sondern ein banaler Virus.

Mit diesem Dreh endet auch die BBC-Serie, die den klassischen Stoff fast originalgetreu adaptiert, die Betonung liegt auf fast. Ziemlich genau zur Entstehungszeit des Romans Ende des 19. Jahrhunderts spielt der Zweiteiler (bei der BBC-Ausstrahlung war es noch ein Dreiteiler, statt 3x57 sind es nun 2x85 Minuten), der redlich um zeitgenössische Dekors und Kostüme bemüht ist, der vor allem aber einen der möglichen Subtexte des Romans überdeutlich in den Vordergrund stellt: Als Metapher über die Folgen des britischen Imperialismus wurde Wells Buch gelesen, als Kampf der Kulturen, bei der das Fremde oft fälschlicherweise als Bedrohung betrachtet wird.

Diesen Subtext zieht Serien-Autor Peter Harness nun in den Mittelpunkt und trifft noch eine andere Entscheidung, die diese Adaption zwar äußerlich traditionell wirken lässt, ideologisch aber sehr modern: Hauptfigur ist eine Frau, Amy (Eleanor Tomlinson), die nicht nur mit dem verheirateten Journalisten George (Rafe Spall) zusammen ist, sondern auch als Assistentin des Wissenschaftlers Ogilvy (Robert Carlyle) arbeitet.

Dass es Amy ist, die die Invasion der dreibeinigen Wesen richtig einschätzt, dass ihre Analysen, in den von Männern dominierten Institutionen der Zeit dennoch kein Gehör finden, muss man kaum erwähnen. Nichts gegen starke Frauen in Neu-Interpretationen klassischer Stoffe, doch wenn eine Figur so anachronistisch agiert wie diese Protofeministin Amy um 1900, wird das Bemühen, emanzipierte, starke Frauenfiguren zu zeigen zur reinen ideologischen Pose.

Abgesehen davon kann diese Adaption durchaus überzeugen, vor allem atmosphärisch: ein wenig übertreibt es Regisseur Craig Viveiros zwar mit dem Einsatz von Nebel und bedrohlich brummenden Soundeffekten, doch das Ergebnis kann sich sehen und hören lassen. So rasant und actionlastig wie Spielbergs Version ist das natürlich nicht, mehr als ein paar Dreibeiner, die meist in der Ferne aus dem Nebel oder den Wolken auftauchen gibt es hier an spektakulären Schauwerten wenig zu sehen.

Dafür umso mehr an Dekor und Kostümen aus der Zeit um die Jahrhundertwende, malerischen englischen Dörfern, prachtvollen Gewächshäusern, dazu viel Wald und Moore. Als erste größere Adaption des Stoffes, versucht dieser BBC-Produktion die Entstehungszeit des Romans wiederaufleben zu lassen, mit einigem Erfolg. Schade nur, dass man es nicht dabei belassen wollte, sondern die Welt des viktorianischen Englands mit modernen Wertvorstellungen überschreiben musste.

The War of the Worlds • Regie: Craig Viveiros • Darsteller, Eleanor Tomlinson, Rafe Spall, Robert Carlyle • jetzt auf Amazon Prime

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