16. Mai 2021 2 Likes

Review: „Love, Death & Robots: Ausgabe 2“

Von tödliche Robotern und dem riesigen Penis eines Riesen

Lesezeit: 4 min.

Zwei Jahre nach der ersten Ausgabe der bunt-blutig-schrägen Zeichentrick-Anthologie-Serie „Love, Death & Robots“ von Tim Miller gibt’s nun auf Netflix die zweite und die hat überraschenderweise gerade mal halb so viele Episoden, sprich, gerade mal acht, dafür ist die dritte Ausgabe bereits für 2022 angekündigt. Weshalb um die Hälfte reduziert wurde, ist unklar, vielleicht war’s so geplant, vielleicht gab’s dank dem verdammten Virus mal wieder Probleme, egal. Positiv hat sich’s jedenfalls ausgewirkt, denn die 108 Minuten schwirren vorbei wie im Flug, echte Durchhänger gibt’s praktisch keine, dafür aber mal wieder prima Beispiele, wie viel man auf begrenztem Raum doch transportieren kann.

Die Geschichten im Schnelldurchlauf:

„Automatisierter Kundenservice“ (nach einer Geschichte von John Scalzi - im Shop) erzählt von einem Haushaltsroboter, der eine Fehlfunktion hat und einer rüstigen Seniorin und ihrem Schoßhündchen schwer zu schaffen macht. Der Kundenservice ist natürlich auch keine Hilfe, doch der schmerbäuchige Nachbar mit Pumpgun eilt in letzter Sekunde zur Rettung. Sehr humorvolles, mit vielen Details gewürztes Mensch-vs-Maschine-Szenario, das mit einer tollen Pointe endet.

„Eis“ (nach einer Geschichte von Rich Larson) erzählt von einem jungen Mann, der sich nach einem Umzug auf einem Eisplaneten, auf dem alle Bewohner außergewöhnliche Fähigkeiten haben, als einziger Normalo bei einem Rennen behaupten muss. Dank ungewöhnlicher Proportionen der Figuren, einfallsreichen Perspektiven und einer tollen Farbauswahl das optische Highlight.

„Jäger und Gejagte“ (nach einer Geschichte von Paolo Bacigalupi, im Shop) fächert eine finstere Dystopie auf, in der die Menschen unsterblich geworden sind. Da die Welt nun aber übervoll ist, steht die Zeugung von Nachwuchs unter Strafe. Falls sich jemand nicht dran hält und erwischt wird: Die Kinder werden auf der Stelle getötet, die Eltern abgeführt. Als ein Polizist, der illegalen Zeugungswütigen jagt, auf eine junge Mutter und ihre kleine Tochter trifft, gerät seine Welt gewaltig ins Wanken. Mit Jennifer Yu Nelson („Kung Fu Panda“ 2 & 3) führte hier der neben Tim Miller bekannteste Name Regie, allerdings enttäuscht das Ergebnis ein wenig. Der Tech-Noir-Thriller ist zwar stimmungsvoll, hätte seine Ein-Herz-für-Kinder-Botschaft aber ruhig etwas subtiler an den Mann bringen können.

„Snow in der Wüste“ (nach einer Geschichte von Neil Asher): Mein Favorit! Der Albino Snow wird wegen der außergewöhnlichen Regenerierungskräfte seines Körpers (die sich in seinen Hoden befinden) von finsteren Gesellen gejagt (sie sind also quasi hinter seinen Nüssen her), doch dann trifft Snow die Französin Hirald und die birgt ein ganz besonderes Geheimnis. Klar, nicht unbedingt originell, vermutlich dürfte bei der Entstehung „The Mandalorian“ eine gewisse Rolle gespielt haben, aber ich hatte großen Spaß mit diesem effizient erzählten, knackig-brutalen Space-Western, eine Art FSK-18-Star-Wars, das in ein nur halberwartbares Ende mündet.

„Im hohen Gras“ (nach einer Geschichte von Joe Lansdale - im Shop) ist zwar ganz wunderbar, gemäldeartig gezeichnet, die arg schlichte Pointe des Plots um einen Zugreisenden, der sich während eines Zugstops in einem Feld mit hohem Gras verirrt und dort auf gruselige Kreaturen trifft, wirkt allerdings wie aus einem Vierseiter der damaligen Comic-Endlos-Serie „Gespenster Geschichten“.

In „Bescherung“ (nach einer Geschichte von Joachim Heijndermans) wollen zwei Kinder am Weihnachtsabend einen Blick auf den Weihnachtsmann erhaschen, allerdings kommt aus dem Kamin ein schleimiges Monster. Sehr süß und pointiert.

„Rettungskapsel“ (nach einer Geschichte von Harlan Ellison - im Shop) hat mit Michael B. Jordan einen echten Star an Bord und der spielt motion gecaptured einen Raumschiffpiloten, der auf einem Planeten notlanden muss, in einer Notunterkunft Zuflucht findet, dort allerdings an einen Wartungsroboter mit Funktionsstörung gerät, der ihm ans Leder will … das ist ganz unterhaltsam, aber inhaltlich arger Standard, Mensch-vs-Maschinen-Plots gibt’s zuhauf, da muss schon extra Würze her (siehe „Automatisierter Kundenservice“) um so richtig zu begeistern. Zur Ehrenrettung kann man aber den Umstand berücksichtigen, dass Harlan Ellisons zu Grunde liegende Geschichte bereits 1956 veröffentlicht wurde, es sich also um die Adaption eines echten Vorreiters handelt.

Die letzten Episode „Der ertrunkene Riese“ (nach einer Geschichte von J.G. Ballard) – für die sich Showrunner Tim Miller selbst auf den Regie-Sessel schwang – erzählt von einem nackten, toten Riesen, der eines Tages an eine Küste angeschwemmt wird und einen Wissenschaftler in seinen Bann zieht. Die Adaption einer Kurzgeschichte von J.G. Ballard („High Rise“) fällt komplett aus dem Rahmen, da hier Science-Fiction-Elemente wegfallen, stattdessen handelt es sich um eine Art invertiertes Märchen, das sich um Themen wie Hybris und Vergänglichkeit dreht. Nicht nur wegen der bizarren Szene mit dem riesigen Penis des Riesen definitiv sehenswert, allerdings hätte man für mein Empfinden Ballards Originaltext ruhig etwas lebendiger rezitieren können.

„Love, Death & Robots - Ausgabe 2“ ist seit dem 14.05.2021 auf Netflix abrufbar.

„Love, Death & Robots: Ausgabe 2“ (USA 2021) • Regisseure: diverse • Sprecher/Darsteller: diverse

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