1. Oktober 2021

Leseprobe: „Foundation“ von Isaac Asimov

Das große Meisterwerk über den Aufstieg und Fall eines galaktischen Imperiums

Lesezeit: 5 min.

Isaac Asimovs mehrere Bände umfassende Saga (einen ausführlichen Überblick über Asimovs literarisches Schaffen finden Sie in Elisabeth Bösls Foundation-Artikel) ist zweifellos ein Meilenstein der Science-Fiction-Literatur. Zum Start der TV-Serie auf Apple TV+ hat der Heyne Verlag die „Foundation-Trilogie“ gesammelt noch einmal herausgebracht. Am Beginn von „Foundation“ (im Shop) steht der Aufbruch eines jungen Mannes zu den Sternen …

 

ERSTER TEIL

Die Psychohistoriker

HARI SELDON – … geboren im Jahr 11988 der Galaktischen Ära, gestorben 12069. Üblicher ist es, die Daten in den Begriffen der gegenwärtigen Foundation-Ära als –79 bis zum Jahr 1 F. Ä. anzugeben. Seine Eltern gehörten dem Mittelstand an und lebten auf Helicon, Arcturus-Sektor (wo sein Vater laut einer Legende zweifelhafter Glaubwürdigkeit Tabakpflanzer in den hydroponischen Anlagen des Planeten gewesen sein soll). Schon früh zeigte er eine erstaunliche Begabung für die Mathematik. Es gibt darüber zahllose zum Teil widersprüchliche Anekdoten. Im Alter von zwei Jahren soll er …

… Zweifellos liegen seine größten Leistungen auf dem Gebiet der Psychohistorik. Seldon fand hier wenig mehr als einen Satz vager Axiome vor und ließ eine gesicherte statistische Wissenschaft zurück …

… Die erste Autorität, die es für die Einzelheiten seines Lebens gibt, ist die Biographie von Gaal Dornick. Als junger Mann lernte er Seldon zwei Jahre vor dem Tod des großen Mathematikers noch persönlich kennen. Die Geschichte ihrer Begegnung …

Encyclopaedia Galactica

 

1

 

Sein Name war Gaal Dornick, und er war nichts als ein Junge vom Lande, der Trantor noch nie gesehen hatte. Das heißt, nicht im wirklichen Leben. Gesehen hatte er es viele Male im Hypervideo und gelegentlich in packenden dreidimensionalen Übertragungen von einer Krönungszeremonie oder der Eröffnung des Galaktischen Rates. Obwohl er sein ganzes Leben auf dem Planeten Synnax verbracht hatte, der einen Stern am Rand der Blauen Drift umkreist, war er nicht von der Zivilisation abgeschnitten gewesen. Zu jener Zeit war das kein Ort in der Galaxis.

Damals gab es nahezu fünfundzwanzig Millionen bewohnte Planeten, und jeder Einzelne von ihnen war dem Kaiser untertan, der seinen Sitz auf Trantor hatte. Es war das letzte halbe Jahrhundert, in dem das behauptet werden konnte.

Für Gaal war diese Reise der unbestrittene Höhepunkt seines jungen Gelehrtenlebens. Er war zuvor schon im All gewesen, so dass der Raumflug als solcher ihm wenig bedeutete. Sicher, weiter als bis zu Synnax’ einzigem Satelliten, wo er sich die für seine Dissertation benötigten Daten über Meteor-Abdriften besorgt hatte, war er bisher noch nicht gekommen, aber es war alles eins, ob man über eine halbe Million Meilen oder ebenso viele Lichtjahre reiste.

Er hatte vor dem Sprung durch den Hyperraum ein kleines bisschen gebangt, ein Phänomen, das man bei einfachen interplanetaren Flügen nicht erlebt. Der Sprung bleibt die einzige praktizierbare Methode für den Verkehr zwischen den Sternen und wird es wahrscheinlich immer bleiben. Der normale Raum lässt sich mit keiner größeren Geschwindigkeit als der des Lichts durchqueren (eines der wenigen Stückchen Wissen, die seit der längst vergessenen Morgendämmerung der menschlichen Geschichte erhalten geblieben sind), und mit ihr würde eine Reise selbst zwischen den sich nächstliegenden bewohnten Systemen Jahre dauern. Durch den Hyperraum, diese unvorstellbare Region, die weder Raum noch Zeit, weder Materie noch Energie, weder etwas noch nichts ist, kommt man zwischen zwei sich benachbarten Augenblicken von einem Ende der Galaxis zum anderen.

Beim Warten auf den ersten dieser Sprünge hatte ein wenig Angst in Gaals Magen rumort, und dann kam nichts als ein kaum merklicher Ruck, ein kleiner innerer Fußtritt, der schon vorbei war, bevor Gaal sicher war, dass er ihn gespürt hatte. Das war alles.

Und danach war da nichts mehr als das Schiff, groß und glitzernd, das kühle Produkt von zwölftausend Jahren Fortschritt, und er selbst mit seinem frisch erworbenen Doktor der Mathematik und einer Einladung des großen Hari Seldon, nach Trantor zu kommen und an dem weit gespannten und irgendwie geheimnisvollen Seldon-Projekt mitzuarbeiten.

Nach der Enttäuschung, die der Sprung ihm bereitet hatte, wartete Gaal auf den ersten Blick auf Trantor. Ständig spukte er im Aussichtsraum herum. Die stählernen Läden wurden zu angekündigten Zeiten zurückgerollt, und er war dann immer da, betrachtete das harte Gleißen der Sterne, erfreute sich an dem dunstigen Schwarm eines Sternenhaufens, anzusehen wie eine riesige Wolke von Glühwürmchen, die man mitten in der Bewegung eingefangen und für immer zum Stillstand gebracht hatte. Einmal kam das Schiff bis auf fünf Lichtjahre an den kalten, blauweißen Rauch eines Gasnebels heran, der sich wie ferne Milch über die Fenster ausbreitete, den Raum mit einem eisigen Hauch erfüllte und zwei Stunden später, nach einem weiteren Sprung, außer Sicht verschwand.

Trantors Sonne zeigte sich zuerst als ein harter weißer Fleck, der in einer Myriade gleichartiger Flecken verlorenging und nur zu identifizieren war, weil das Handbuch seine Lage kenntlich machte. Die Sterne standen hier im galaktischen Zentrum dicht an dicht. Aber mit jedem Sprung leuchtete die Sonne heller, überstrahlte die übrigen, ließ sie verblassen und lichtete ihre Schar.

Ein Offizier kam durch und sagte: »Der Aussichtsraum wird für den Rest der Reise geschlossen. Bereiten Sie sich auf die Landung vor.«

Gaal folgte ihm und fasste den Ärmel der weißen Uniform, der das Raumschiff-und-Sonne-Emblem des Imperiums trug. »Wäre es nicht möglich, mich hierzulassen?«, bat er. »Ich würde zu gern Trantor sehen.«

Der Offizier lächelte, und Gaal errötete ein bisschen. Es kam ihm zu Bewusstsein, dass er mit provinziellem Akzent sprach.

»Wir werden morgen früh auf Trantor landen«, sagte der Offizier.

»Ich meine, ich würde Trantor gern vom Raum aus sehen.«

»Tut mir leid, mein Junge. Wenn das hier eine Raumyacht wäre, ließe es sich bewerkstelligen. Aber wir gehen sonnenwärts in einer Spirale hinunter. Sie möchten doch nicht gleichzeitig Brandwunden und Strahlungsnarben bekommen und dazu noch das Augenlicht verlieren?«

Gaal wandte sich zum Gehen.

Der Offizier rief ihm nach: »Trantor wäre sowieso nur ein verwischter grauer Fleck, Junge. Machen Sie doch eine Raum-Tour, sobald Sie dort sind. Das kostet nicht viel.«

Gaal sah zurück. »Danke vielmals.«

Es war kindisch, sich enttäuscht zu fühlen, aber es ist für einen Mann fast ebenso natürlich wie für ein Kind, kindisch zu empfinden, und in Gaals Kehle saß ein Klumpen. Noch nie hatte er Trantor in seiner ganzen Unglaublichkeit lebensgroß vor sich ausgebreitet gesehen, und er war nicht darauf gefasst gewesen, dass er noch länger warten musste.

 

Isaac Asimov: Foundation (Filmausgabe)∙ Übersetzt von Rosemarie Hundertmarck ∙ Mit einem Nachwort von Sascha Mamczak ∙ Wilhelm Heyne Verlag, München 2021 ∙ 880 Seiten ∙ · E-Book: € 4,99 (bis 11.10.21, danach € 9,99) im Shop

 

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