7. Dezember 2022

„Terrifier 2“ - Ultrakrasses Gemetzel mit Killerclown …

… und Segen von Stephen King

Lesezeit: 5 min.

Na, das ging ja jetzt recht flott: Erst im Februar hatten wir mit „The Sadness“ den ultimativen Schocker, den „härtesten Film des Jahres“, und schon steht der nächsten Kandidat vor der Tür. Auch bei „Terrifier 2“ ist alles wie gewohnt, der Film von Damien Leone hat in den USA bei Vorführungen bereits für Kotz- und Ohnmachtsanfälle gesorgt und damit TikTok und andere soziale Medien zum Rotieren gebracht. Bessere PR gibt’s in Horrorhausen eigentlich nicht, da kann man sich eine Agentur wirklich sparen.

Zumal es in diesem Fall noch eine kostenlose Premium-Werbung oben drauf gab: Da sich Leones Film um einen mordenden Clown dreht, werden überall Vergleiche zum mordenden Clown aus Stephen Kings Klassiker „Es“ (der neulich in einer Prachtausgabe erschienen ist!) gezogen, ja, es wird sogar behauptet, dass Art, der Clown und Star von „Terrifier 2“, mit Pennywise, dem Antagonisten von „Es“, den Boden wischt. Das weckte schließlich das Interesse von Meister King, der sich auf Twitter nach Meinungen zu „Terrifier 2“ erkundigte und etwas später dann mit einem – allerdings eher wertneutralen – Kurzurteil nachlegte: „Grossin’ you out old-school“ (dt. „Ekelt euch auf die altmodische Art.“).

Die virtuelle Mund-zu-Mund-Propaganda und die Worte vom Horrorpapst reichten: Der gerade mal 250.000$ teure, zum Teil via Crowdfunding finanzierte Film entwickelte sich in den USA zum Überraschungshit und spielte bis dato 10 Millionen in die Kassen, was nicht ganz unironisch ist, da der 2016 erschienene Vorgänger kaum wahrgenommen wurde (Einspiel: 2500$) und selbst bei der Homekinoauswertung nur eingefleischte Genrefans erreicht haben dürfte, zumindest blieb eine Welle aus.

„Terrifier“ war eine totale Abkehr von den zu dieser Zeit omnipräsenten, ausformulierwütigen Storylines, die spätestens seit dem „Saw“-Franchise gehäuft auftraten, sondern erfreut mit einer erfrischenden, ungemein effektiven Schlicht- und Direktheit, die an die Romane des legendären Exploitation-Meisters Richard Laymon (im Shop) erinnern: simple Grundidee (ein bösartiger Clown terrorisiert in einer Nacht zwei junge Frauen), maximal ausgereizt: „Terrifier“ will nie mehr sein als reiner Slasher-Horror, das dafür aber richtig: Der mit 84 Minuten Lauflänge angenehm schlanke Film punktet nicht nur – wie es zur Hochzeit dieses Genres so oft der Fall war – mit einem ausgefallenen Killer (superb gespielt von David Howard Thornton) und creative kills und betrachtet den Rest als Füllmaterial, sondern ist überwiegend tatsächlich atmosphärisch und spannend und setzt auf Gewalt, die eher weniger der Belustigung dient, sondern äußerst ungemütlich wirkt. Zumal auch komplett drauf verzichtet wird, den Killer-Clown mit der geringsten Motivation auszustatten, Art ganz offenbar einfach Spaß am Handwerk hat. In einem grausigen Höhepunkt wird eine kopfüber aufgehängte Frau in zwei Hälften zersägt. Natürlich bar jeglicher Geschmacksgrenzen und diskussionswürdig, anderseits ist es auch nicht gerade das Schlechteste, wenn es mal keine Möglichkeiten gibt, Gewalt wegzuschmunzeln.

Das ist bei „Terrifier 2“, der direkt am Ende des Vorgängers ansetzt und dieses Mal von einer allein erziehenden Mutter und ihren zwei Kindern erzählt, die von Art in die Mangel genommen werden, leider eher weniger der Fall. Das Paradoxe: Die Fortsetzung führt einerseits die begonnene Linie fort, will erneut edgy sein – in einer langen Szene wird eine Frau nach allen Regeln der ultrabrutalen Kunst so grausam und sadistisch wie nur irgend möglich ins Jenseits befördert –, bedient aber abseits der Gewaltszenen die typische Hollywood-Überbietungsstrategie, wodurch ein gewisses Maß an Wirkung verloren geht. Waren die Gewaltszenen in Teil eins noch einzelne, krasse Höhepunkte in einem äußerst verdichteten Film, sind die Szenen im Nachfolger sicherlich nach wie vor jenseits von Gut und Böse, allerdings zerfließt die Wirkung auch ein wenig, da das Gesamtpaket nicht mehr so radikal daherkommt, sondern deutlich konventioneller und gefälliger wirkt. Es gibt mehr Handlung, mehr Schauplätze (vormals befand man sich die meiste Zeit in einem Gebäude), mehr Figuren, Traumsequenzen, jetzt auch eine klar hervortretende humorige Seite, zudem kippt das Ganze noch in den Fantasybereich (es würde nicht wundern, wenn sich Art im angekündigten dritten Teil wie Kings Clown als außerirdische Lebensform entpuppt).

„Terrifier 2“ schielt deutlich in Richtung des „A Nightmare on Elm Street“-Franchise, die Dinner-Szene aus Teil 5 findet sich hier in einer eigenen Variante wieder, wirkt aber gerade mit den kompakten Freddy-Krueger-Episoden im Hinterkopf vor allem eins: viel zu überfrachtet. Und das macht sich vor allem im letzten Viertel bemerkbar, in dem der bis dahin in Anbetracht des geringen Budgets ordentlich gemachte und sehr gut getrickste Film nach einigen Andeutungen endgültig ins reichlich diffuse Übernatürliche abdriftet und dort einfach kein Ende findet – „Terrifier 2“ dürfte mit satten 138 Minuten der längste Slasher aller Zeiten sein!

Aber wie sieh’s nun aus? Art oder Pennywise? Na ja, wer solche Vergleiche anstellt, hat Kings Schöpfung nie wirklich begriffen (was jetzt nicht nur auf den Roman, sondern auch die 1990 veröffentlichte, sehenswerte Verfilmung von Tommy Lee Wallace bezogen ist). Art – der übrigens mehr Pantomime als Clown ist – zerlegt nur Körper, Pennywise dringt davor noch tief in die Psyche ein. Außerdem erzählt Kings Epos natürlich weit mehr als nur von einem metzelnden Ungeheuer, Leones Film ist letztendlich – auch wenn der Storybogen jetzt nun wohl noch etwas weiter aufgespannt wird – ein Slasher, der den Fokus auf möglichst extravagante, eindringliche Gewaltszenen legt. Äpfel und Birnen also. Man muss aber einräumen, dass „Terrifier 2“, wegen dem toll designten und gespielten Antagonisten und dem zappendusteren Humor, obwohl mindestens 40 Minuten zu lang, dennoch immerhin deutlich unterhaltsamer ist, als die letzte, missglückte „Es“-Verfilmung von (2017/2019) von Andrés Muschietti, die mit fünf Stunden zu Buche schlägt, von denen mindestens dreieinhalb zuviel sind.

Ein Wort noch zur Altersfreigabe: Das Metzel-Epos verzichtet zwar im Gegensatz zu „The Sadness“ auf sexuelle Gewalt, ist dafür um einiges grafischer als dieser und auch wenn nicht die Intensität des ersten „Terrifier“ erreicht wird: Eine krassere Schlachtplatte war in den letzten 30 Jahren wohl nicht ungekürzt mit FSK-Plakette in den Kinos zu sehen. Wobei die FSK mit ihrer Einschätzung offenbar am „Puls der Zeit“ liegt, denn z.B. Netflix-Hypes wie „Squid Game“ werden ja auch immer brutaler. Ich bin da immer ganz hin und her gerissen. Einerseits hab ich keine Probleme mit grenzüberschreitendenen Darstellungen, allerdings beobachte ich (siehe auch Text zu „The Sadness“) eine stetig zunehmende Normalisierung von Gewaltbildern. Natürlich hat „Terrifier 2“ hier und da für ein klein wenig Entsetzen gesorgt, aber das Netz ist auch schon wieder voll von „Best Kills“-Videos. Und natürlich wird es bestimmt bald den nächsten härtesten Film des Jahres geben, der den Level noch weiter raufsetzen wird. Ich frage mich jedenfalls, was die ständige Konfrontation mit immer derberen Gewaltbildern mit einer Gesellschaft macht, die ohnehin stetig aggressiver wird.

„Terrifier 2“ läuft ab dem 08.12.2022 im Kino.

Terrifier 2 (USA 2022) • Regie: Damien Leone • Darsteller: David Howard Thornton, Felissa Rose, Jenna Kanell, Lauren LaVera, Griffin Santopietro, Catherine Corcoran, Samantha Scaffidi

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