Let it „Burn“!

Sommer, Sonne, Strand: Der Urlaub kann so schön sein. Wenn die Fahrt in die Ferien mal wieder länger dauert oder es doch regnet, lohnt es sich immer etwas Lesestoff dabei zu haben. In der heutigen Folge (nach „Z-z-z-z-zombies?!“) geht es um einen Jungen, ein Mädchen, einen Drachen und eine unheilvolle Prophezeiung.

Jahresanfang 1957: Nach dem Tod von Sarahs Mutter geht es für Familie Drewhurst steil bergab. Um die Farm vor dem Ruin zu retten, greift ihr Vater zum letzten Mittel und engagiert für die Rodung der Felder einen Drachen. Der geflügelte Auftragsarbeiter entpuppt sich als kleiner, blauer russischer Lindwurm namens Kasimir. Während ihr Vater auf Distanz geht, ist Sarah von dem Wesen fasziniert. Sind Drachen wirklich seelenlose Geschöpfe? In einer Nacht verrät ihr Kasimir, warum er wirklich auf der Farm ist: Er will eine Prophezeiung beeinflussen, die Sarahs Tod vorhersagt. Als wenige Tage später die Sowjets einen Satelliten ins All schicken, nimmt das Unheil seinen Lauf.

Hand aufs Herz: Gibt es etwas cooleres als Drachen? Mit denen können eigentlich nur Dinosaurier mithalten. Okay, manchem Science-Fiction-Hardcorefan mag hier die technische Komponente fehlen, für sie müssen es schon die kongenialen Urzeit-Maschinenviecher aus dem „Horizon“-Franchise sein – und es sei ihnen gegönnt. Aber Drachen in einer Parallelwelt? Konkreter: Sprechende Drachen in einer Parallelwelt? Welch reizvolle Vorstellung!

Abgesehen von diesen tollen feuerspeienden Fabelwesen, hat der neue Roman des zweifachen Carnegie Medal-Gewinners Patrick Ness („Chaos Walking“, „Sieben Minuten nach Mitternacht“; im Shop) wirklich einiges zu bieten. In „Burn. Die Welt brennt wie Feuer“ (im Shop) läuft der Wahlbrite zur Höchstform auf. Hier stimmt einfach alles: Story, Plot, Setting, Held:innen. Und wie bereits in seinen anderen Büchern zeigt er erneut sehr viel Herz für jugendliche Außenseiter:innen, die ihren Weg zum Happy End finden müssen.

Dieser Weg ist in Ness’ neuestem Streich kein leichter. Sein Amerika der 1950er Jahre ist – wie das echte – geprägt vom Kalten Krieg und dem Antikommunismus der McCarthy-Ära. Der Vorwurf mit den Russen zu sympathisieren, ist da noch der harmloseste – und trifft ausgerechnet Kasimir. Dabei haben Drachen gar keine Nationalitäten. Deutlich schlimmer ergeht es den menschlichen Protagonist:innen. Ihre täglichen Begleiter sind Rassismus, Xenophobie, Sexismus und Homophobie. Da ist Sarah, die Tochter einer Afroamerikanerin und eines weißen Farmers. Da ist ihr Freund Jason Inagawa, dessen Mutter bei der Internierung japanischstämmiger Amerikaner starb. Und dann ist da noch Malcolm. Er hängt einer Drachen-Sekte an und soll ein Mädchen für eine Prophezeiung ermorden. Doch als er auf den Guatemalteken Nelson trifft, verliebt er sich unsterblich und seine Reise nimmt manche unerwartete Wendung.

Bis sich die Wege des Quartetts mit Kasimir kreuzen dauert es eine Weile. Ness führt derweil noch weitere wichtige und eher weniger sympathische Haupt- und Nebenfiguren ein, die das Schicksal der Jugendlichen mitbestimmten werden – und damit auch jene Prophezeiung, die ein Drache vor Jahrtausenden niedergeschrieben hat. Und die – wie sollte es auch anders sein? – spricht von einem Krieg, der die Welt in Trümmern legen wird. Doch Ness wäre nicht Ness, wenn er nicht einen besonderen Twist geplant hätte. Wie der hier aussieht? Das wird nicht verraten. Nur so viel: Es geht um zweite Chancen, Parallelwelten und natürlich Drachen. Ein großer Spaß mit starker Botschaft – und ein Plädoyer für Freundschaft und Liebe. Das beste jedoch: Ness lässt sich eine kleine, nicht zu übersehende Hintertür offen, um vielleicht eines Tages eine Fortsetzung zu schreiben. Ob diese Prophezeiung wahr werden könnte? Das wird die Zukunft zeigen.

Patrick Ness: Burn. Die Welt brennt wie Feuer • Aus dem Englischen von Petra Koob-Pawis • cbj, München 2023 • 400 Seiten • Erhältlich als Hardcover und eBook • Preis des Hardcovers: € 20,00 • Empfohlen ab 14 Jahren • im Shop