„William“ von Mason Coile
Klassischer Schauerroman trifft gegenwärtigen KI-Horror
Zum Jahresende 2024 gibt es global betrachtet leider wieder eine Menge großkalibriger Dinge, die einem entsprechend große Sorgen bereiten. Krieg, Klimawandel, Politik, und Künstliche Intelligenz gehört sicher ebenfalls dazu. Der Geist in Sachen KI ist dabei längst aus der Flasche und kann nicht noch einmal eingesperrt werden, das sollte uns wohl allen klar sein. In den nächsten Jahren wird KI unsere Berufsleben und Leben immer weiter verändern. Unglücklicherweise beschleicht einen das Gefühl, dass diese absehbare Entwicklung mit all ihren praktischen und sozialen Auswirkungen vielerorts noch nicht zu Ende gedacht worden ist.
Natürlich wird KI auch Vorteile und Chancen bringen, das soll gar nicht verschwiegen oder bestritten werden. Allerdings wird diese weitere, weitreichende technologische Revolution sicher nicht ohne krasse individuelle und gesellschaftliche Konsequenzen über die Bühne gehen. Und sind wir nicht alle gerade allein schon davon genervt, dass wir uns mit Händen und Füßen gefühlt auf allen Geräten und in allen Programmen ständig dagegen wehren müssen, dass unsere Texte, Bilder, Videos und sonstigen Daten von allen möglichen Firmen zum KI-Training benutzt werden, womit diese besorgniserregend unkontrollierten Entwicklungen noch weiter befeuert werden?
Science-Fiction-Horror, der sich mit KI beschäftigt, trifft gerade also fraglos mal wieder einen Nerv. Das hat sich auch der kanadische Thriller-Bestsellerautor Andrew Pyper gedacht, den man für Romane wie „Die Stunde des Sandmanns“, „Die Handelsmission“ oder „The Demonologist“ kennt. Unter dem Pseudonym Mason Coile legt er nun den kurzen Science-Fiction-Thriller „William“ (im Shop) vor, auf dem Cover thematisch passend W1ll1am geschrieben. In diesem Roman kanalisiert der 1968 geborene Kanadier die Elemente sowie die Stimmung klassischer Schauerromane – nicht zuletzt klassischer Geisterhausromane – und verkabelt sie thematisch gewissermaßen mit aktueller Thementechnik neu.
Robotiker Henry leidet im Buch unter einer schwerwiegenden Angststörung und lebt daher äußerst zurückgezogen zusammen mit seiner schwangeren Frau Lily in einem alten viktorianischen Haus, das Lily mit ihrem Startup-Reichtum gekauft und Henry in Eigenregie an moderne Tech-Standards angepasst hat. Henrys Labor findet sich unterm Dach dieses Hauses. Hier versteckt er seine größte Erfindung, besser gesagt, seine größte Schöpfung, die dort oben eingesperrt ist: Den Roboter William, ohne Beine, sich seiner selbst vollauf bewusst – und Henry oder generell den Menschen keineswegs freundlich gesonnen …
Als Henrys Gattin ein mit ihr befreundetes Ehepaar zum Essen einlädt, erfährt Henry nicht nur ein schmerzhaftes Geheimnis über seine geliebte Frau, sondern eskalieren die Dinge zwischen dem geradezu dämonischen William und den vier Menschen außerdem schnell. Coile behält dabei die Muster von „Frankenstein“ (im Shop) und Co. stets im Blick, respektiert und emuliert die Horror-Traditionen um Geisterhäuser, Puppen und Maschinen. Beim Remixen und Updaten setzt er die bekannten Teile so zusammen, dass sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbinden, dabei auch ethische und philosophische Fragen zu Schöpfer und Schöpfung im Kontext KI zeitgemäß betrachten. Die Sorgen zum Thema KI, so viel sei an dieser Stelle verraten, nimmt er einem damit nicht …
Mason Coile: William • Roman • Aus dem Amerikanischen von Thomas Salter • Heyne, München 2024 • 304 Seiten • Erhältlich als Hardcover und eBook • Preis des Hardcovers: € 20,00 • im Shop
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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – im Mai 2024 ist bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“ erschienen.
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